Ein Vater sucht seine Tochter
Die Mutter ist mit der Tochter plötzlich weggezogen und nicht mehr im Land gemeldet
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EHINGEN - Ein 29-jähriger Vater sucht verzweifelt nach seiner fünfjährigen Tochter. Seit einem Jahr weiß Christopher K. nicht, wo sie sich aufhält, die Mutter ist mit ihr plötzlich aus dem Raum Ehingen weggezogen und nicht mehr in Deutschland gemeldet. Er fühlt sich im Stich gelassen, weil keiner ihm helfen kann. Nun kämpft er gegen Windmühlen, merkt, wie aussichtslos es für für einen Vater sein kann, sein Kind zu sehen.
„Ich will mich doch einfach nur um sie kümmern“, sagt Christopher K. Bereits bevor die Schwangerschaft bekannt wurde, hatte er sich von der Mutter getrennt. Sie haben kein gemeinsames Sorgerecht, mit der Besuchsregelung war er nie richtig glücklich.
Als nach der Geburt Besuche nicht mehr problemlos möglich waren, wurde über das Jugendamt eine Umgangsregelung getroffen. Christopher K. durfte seine Tochter alle vier Wochen für zwei Stunden sehen. „Eigentlich hätte ich mir alle zwei Wochen ein Treffen gewünscht“, sagt er. Und es sei wieder Zeit vergangen, bis er seine Tochter endlich wieder sehen konnte. „Meine Tochter hat mich gar nicht mehr gekannt.“Er sei für zwei Stunden zur Mutter gefahren, „sie hat mir die Tochter einfach in den Arm gedrückt“, erklärt der Vater. „Doch mit 23 Jahren war ich überfordert mit so einem kleinen Säugling.“Irgendwann habe er gemerkt: „So hat das keinen Sinn.“Er habe in der Folge auf die Treffen verzichtet. Unterhalt habe er weiter gezahlt.
Doch der Wunsch, sich um die Tochter zu kümmern, kam wieder auf. Christopher K. fand eine neue feste Beziehung, seine Partnerin hat bereits ein Kind. „Ich hatte jetzt mehr Erfahrung. Und job- und wohnungstechnisch passt jetzt auch alles“, sagt der 29-Jährige, der vorher bei seiner Mutter gewohnt hatte.
Recht auf Bilder
Er habe erfahren, dass er ein Recht auf Bilder habe – es war das einzige, was er seit Ende 2015 von seiner Tochter zu sehen bekommen hat. „Jedes halbe Jahr habe ich über das Jugendamt Bilder von ihr erhalten, ausgedruckt auf einem Papier“, erzählt er.
Im April 2017 habe er dann einen Brief an die Mutter geschrieben. „Ich interessiere mich nach wie vor für mein Kind“, schrieb er ihr und fragte: „Was treibt die Kleine denn so außer Kindergarten?“Die Mutter habe geantwortet, die Tochter wisse nicht, wer ihr Vater ist. Sie habe ihr zu deren Schutz nichts gesagt.
Im Mai 2017 erfährt Christopher K. schließlich vom Jugendamt: Die Mutter ist unbekannt ins Ausland verzogen, das Amt rät ihm rechtlichen Beistand an. Den holt er sich auch – und er fährt zur bisherigen Wohnung der Mutter. Doch die sei komplett leergeräumt gewesen, erzählt er. Er habe sich noch einmal eine Auskunft eingeholt, dass sie nicht mehr in Deutschland gemeldet ist.
In einem Brief habe ihm die Mutter schließlich geschrieben, er hätte kein Interesse am Umgangsrecht gehabt, daher habe es keinen Grund gegeben, in Deutschland zu bleiben. Sie sei in die Schweiz zu ihren Geschwistern gefahren. Dem Jugendamt hätte sie nichts gesagt, denn der Umzug in die Schweiz hätte für ihn höhere Unterhaltskosten zur Folge gehabt. Sie nannte ihm eine C/o-Adresse im Bodenseekreis, nicht ihre direkte Anschrift.
Christopher K. ist sogar in die Schweiz gefahren, doch hat er seine Tochter nicht gefunden. Er hat das Jugendamt gebeten, den Aufenthaltsort der Tochter zu ermitteln, doch das habe auf die C/o-Adresse verwiesen. Das Jugendamt habe schließlich erklärt, nicht mehr zuständig zu sein, weil Mutter und Tochter hier nicht mehr gemeldet seien.
„Alles war eine Sackgasse“, sagt der Vater. Schließlich habe er ein Bild von der Mutter in der Zeitung gefunden. Sie hatte einen Abschluss an einer Ehinger Schule gemacht. Er gehe davon aus, dass sie sich weiterhin im Kreis Ehingen aufhalte, sagt er. Er habe sich bei der Polizei gemeldet, doch auch die habe ihm nicht weitergeholfen. Er habe es mit einer Anzeige wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht versucht, aber nichts mehr gehört. Er habe eine Strafanzeige gestellt wegen Entziehung Minderjähriger, doch die Staatsanwaltschaft Ulm antwortete ihm, dass kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gegeben sei und stellte das Verfahren ein. Mittlerweile sieht auch sein Anwalt keinen Weg mehr. Christopher K. würde auch das gemeinsame Sorgerecht beantragen, sagt er. Aber dazu bräuchte er eine Adresse.
Warum kann das Jugendamt nicht helfen? „Für eine sorgeberechtigte Mutter oder einen sorgeberechtigten Vater gibt es keine rechtliche Verpflichtung, den Jugendbehörden mitzuteilen, wohin sie oder er ihren Aufenthaltsort ganz oder zeitweise verlegt“, erklärt Bernd Weltin, Pressesprecher des Landratsamts Alb-Donau-Kreis. Zum konkreten Fall dürfe das Dezernat Jugend und Soziales keine Angaben machen, doch allgemein könne er sagen: „Das Jugendamt, in dessen Zuständigkeitsbereich ein sorgeberechtigter Elternteil mit seinem Kind bisher gelebt hat, hat keine rechtliche Handhabe, den neuen Aufenthaltsort zu ermitteln oder ermitteln zu lassen.“Ansprechpartner sei immer das Jugendamt, in dessen Zuständigkeitsbereich das Kind dann lebt.
Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger kann dem Vater auch keine Lösung bieten. „Im Prinzip ist das eine familiengerichtliche Geschichte“, erklärt er auf Nachfrage. „Wir gießen Öl ins Feuer, wenn wir das weiter verfolgen. Wir haben immer das Kindeswohl im Blick.“Die Einstellung des Verfahrens wegen Entziehung Minderjähriger sei aus seiner Sicht nachvollziehbar begründet. Klar sei ihm aber auch, dass es schwierig ist, „weil man Sympathien für jeden hat, der sagt: Ich will mich um mein Kind kümmern können“.
Der Vater habe noch die Möglichkeit, sich zu beschweren. „Dann wird sich der Generalstaatsanwalt der Sache annehmen und überprüft die Akte auf Fehler hin.“Aber an die Adresse des Kindes komme der Vater so auch nicht. Die Anklage hätte nur den Zweck, die Mutter beziehungsweise den Täter zu bestrafen. „Die Rückführung des Kindes ist keine Folge der Verurteilung.“Aber natürlich könnte es ein Begleiteffekt sein, dass der Aufenthaltsort dabei herauskommt.
Einen Haftbefehl gebe es etwa, wenn ein Kind in ein unsicheres Land gebracht werde. Hingegen: Wenn das Kind an einem neuen, sicheren Ort mittlerweile sozial integriert sei, werde kein Gericht der Welt zustimmen, dass es zurückgeführt wird. „Man würde es nicht herausreißen, auch wenn der Zustand rechtswidrig wäre“, erklärt Bischofberger.
„Wo ist meine Tochter?“Mittlerweile verteilt Christopher K. Flyer und hängt Plakate. Er kommt einfach nicht an die neue Adresse ran. „Ich versuche alles, fühle mich aber im Stich gelassen“, sagt er niedergeschlagen. „Es geht um mein Kind, es geht um mein Leben. Ich vermisse meine Tochter so sehr.“
Wie schwer haben es Väter, wenn sie von der Mutter getrennt sind und trotzdem weiter ihr Kind sehen möchten? Die „Schwäbische Zeitung“hat beim Ehinger Rechtsanwalt Michael Neumann nachgefragt. Der Artikel ist online zu lesen unter www.schwäbische.de/familienrecht