Sexsüchtiger Bundeswehrarzt wegen Missbrauchs verurteilt
Vater dreier Kinder hat eine Soldatin zum Beischlaf gezwungen und das als Teil einer Therapie ausgegeben
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ULM - Wer seine Frau betrügt, wer sich in Sexportalen im Internet herumtreibt und dort mit einem zwölfjährigen Mädchen chattet und wer an seinem Arbeitsplatz eine junge und willenschwache Frau anbaggert, einschüchtert und zum Geschlechtsverkehr „überredet“, der ist nicht zwingend ein psychisch kranker Mann. Zu diesem Schluss kam der Gerichtspsychiater nach dem Ende der Beweisaufnahme in einem Schöffengerichtsverfahren. Angeklagt war ein ehemaliger Truppenoffizier am Ulmer Bundeswehrkrankenhaus (BWK).
Der Gutachter attestierte, dass der 41-jährige Ex-Oberfeldarzt voll zurechnungsfähig sei. Der Angeklagte wurde am Freitagnachmittag zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, weil er eine Patientin unter Ausnutzung eines Behandlungsund Betreuungsverhältnisses sexuell missbraucht hat. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Der verheiratete Vater von drei minderjährigen Kindern hatte vor vier Jahren eine dreiwöchige gewaltfreie Affäre mit der 26-jährigen Unteroffizierin, die am BWK arbeitete und dort gleichzeitig eine psychische Erkrankung behandeln ließ. Weil sie mit der Therapie unzufrieden war, wandte sie sich an ihren Truppenarzt. Der war zwar kein Facharzt, sondern Allgemeinmediziner, versprach ihr aber Hilfe. Er schlug ihr ein Lebensführungsmodell unter Einbeziehung von Geschlechtsverkehr mit ihm vor.
Der Truppenarzt hatte selbst psychische Probleme und nahm zeitweise starke Beruhigungsmittel, wie er gestern sagte. Seit Jahren verweigere sich seine Ehefrau seinen sexuellen Wünschen, was ihm als Mann schwer zu schaffen mache. Wenn er nicht gerade eine Beziehung zu einer anderen Frau hatte, habe er sich mehrfach in der Woche selbst befriedigt und vermehrt versucht, auch im Internet seine sexuellen Fantasien zu erfüllen. Einmal stieß er in einem Forum auf ein zwölfjähriges Mädchen, mit dem er frivol chattete. Das brachte ihn zum ersten Mal vor Gericht. Als Vorbestrafter wurde er danach von der Bundeswehr fristlos entlassen und verlor wenig später auch seine Approbation als Facharzt. Heute muss er sich als Arzthelfer verdingen, um seine Familie mühsam durchzubringen.
Der Sturz war tief. Jetzt musste sich der Mann auch noch vor dem Schöffengericht verantworten. Der Vorwurf: sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-Behandlungsund Betreuungsverhältnisses. Der Angeklagte versteht das nach eigener Aussage bis heute nicht. Er habe mit der Soldatin vor vier Jahren einvernehmlichen Sex gehabt und mit ihr „dominant-devote“Fantasien ausgelebt. Ihre Krankenakte kannte er. Doch wie andere Zeuginnen zuvor belastete vor Gericht auch die damalige Vorgesetzte der Soldatin am BWK den Angeklagten. Er habe als Truppenarzt vor ihren Augen in ihrem Büro verbalen Druck auf die kranke Unteroffizierin ausgeübt, sodass diese ihm nach dreimaligem Nein doch noch ihre Telefonnummer gab.
Die Geschädigte war als Hauptbelastungszeugin stundenlang zu Beginn des Prozesses unter Ausschluss der Öffentlichkeit vom Gericht und einem zweiten Gutachter befragt worden, der ihr völlige Glaubwürdigkeit bestätigt hatte. Das machte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung öffentlich. Von den Plädoyers des Staatsanwalts, des Verteidigers und der Nebenkläger-Vertreterin wurden die Prozessbeobachter dagegen ausgeschlossen.
Keine verminderte Schuldfähigkeit
Der psychiatrische Gutachter stellte keine verminderte Schuldfähigkeit beim Angeklagten fest. Dabei hat es in den vergangenen Jahren andere medizinische Auffassungen gegeben, wie aus den Akten ersichtlich ist. Durch die Überforderung, unter anderem wegen eines Tumors im Hoden, Rheumaschüben und den Herausforderungen im Beruf, durch finanzielle Belastungen und die Ehekrise hätten sich immer wieder depressive Störungen und Ruhelosigkeit beim Angeklagten eingestellt. Auch von bipolaren Störungen war die Rede. Das alles lasse aber keinen zwingenden Rückschluss auf eine verminderte Schuldfähigkeit zu. Der Verteidiger war gegenteiliger Auffassung und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten. Der Staatsanwalt hielt ein Jahr und vier Monate zur Bewährung für geboten Dem folgte nun das Schöffengericht.