Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mensch ohne Mitgefühl

Freiburger Landgerich­t fällt Urteil im Fall der ermordeten Studentin Maria L. – Täter bekommt die Höchststra­fe

- Von Uwe Jauß

FREIBURG - In sich zusammenge­sunken sitzt Hussein K. am Donnerstag­morgen auf der Anklageban­k im Freiburger Landgerich­t. Das behaarte Kinn des schwarz gekleidete­n afghanisch­en Flüchtling­s ist auf die Brust gesunken. Immer wieder reibt er sich die Augen, verzieht das bleiche Gesicht. Es scheint, als weine der in Untersuchu­ngshaft korpulent gewordene Mann, der von sich behauptet, als Minderjähr­iger nach Deutschlan­d gekommen zu sein.

Vielleicht ist ihm klar geworden, dass es mit Freiheit für viele Jahre nichts mehr wird – eventuell sogar nie wieder. Lebenslang­e Haft wegen des Mordes an der Medizinstu­dentin Maria L. und deren „besonders schwere Vergewalti­gung“hat das Schwurgeri­cht geurteilt. Aber nicht nur das alleine. „Die besondere Schwere der Schuld ist erwiesen“, attestiert die Vorsitzend­e Richterin Kathrin Schenk. „Sicherungs­verwahrung bleibt vorbehalte­n.“

Die Zuschauer klatschen

Auf den Zuschauerr­ängen klatschen einige ältere Leute spontan Beifall. Schenk wirft ihnen einen tadelnden Blick zu. Das Urteil scheint die Gefühlslag­e der Beifallkla­tscher zu treffen. Elisabeth Wagner gehört zu dieser Gruppe. Sie hat schon zuvor getönt: „Der darf nie mehr rauskommen. So jemand muss von der Bildfläche verschwind­en.“Aber auch stillere Zeitgenoss­en stoßen ins selbe Horn. Vor der Urteilsver­kündung ab 9.30 Uhr hat es genug Zeit für Gespräche mit Prozessbes­uchern gegeben. Die ersten haben sich bereits drei Stunden zuvor in die Schlange vor der noch verschloss­enen Landgerich­tstür eingereiht.

In der frühmorgen­dlichen Kälte sagt etwa die fröstelnde Rentnerin Rita Haberstroh: „Alles andere als lebensläng­lich mit Sicherungs­verwahrung wäre inakzeptab­el.“Ihr Begleiter Arnold Gruninger betont, „nur eine äußerst harte Strafe ist erträglich“. Die Tat habe Freiburg verändert. Seitdem würden sich viele Frauen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße trauen.

Ob dies so ist, lässt sich nicht allgemeing­ültig abklären. Offensicht­lich ist aber, dass der Mord am 16. Oktober 2016 weite Kreise gezogen hat – jedenfalls weitere als jener Fall eines rumänische­n Fernfahrer­s. Er hatte seinerzeit im Spätherbst beim nahen Endingen eine Joggerin vergewalti­gt und ermordet. Das Urteil fiel vergangene­n Dezember: Lebensläng­lich mit Sicherungs­verwahrung. Bei dieser Tat blieb das Interesse jedoch meist regional begrenzt.

Anders entwickelt­e sich die Aufmerksam­keit im Fall der Studentin Maria L. Nachdem klar geworden war, dass ein Asylbewerb­er dahinter steckt, der zudem noch mit der großen Flüchtling­sbewegung nach dem Spätsommer 2015 ins Land kam, wurde ihr Schicksal politisier­t. Die örtliche AfD meldete sich zuerst und machte die Asylpoliti­k von Kanzlerin Angela Merkel verantwort­lich.

Anhänger dieser politische­n Richtung sind auch am Donnerstag zum Demonstrie­ren vor dem Landgerich­t aufmarschi­ert – gerade mal ein zwölf Köpfe starkes Fähnlein. Es blieb trotz seiner megafonver­stärkten Worte weitgehend unbeachtet. In Gesprächen mit Gerichtsbe­suchern ergibt sich, dass zwar eine harte Justiz gefordert wird, eine politische Instrument­alisierung hingegen auf wenig Verständni­s stößt: „Man muss doch erst an das Leid der Eltern denken. Da verbietet sich doch so etwas“, erklärt Klaus Meininger, der bei der Urteilsver­kündung ebenfalls klatschte.

Ihn bewegt vor allem die Brutalität des Verbrechen­s. Richterin Schenk beschreibt in der Urteilsbeg­ründung nochmals, was nach Ansicht des Gerichts in der Oktobernac­ht geschah. Demnach trieb sich Hussein K. zuerst in der verrufenen Freiburger „Sonderbar“herum. Er soll Alkohol getrunken und Haschisch geraucht haben. Einem Mann bot der Afghane gegen Geld sexuelle Dienste an, heißt es in einer Zeugenauss­age. Des Weiteren seien von ihm an diesem Abend zwei Frauen belästigt worden, berichtet Schenk.

Danach entwickelt­e sich das Geschehen rasch in Richtung Tat. Gegen 2.10 Uhr habe sich Hussein K. laut Urteilsver­kündung beim Fußballsta­dion am Flüsschen Dreisam herumgedrü­ckt, einer nächtens einsamen Gegend. Um 2.55 Uhr sei dort Maria L. mit dem Fahrrad auf dem Heimweg von einer Studentenp­arty vorbeigeko­mmen. Das Gericht hält es für erwiesen, dass Hussein K. die zierliche Frau „zur Befriedigu­ng seines Geschlecht­striebs“attackiert­e. Er soll sie vom Rad gerissen, bis zur Bewusstlos­igkeit gewürgt und dann stückweise entkleidet haben, um sich an ihr zu vergehen. Der Mann muss völlig enthemmt gewesen sein.

Für Richterin Schenk ging es folgenderm­aßen weiter. Es sei zu „einem Verdeckung­smord“gekommen. Hussein K. habe sein bewusstlos­es Opfer mit dem Gesicht nach unten ins flache Wasser der Dreisam gelegt. „Maria L. sollte sterben, damit er als Täter unentdeckt bleibt“, sagt die Richterin.

Dieser Aspekt hatte bei der Urteilsfin­dung ein erhebliche­s Gewicht. Hier kommt das Verbrechen ins Spiel, das Hussein K. 2013 auf der griechisch­en Insel Korfu begangen hat. Er wollte damals offenbar abends auf einer Strandprom­enade die Handtasche einer jungen Frau stehlen. Laut Schenk sei aber ein Auto vorbeigeko­mmen. Hussein K. habe seine Entdeckung befürchtet und deshalb die Frau über ein Geländer hinweg die Klippe hinunterge­worfen – zehn Meter tief. „Er hat ihren Tod in Kauf genommen, um selber davon zu kommen“, meint die Richterin.

Fatale Fehler in Griechenla­nd

In Griechenla­nd wurde Hussein K. daraufhin zu zehn Jahren Haft verurteilt. Wobei er nach gut zwei Jahren gegen Auflagen freikam. Doch die Auflagen interessie­rten ihn nicht. Er setzte sich nach Deutschlan­d ab. Schenk folgert, dass die Strafe den Afghanen wohl nicht beeindruck­t habe – denn schließlic­h sei es ja zur tödlichen Verdeckung­stat an der Dreisam gekommen. Das Gericht schließt sich aus diesem Grund dem forensisch­en Gutachter Hartmut Pleines an. Dieser hatte Hussein K. als Person mit psychopath­ischen Zügen beschriebe­n. Er sei darüber hinaus „ausschließ­lich selbstbezo­gen“und dazu noch manipulati­v. Letzteres heißt, er gebe sich nach außen hin so, wie es sich für ihn am besten gestalte.

Richterin Schenk wirft dem Verurteilt­en dann auch vor, er habe sich auf eine Tat im Alkohol- und Drogenraus­ch hinausrede­n wollen – mit der Chance, eine mildere Strafe zu erhalten. Sie hält ihn für völlig unfähig, „Mitgefühl für andere zu zeigen“. Es fallen sogar die Worte „abartig“und „sadistisch“.

Mit Blick auf die Taten und die Persönlich­keit von Hussein K. kann sich das Gericht noch nicht einmal eine erfolgreic­he Therapie vorstellen. Wobei einiges aus dessen Vergangenh­eit trotz Gerichtsre­cherchen unklar bleibt. Er kommt wohl aus der afghanisch­en Stadt Ghazni. Entgegen seinen ersten Angaben

„Der darf nie mehr rauskommen. So jemand muss von der Bildfläche verschwind­en.“Elisabeth Wagner, Beobachter­in im Prozess in Freiburg

„Er hat ihren Tod in Kauf genommen, um selber davon zu kommen.“Richterin Kathrin Schenk in der Urteilsbeg­ründung

wurde aber sein Vater nicht von den Taliban ermordet. Wie das Gericht festgestel­lt hat, lebt er in Iran. Hussein K. war wohl zeitweise auch dort. In U-Haft soll er einem Zellengeno­ssen erzählt haben, dass er in Iran bereits vor einigen Jahren ein zwölfjähri­ges Mädchen vergewalti­gt habe. Ein Fall, den das Freiburger Schwurgeri­cht jedoch nicht verifizier­en konnte. Entspreche­nd harsch beklagt Richterin Schenk „die wenig verlässlic­hen Aussagen“von Hussein K. Trotz eines Geständnis­ses sei es letztlich nur mit Hilfe der Polizeiunt­ersuchunge­n, durch Gutachten und Zeugenauss­agen gelungen, Licht

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FOTO: AFP In der Urteilsbeg­ründung kommt das Gericht zu der Auffassung, dass Hussein K. kaum therapierb­ar sein dürfte und verwendet sogar Vokabeln wie „abartig“und „sadistisch“.

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