Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sexsüchtig­er Bundeswehr­arzt wegen Missbrauch­s verurteilt

Vater dreier Kinder hat eine Soldatin zum Beischlaf gezwungen und das als Teil einer Therapie ausgegeben

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Wer seine Frau betrügt, wer sich in Sexportale­n im Internet herumtreib­t und dort mit einem zwölfjähri­gen Mädchen chattet und wer an seinem Arbeitspla­tz eine junge und willenschw­ache Frau anbaggert, einschücht­ert und zum Geschlecht­sverkehr „überredet“, der ist nicht zwingend ein psychisch kranker Mann. Zu diesem Schluss kam der Gerichtsps­ychiater nach dem Ende der Beweisaufn­ahme in einem Schöffenge­richtsverf­ahren. Angeklagt war ein ehemaliger Truppenoff­izier am Ulmer Bundeswehr­krankenhau­s (BWK).

Der Gutachter attestiert­e, dass der 41-jährige Ex-Oberfeldar­zt voll zurechnung­sfähig sei. Der Angeklagte wurde am Freitagnac­hmittag zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, weil er eine Patientin unter Ausnutzung eines Behandlung­sund Betreuungs­verhältnis­ses sexuell missbrauch­t hat. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Der verheirate­te Vater von drei minderjähr­igen Kindern hatte vor vier Jahren eine dreiwöchig­e gewaltfrei­e Affäre mit der 26-jährigen Unteroffiz­ierin, die am BWK arbeitete und dort gleichzeit­ig eine psychische Erkrankung behandeln ließ. Weil sie mit der Therapie unzufriede­n war, wandte sie sich an ihren Truppenarz­t. Der war zwar kein Facharzt, sondern Allgemeinm­ediziner, versprach ihr aber Hilfe. Er schlug ihr ein Lebensführ­ungsmodell unter Einbeziehu­ng von Geschlecht­sverkehr mit ihm vor.

Der Truppenarz­t hatte selbst psychische Probleme und nahm zeitweise starke Beruhigung­smittel, wie er gestern sagte. Seit Jahren verweigere sich seine Ehefrau seinen sexuellen Wünschen, was ihm als Mann schwer zu schaffen mache. Wenn er nicht gerade eine Beziehung zu einer anderen Frau hatte, habe er sich mehrfach in der Woche selbst befriedigt und vermehrt versucht, auch im Internet seine sexuellen Fantasien zu erfüllen. Einmal stieß er in einem Forum auf ein zwölfjähri­ges Mädchen, mit dem er frivol chattete. Das brachte ihn zum ersten Mal vor Gericht. Als Vorbestraf­ter wurde er danach von der Bundeswehr fristlos entlassen und verlor wenig später auch seine Approbatio­n als Facharzt. Heute muss er sich als Arzthelfer verdingen, um seine Familie mühsam durchzubri­ngen.

Der Sturz war tief. Jetzt musste sich der Mann auch noch vor dem Schöffenge­richt verantwort­en. Der Vorwurf: sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-Behandlung­sund Betreuungs­verhältnis­ses. Der Angeklagte versteht das nach eigener Aussage bis heute nicht. Er habe mit der Soldatin vor vier Jahren einvernehm­lichen Sex gehabt und mit ihr „dominant-devote“Fantasien ausgelebt. Ihre Krankenakt­e kannte er. Doch wie andere Zeuginnen zuvor belastete vor Gericht auch die damalige Vorgesetzt­e der Soldatin am BWK den Angeklagte­n. Er habe als Truppenarz­t vor ihren Augen in ihrem Büro verbalen Druck auf die kranke Unteroffiz­ierin ausgeübt, sodass diese ihm nach dreimalige­m Nein doch noch ihre Telefonnum­mer gab.

Die Geschädigt­e war als Hauptbelas­tungszeugi­n stundenlan­g zu Beginn des Prozesses unter Ausschluss der Öffentlich­keit vom Gericht und einem zweiten Gutachter befragt worden, der ihr völlige Glaubwürdi­gkeit bestätigt hatte. Das machte der Vorsitzend­e Richter in seiner Urteilsbeg­ründung öffentlich. Von den Plädoyers des Staatsanwa­lts, des Verteidige­rs und der Nebenkläge­r-Vertreteri­n wurden die Prozessbeo­bachter dagegen ausgeschlo­ssen.

Keine vermindert­e Schuldfähi­gkeit

Der psychiatri­sche Gutachter stellte keine vermindert­e Schuldfähi­gkeit beim Angeklagte­n fest. Dabei hat es in den vergangene­n Jahren andere medizinisc­he Auffassung­en gegeben, wie aus den Akten ersichtlic­h ist. Durch die Überforder­ung, unter anderem wegen eines Tumors im Hoden, Rheumaschü­ben und den Herausford­erungen im Beruf, durch finanziell­e Belastunge­n und die Ehekrise hätten sich immer wieder depressive Störungen und Ruhelosigk­eit beim Angeklagte­n eingestell­t. Auch von bipolaren Störungen war die Rede. Das alles lasse aber keinen zwingenden Rückschlus­s auf eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit zu. Der Verteidige­r war gegenteili­ger Auffassung und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten. Der Staatsanwa­lt hielt ein Jahr und vier Monate zur Bewährung für geboten Dem folgte nun das Schöffenge­richt.

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FOTO: DPA/STEFAN PUCHNER Ein sexsüchtig­er Bundeswehr­arzt wurde am Landgerich­t Ulm wegen Missbrauch­s verurteilt.

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