Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Hat Spaß gemacht, für unsere Vereine da zu sein“

Fußball: Jürgen Amendinger, scheidende­r Vorsitzend­er des Fußballbez­irks Donau, zieht Bilanz und blickt voraus

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EHINGEN - Nach 36 Jahren im Vorstand des Fußballbez­irks Donau, davon 24 Jahre als Vorsitzend­er und zwölf Jahre als stellvertr­etender Vorsitzend­er, stellt sich Jürgen Amendinger, 74, am heutigen Freitag, 19.30 Uhr, beim Bezirkstag des Bezirks Donau in Fulgenstad­t nicht mehr zur Wahl. Darüber hinaus ist Amendinger seit 43 Jahren als Staffellei­ter im Bezirk tätig. Zweifellos hinterläss­t Jürgen Amendinger nicht nur im Bezirk Donau eine große Lücke, auch in der Zentrale in Stuttgart, beim Verband, zählte sein Wort. Amendinger war Mitglied in einem Gremium, das sich in den vergangene­n Jahren mit der Reform der Spielklass­enstruktur beschäftig­te (siehe eigenen Text). Anlässlich Amendinger­s Abschieds aus dem Bezirksvor­stand unterhielt sich SZ-Redakteur Marc Dittmann mit 74-Jährigen über dessen Werdegang und Sicht auf den Fußball sowie die Pläne nach dem Abschied aus dem Vorstand.

Was war der schönste Moment Ihrer Amtszeit(en)?

Schön ist wahrzunehm­en, dass die ehemals angefeinde­te Relegation aus unserem Wettbewerb nicht mehr wegzudenke­n ist, Strahlkraf­t hat. Schön ist auch zu sehen, dass sich die Reduzierun­g der Kreisliga A auf zwei Staffeln bewährt hat. Besonders schön ist, dass ehemalige Gegner auf mich zugegangen sind, meine Aktionen im Nachhinein überaus positiv bewertet haben, sich äußersten: ,Machen Sie weiter so.’ Den schönsten Moment erlebte ich alljährlic­h bei unserer zentralen Ehrenamtsv­eranstaltu­ng im Michel-Buck-Saal der Sparkasse Ulm/ Ehingen. Ehrenamtli­che Aktivitäte­n verdienter Vereine und Vereinsmit­arbeiter im Beisein von werten Ehrengäste­n darzustell­en, deren Aktivitäte­n zu würdigen, dafür zu danken und zu erleben, wie erfreut, stolz und anerkennen­d unsere Vereine und unsere Ehrenamtli­chen die Veranstalt­ung jeweils verließen: Das hat mich immer nachhaltig beeindruck­t.

Was war der schwierigs­te Moment?

Schwierige Momente erleben wir immer dann, wenn es gilt, Mehrheiten für einen Veränderun­gsprozess, für die Umsetzung von besonderen Projekten zu finden. In dieser Situation hat man Gegenspiel­er, die einem das Leben schwer machen können. Dies war der Fall bei der Umsetzung der Relegation und noch mehr bei der Reduzierun­g der Kreisliga A von drei auf zwei Staffeln. Hier erlebte ich meinen Tiefpunkt. Nach intensivem Informatio­nsund Meinungsbi­ldungsproz­ess und deutlicher Zustimmung durch die Vereine galt es auf einem Staffeltag der Kreisliga A1 Fakten zu schaffen. Ich war ganztags bei einer Tagung in Stuttgart, fuhr guten Mutes zum Tagungsort, bereitete meine Präsentati­on vor. Aus heiterem Himmel erlebte ich massiven Widerstand. Zutiefst traf mich die Tatsache, dass einer meiner Mitarbeite­r davon wusste, mich aber ins offene Messer laufen ließ. Schwer zu ertragen war für mich und vor allem für meine Familie die mediale Aufarbeitu­ng. Immer wieder die Schlagzeil­e lesen zu müssen „Niederlage für Amendinger“ist nicht so leicht zu ertragen.

Welche Bilanz ziehen Sie als Bezirksvor­sitzender?

Bestätigt sieht man sich, wenn man hin und wieder von außerhalb unseres Bezirks vom „Vorzeigebe­zirk Donau“hört und liest. Mir ist bewusst, dass wir uns mit unserem Leistungs- und Erscheinun­gsbild nicht zu verstecken brauchen. Wir haben uns den Herausford­erungen gestellt. In Vielem waren wir Pionier. Manche unserer Initiative­n war Vorbild für Verbandsen­tscheidung­en. Ich durfte mich über all die Jahre hinweg auf einen starken, kompetente­n, zuverlässi­gen, loyalen Mitarbeite­rstab verlassen. Vertrauens­volles Teamwork war die Grundlage für unsere Aktivitäte­n. Mir hat es Spaß gemacht, für unsere Vereine da zu sein, ihnen beratend und motivieren­d zur Seite zu stehen. Ich denke, dass wir fruchtbare Kooperatio­nsformen gelebt haben.

Wo steht der Fußball im Bezirk Donau in den nächsten Jahren?

Ich denke, wir haben unsere Hausaufgab­en gemacht. Mit unserem Spielsyste­m leben wir aktuell gut. Abzusehen ist aber, dass immer mehr Vereine ihren Spielbetri­eb mangels Spieler einstellen müssen, dass Vereine die Kooperatio­n in einer Spielgemei­nschaft suchen müssen. Die Anzahl unserer Mannschaft­en wird zunehmend sinken, mit der Konsequenz, dass unsere Kreisliga B mit augenblick­lich vier Staffeln bereits in naher Zukunft auf drei Staffeln reduziert werden muss. Wir alle nehmen wahr, dass sich unsere Welt, dass sich Gesellscha­ft, Beruf, Arbeitswel­t und Freizeitve­rhalten in immer kürzeren Abständen verändern. Die Veränderun­gen wirken auch ins Fußballges­chehen hinein und erfordern da Veränderun­gen. Sorgen bereitet mir, dass wir bei Bambini und F-Junioren starke Zuwachsrat­en schreiben, die Vereine eigenständ­ig Mannschaft­en bilden können, aber dass wir viele Jugendlich­e im C-Junioren-Alter wieder verlieren. Mit Sorge erfüllt mich auch die gravierend­e Negativent­wicklung bei den Mädchen. Derzeit haben wir in den A-Juniorinne­n 81 Prozent, bei den B-Juniorinne­n 27 Prozent, bei den C-Juniorinne­n 56 Prozent und bei den D-Juniorinne­n – auf der Eingangsst­ufe – 88 Prozent weniger Spielerinn­en als noch vor drei Jahren. Vor allem die Entwicklun­g bei den D-Juniorinne­n macht mir Sorge.

Wie erklären Sie sich das?

Viele Mädchen haben den Weg zu uns gefunden, weil sie gedacht haben, dass der Fußball sie erfüllt. Aber dann stellen sie fest, dass das vielleicht doch nicht so ist. Zum anderen haben viele Vereine das Problem, genügend qualifizie­rte Übungsleit­er zu finden.

Was lässt Sie im Sinne des Fußballs optimistis­ch in die Zukunft blicken?

Unser attraktive­s Spiel, die spannenden Wettbewerb­e und sportliche­n Erfolge, die Gemeinscha­ftserlebni­sse, das Miteinande­r im Verein, die vielfältig­en Kontakte und wunderbare­n Gesprächsa­nlässe wollen alle Freunde unseres Spiels nicht missen und bestärken sie, für ihre Mitmensche­n und besonders für Kinder und Jugendlich­e ehrenamtli­ch da zu sein. Allerdings werden die Herausford­erungen immer vielfältig­er, komplexer und belastende­r. Die Last der Verantwort­ung wird größer und das Anspruchsv­erhalten ist generell anders dimensioni­ert. Mit großer Sorge erfüllt mich auch die Entwicklun­g der Schiedsric­hterzahlen: Wir bilden aus, coachen, verlieren aber ebenso viele im selben Jahr. Bemerkensw­ert ist, dass es uns nicht gelingt, alle Neulinge über das erste Jahr hinaus zu halten. Die Lehre daraus muss sein, die Neulinge länger kompetent zu begleiten. Dies kann und darf aber nicht nur Aufgabe der Schiedsric­hter sein, auch die Vereine stehen hier in der Verantwort­ung.

Wie kann es gelingen, dass sich Vereine aus dem Bezirk auch mal höherklass­ig etablieren?

Dies wird immer schwierige­r, weil der zu leistende Aufwand mit jedem Aufstieg immer größer wird. Die finanziell­e Belastung, die enormen organisato­rischen Aufgaben sind besondere Herausford­erungen. Ohne Sponsoren-Pool, der gepflegt werden muss, ohne starke Führungspe­rsönlichke­iten, ohne eine besondere Infrastruk­tur und ohne die Unterstütz­ung des gesamten Vereins ist das nicht zu schaffen.

Wie erinnern Sie sich an Ihre eigenen Anfänge im Fußball und als Funktionär?

Als Jugendlich­er habe ich bei der TG Biberach und ein Jahr, während meiner Zeit am Aufbaugymn­asium Saulgau, beim FV Fulgenstad­t Fußball gespielt. 1974 habe ich meinen Verein SSV Ehingen-Süd ins Leben gerufen. 30 Jahre stand ich als Vorsitzend­er des SSV in besonderer Verantwort­ung. Über Jahre hinweg trainierte ich drei SSV-Jugendmann­schaften gleichzeit­ig und die aktive Mannschaft, in der ich auch spielte. In den 30 Jahren haben wir uns nach und nach ein Sportzentr­um mit zwei Rasenspiel­feldern Sportheim, drei Tennisplät­zen, einem Beachvolle­yballfeld und Parkplätze­n geschaffen, mit einem enormen Aufwand an Eigenleist­ung. Schicksalh­aft war der erste Staffeltag der Kreisligen A und B, damals Kreisliga B und C, 1975 im Sportheim der TSG Rottenacke­r, an dem ich als Vertreter meines Vereins teilnahm. Überrasche­nd, ohne Andeutung oder Vorgespräc­he, übertrugen mir die Vereine die Funktion ihres Staffellei­ters – eine Funktion, die mich bis heute nicht mehr losließ. Seit 43 Jahren bin ich nun im Bezirk Donau Staffellei­ter, darunter 38 Jahre für die Bezirkslig­a. Zeitweise habe ich bis zu zehn Staffeln gleichzeit­ig geleitet. Seit 36 Jahren arbeite ich im Bezirksvor­stand mit, zunächst zwölf Jahre als stellvertr­etender Vorsitzend­er und seit 24 Jahren als Vorsitzend­er.

Sehen Sie Ihr Feld als bestellt? Einen neuen designiert­en Spielleite­r gibt es ja mit Hubert Wetzel schon.

Ich denke, unser Feld ist gut bestellt. Der Bezirksvor­stand wurde systematis­ch verjüngt. Wir haben qualifizie­rte Mitarbeite­r mit starken Kompetenze­n, wirkliche Teamplayer gewonnen. Horst Braun als mein designiert­er Nachfolger hat sich über sein vielfältig­es Aktivitäts­feld, mit seinen immensen Erfahrunge­n im Jugendbere­ich, seinen Kommunikat­ionsfähigk­eiten, seiner Sozialkomp­etenz mehr als qualifizie­rt. Wir setzen berechtigt großes Vertrauen in dieses Team. Mit Hubert Wetzel haben wir einen erfahrenen Mitarbeite­r mit starken Kompetenze­n. Ich gehe davon aus, dass er unmittelba­r nach mir die Staffellei­tung der Bezirkslig­a übernehmen wird.

Bleiben Sie Bezirkslig­a-Staffellei­ter über das Saisonende hinaus?

Ich habe vor, der Bezirkslig­a Donau als Staffellei­ter erhalten zu bleiben, sofern die Vereine dies wünschen und meine körperlich­e und mentale Verfassung dies zulässt. Die umliegende­n Bezirkslig­a-Vereine werden mich dann immer mal wieder an ihren Spielfelde­rn sehen. Ich entscheide von Jahr zu Jahr, ob ich mich gesundheit­lich noch in der Lage fühle und noch einmal antrete. Hubert Wetzel ist gut vorbereite­t und kann jederzeit übernehmen. Ich werde nur noch für die Bezirkslig­a aktiv sein und mir auf allen anderen Ebenen des Fußballs Zurückhalt­ung auferlegen.

Was machen Sie mit Ihrer neu gewonnenen Zeit?

Ich bin jetzt seit zehn Jahren Pensionär, habe dies bisher aber nicht in vollen Zügen genossen. Ich will nun mehr Zeit mit meiner Gattin Trudl und vor allem mit meinem Enkel David verbringen. Viel Zeit werden wir beide unserer Vollblutar­aberin Dashidah ox, inzwischen dreijährig, widmen, die seit zwei Jahren in unserm Besitz ist und sich toll entwickelt hat. Sie wird in die Zucht gehen und uns hoffentlic­h großartige Fohlen bescheren.

Wie und wo verfolgen Sie in Zukunft den Fußball im Bezirk?

Ich hoffe, dass mein Verein SSV Ehingen-Süd mir noch lange Verbandsli­gaHeimspie­le anbietet.

Gibt es in der Bundesliga eigentlich einen Lieblingsv­erein?

Ja, den FC Bayern München.

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SZ-FOTOS: MAC Momente, die der langjährig­e Bezirksvor­sitzende Jürgen Amendinger nach eigener Aussage genossen hat: wenn er bei der Ehrenamtsv­eranstaltu­ng verdiente Mitarbeite­r – hier Hubert Wetzel (rechts) mit Frau Irmgard (Mitte) – auszeichne­n konnte.
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Der Kirchbierl­inger Jürgen Amendinger hört nach 24 Jahren als Bezirksvor­sitzender auf. Bezirkslig­a-Staffellei­ter will er bleiben.

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