Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gianna Nannini bringt die Arena zum Brodeln

Konzert: Beim Auftritt der Italo-Rockerin weht ein Hauch von Florenz durch Neu-Ulm

- Von Dagmar Hub

NEU-ULM - Sie fühle sich wie eine alte Stradivari – in Würde gealtert und dabei sogar noch wertvoller geworden, sagte Gianna Nannini vor einem Jahr. Gealtert? Bei ihrem Auftritt in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena präsentier­te sich die Königin des Italo-Rock als Powerfrau mit Energie für zehn, tanzte und hüpfte über die Bühne und lieferte fast zwei Stunden lang ohne Pause eine Show der Extraklass­e ab. Ihre Fans feierten Gianna Nannini euphorisch vom ersten Song an, am Ende hielt es fast niemanden mehr auf den Sitzen.

Neu-Ulm war die siebte Station der „Fenomenale“-Tour der Rebellin. Den Autokennze­ichen zufolge kamen Fans auch aus der Schweiz und aus Italien – und erlebten Rockballad­en des neuen „Amore gigante“-Albums und Highlights einer seit mehr als 40 Jahren währenden Bühnenkarr­iere. Gianna Nanninis erster MegaHit „America“kam 1979 auf den Markt. Der Text spricht von der Suche nach sexueller Identität und war ein Skandal der frühen 80er. Freilich muss „America“an diesem Abend in der Arena sein, ebenso wie „Latin Lover“, „Voglio il tuo profumo“, „Bello e impossibil­e“und „I maschi innamorati“.

Für „Sei nell´anima“greift die 63Jährige selbst zur Akustik-Gitarre. Bei Rockballad­en wie „Scandalo“brodelt es in der Arena. Melancholi­sche Momente wechseln sich mit eruptiven ab, Gianna Nannini kickt schon mal das Standmikro mit dem Fuß um, um es ins Publikum zu halten und die Menschentr­auben vor der Bühnen singen zu lassen – und die sind textsicher.

Was für eine Frau, die in ihrem kühlen, weißen Hosenanzug zu Beginn eher maskulin wirkt. Später wirft sie sich hinter der Bühne kurz in Schwarz und feiert ganz am Ende in der roten Trainingsh­ose ihre ganz eigene Party mit dem Publikum. Die Tochter eines Konditors aus Siena in der Toskana hat ein Philosophi­e-Studium mit „summa cum laude“abgeschlos­sen, besitzt ein Weingut und hat mit 54 – wohl ungeplant – eine Tochter zur Welt gebracht. Es gibt wohl keine Schublade, in die die Nonkonform­istin passt. Nicht einmal in die der Nonkonform­istin, denn auch ein quasi konformes Werk lieferte sie einst ab: „Un estate italiana“, die offizielle Hymne zur Fußball-Weltmeiste­rschaft 1990 in Italien. Deren Einnahmen gab die Sängerin komplett an Amnesty Internatio­nal. In der Arena wird „Un estate italiana“– begleitet von einer Lichtshow in den italienisc­hen Farben – zum wohl meistgefei­erten Hit neben Nanninis rauchig-rauer, markanter Version des Liedes, das als die Italo-Ballade schlechthi­n gilt: „Nel blu dipinto del blu“, bekannt geworden als „Volare“. Domenico Modugno schrieb das Stück für das San-Remo-Festival 1958. Als Modugno mit dem Titel dort siegte, war die kleine Gianna Nannini dreieinhal­b Jahre alt. Beim Song legt sich über die kühle Nüchternhe­it der Arena die Leichtigke­it einer Sommernach­t in Florenz, die Menge feiert jubelnd. Mit „Creatura meraviglio­sa“verabschie­det sich Gianna Nannini vom Publikum. Tief berührt und den Tränen nah nimmt sie den Applaus der Fans entgegen, dreht sich um und winkt im Gehen noch einmal. Meraviglio­sa, fenomenale – oder einfach Gianna Nannini.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Gianna Nannini bei ihrem Auftritt in der Ratiopharm Arena.

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