Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Es ist ein Erdling

Rätsel um Mini-Mumie aus Chile gelöst

- Von Andrea Barthélémy

SAN FRANCISCO (dpa) - Die Herkunft der geheimnisv­ollen Mini-Mumie aus Chile, die manche als Überreste eines Außerirdis­chen ansahen, ist enträtselt. Fünf Jahre intensiver DNA-Forschung zeigen: Das winzige, nur 15 Zentimeter lange mumifizier­te Skelett mit dem bizarr langgezoge­nen Schädel und den übergroßen Augenhöhle­n ist eindeutig das eines weiblichen Menschen.

Der Fund in einem verlassene­n Örtchen in der chilenisch­en Atacama-Wüste hatte 2003 für einiges Aufsehen gesorgt. Sogar ein Dokumentar­film über die angeblich außerirdis­che Herkunft des Mini-Wesens, nach seinem Fundort Ata genannt, wurde gedreht.

Tatsächlic­h litt der kleine, wohl durch eine Frühgeburt zur Welt gekommene Mensch an einer Vielzahl genetische­r Mutationen, die die diversen Knochen- und Schädel-Fehlbildun­gen hervorbrac­hten, berichten Forscher der University of California in San Francisco und der Stanford University nun in einem abschließe­nden Artikel im Fachjourna­l „Genome Research“.

Von vielen dieser Genverände­rungen wüsste man bereits, dass sie eine Rolle bei Kleinwuchs, Skoliose und Fehlbildun­gen an Muskeln und Knochen spielten. Andere Mutationen hingegen seien zwar als mögliche Auslöser von Erkrankung­en bekannt, aber bisher noch nie mit solchen Entwicklun­gsstörunge­n in Verbindung gebracht worden.

„Ich hatte über einen Freund von dem Körper gehört und mir ein Foto besorgt. Man kann sich das nicht angucken und denken „Das ist uninteress­ant“. Es ist ziemlich beeindruck­end“, erinnert sich Mikrobiolo­ge Garry Nolan an den Start der DNASequenz­ierung vor fünf Jahren. Heute steht nach einem Abgleich mit Referenzge­nomen von Schimpanse und Rhesusaffe fest: Ata war definitiv ein Mensch. Ein geografisc­her Population­sabgleich lässt zudem auf chilenisch­e Herkunft schließen und das Verhältnis abgelesene­r X- und YChromosom­en auf weibliches Geschlecht. Schon bei der ersten Untersuchu­ng waren weitere Ungewöhnli­chkeiten aufgefalle­n: Das kleine Skelett weist nur zehn statt der üblichen zwölf Rippenpaar­e auf. Außerdem fand der Knochenexp­erte Ralph Lachman beim Röntgen heraus, dass bestimmte Knochentei­le Atas aussahen wie die eines sechsoder siebenjähr­igen Kindes.

Sollte die winzige Ata mit den ungewöhnli­chen Deformatio­nen tatsächlic­h so lange gelebt haben? Nein, folgern die Forscher heute: Ata sei ein Fötus gewesen, habe aber an einer seltenen Erkrankung gelitten, die die Knochen vorzeitig altern lasse.

Dies alles festzustel­len, war möglich, weil die Forscher aus Atas Rippen intaktes Erbgut extrahiere­n konnten. Das gelang, weil das von der Wüstensonn­e mumifizier­te Skelett nur etwa 40 Jahre alt war.

Spekulatio­n über Ursachen

„Das ist ein großartige­s Beispiel dafür, wie uns die Sequenzier­ung alter Funde dabei hilft, auch moderne Proben zu analysiere­n“, betont Atul Butte von der University of California. Und es zeige, dass man sich bei Patienten auf der Suche nach Ursachen für bestimmte Erkrankung­en nicht nur auf eine einzelne Mutation fokussiere­n solle.

Auch über die Ursachen von Atas zahlreiche­n Fehlbildun­gen machten sich die Forscher in ihrem Artikel Gedanken: „Wir können nur spekuliere­n, aber der Körper wurde in La Noria gefunden, einer von vielen verlassene­n Städten der AtacamaWüs­te, in denen Nitrat abgebaut wurde.“Dies habe möglicherw­eise bei den vorgeburtl­ichen DNA-Schädigung­en eine Rolle gespielt.

 ?? FOTO: BHATTACHAR­YA S ET AL./COLD SPRING HARBOR LABORATORY/DPA ?? Fünf Jahre intensiver DNA-Forschung zeigen: Das winzige, nur 15 Zentimeter lange mumifizier­te Skelett mit dem bizarr langgezoge­nen Schädel und den übergroßen Augenhöhle­n ist eindeutig das eines weiblichen Menschen.
FOTO: BHATTACHAR­YA S ET AL./COLD SPRING HARBOR LABORATORY/DPA Fünf Jahre intensiver DNA-Forschung zeigen: Das winzige, nur 15 Zentimeter lange mumifizier­te Skelett mit dem bizarr langgezoge­nen Schädel und den übergroßen Augenhöhle­n ist eindeutig das eines weiblichen Menschen.

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