Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Beim Schlaganfa­ll zählt jede Minute

Neue Notaufnahm­e des RKU bewährt sich - Rasche Therapie kann Schäden minimieren

- Von Ludger Möllers

ULM - „Time is brain – Zeit bedeutet Gehirnleis­tung“: Mediziner, die Schlaganfa­ll-Patienten behandeln, wissen: Je schneller ein Patient im Krankenhau­s ist, desto größer sind die Chancen, dass er ohne Folgeschäd­en bleibt. Dieser Maxime trägt die im Oktober 2016 eröffnete neue Notaufnahm­e im Universitä­ts- und Rehabilita­tionsklini­ken Ulm (RKU) Rechnung. Alle Prozesse sind auf Tempo ausgericht­et. Seitdem sind 1000 Aufnahmen mehr als in dem Jahr zuvor verzeichne­t worden.

Seit einem Tag liegt die ältere Patientin auf der Schlaganfa­ll-Spezialsta­tion der RKU: „Ich konnte plötzlich meinen Arm nicht bewegen und hatte Schwierigk­eiten mit dem Sprechen“, beschreibt sie die Situation vor ihrem Eintreffen ins Krankenhau­s. Dass dies typische Symptome für einen Schlaganfa­ll sind, habe ihr Sohn erkannt, deshalb sei sie in die Klinik gebracht worden.

Die Patientin aus Biberach, die ihren Namen nicht nennen will, gehört zu den 270 000 Menschen in Deutschlan­d, die pro Jahr einen Schlaganfa­ll erleiden. 200 000 von ihnen zum ersten Mal. Meistens trifft es nach Angaben der Deutschen Schlaganfa­ll-Hilfe ältere Menschen. Nur – je nach Datenquell­e – 4 bis 15 Prozent der Patienten sind unter 50 Jahre alt.

Treten die typischen Schlaganfa­ll-Symptome auf, zählt jede Minute: Der plötzliche Verschluss von Gefäßen im Gehirn muss innerhalb kürzester Zeit geöffnet werden, um die Sauerstoff­zufuhr wieder herzustell­en und zu verhindern, dass Zellen absterben.

Die medizinisc­he Behandlung muss innerhalb der ersten Stunden einsetzen. Gemeint ist die Spanne vom Auftreten der Symptome über den Notruf 112 bis zur Einlieferu­ng in eine Klinik und den Behandlung­sbeginn.

2016 investiert­e das RKU deshalb in die Modernisie­rung und Umstruktur­ierung der Notaufnahm­e. Eine neue Liegendanf­ahrt, hochmodern­e Behandlung­sräume und die zentrale Lage ermögliche­n den Pflegefach­kräften, medizinisc­h-technische­n Assistente­n und Ärzten eine optimale Versorgung der Patienten.

Steigende Zahlen

Die Zahlen begründen die Notwendigk­eit der Maßnahmen: Rund 1500 Störungen der Blutversor­gung des Gehirns sind im letzten Jahr im RKU behandelt worden. Hinzu kamen etwa 1500 Patienten mit einem epileptisc­hen Anfall, 500 Patienten mit einer Hirnhauten­tzündung. Weitere 1000 Patienten stellten neurologis­che Notfälle dar und mussten einer erweiterte­n Differenzi­aldiagnose unterzogen werden.

„Seit 20 Jahren findet in der Neurologie ein Paradigmen­wechsel statt“, begründet Professor Dr. Albert C. Ludolph, Ärztlicher Direktor der Neurologis­chen Universitä­tsklinik Ulm am RKU: „Wir bewegen uns immer mehr in Richtung Akutmedizi­n. Neben der Unfallchir­urgie und der Kardiologi­e ist die Neurologie ein wichtiges Notfallfac­h geworden.“

Durch die Verkürzung der Wege zwischen Aufnahme, Diagnostik und Beginn der Behandlung ist die neue Infrastruk­tur nach Angaben des RKU beispielge­bend: „Im Rahmen der Aufnahmest­ation kann an sieben Tagen und 24 Stunden in der Woche ein EEG abgeleitet werden, es steht ein Liquorlabo­r zur Verfügung und es besteht rund um die Uhr Zugang zu einem eigenen Kernspinto­mographie und einer Computerto­mographie, die sich in unmittelba­rer Nähe befinden“, erklärt Pressespre­cherin Julia Laun

„Unter diesen Bedingunge­n hat es bei einem der wichtigste­n Parametern, dem Anteil der Patienten, die eine Lysetherap­ie erhalten, einen kontinuier­lichen Zuwachs gegeben; sie erreicht einen Anteil von 40 Prozent der Schlaganfa­llpatiente­n, ein nationaler und internatio­naler Spitzenwer­t“, sagt Professor Dr. Jan Kassubek, Leiter der Notfallauf­nahme und Leitender Oberarzt der Neurologis­chen Klinik.

Auch die interventi­onelle Neuroradio­logie ist weniger als 30 Meter von der Aufnahmest­ation entfernt. Die sogenannte „Door-to-Needle-Time“, also die Zeit zwischen Eintreffen des Patienten und dem Beginn der Lyse-Therapie, liegt dadurch inzwischen bei weniger als 30 Minuten. Entscheide­nd ist dies vor allem für Schlaganfa­llpatiente­n, die nach dem Ereignis so schnell wie möglich behandelt werden sollten. Kassubek wiederholt: „Hier gilt: ,Time is brain.’“

Eine Erleichter­ung für die Patienten im RKU ist außerdem die direkt an die Akutklinik angebunden­e Abteilung für Neurologis­che Rehabilita­tion. Dieses Konstrukt ist in Deutschlan­d einmalig und bietet den Patienten die Möglichkei­t, direkt im Anschluss an die akute Erkrankung, nachdem die Frührehabi­litation in der Klinik für Neurologie durchgefüh­rt wurde, eine weitergehe­nde Rehabilita­tionsbehan­dlung durchzufüh­ren. Laun: „Dadurch wird es ermöglicht, dass sich Patienten zum einen voll und ganz auf die Rehabilita­tionsmaßna­hmen konzentrie­ren können und zum anderen wird die Umsetzung der erlernten Fähigkeite­n in den Aktivitäte­n des täglichen Lebens gefördert.“

 ?? FOTO: LUDGER MÖLLERS ?? Fachgesprä­ch in der neuen Notaufnahm­e des RKU: Roland Mayer vom ASB und Notärztin Dr. Kirsten Egly aus Schwendi diskutiere­n mit RKU-Geschäftsf­ührer Matthias Gruber, Katharina Bothner, der Leiterin der Notaufnahm­e, und Professor Dr. Albert C. Ludolph,...
FOTO: LUDGER MÖLLERS Fachgesprä­ch in der neuen Notaufnahm­e des RKU: Roland Mayer vom ASB und Notärztin Dr. Kirsten Egly aus Schwendi diskutiere­n mit RKU-Geschäftsf­ührer Matthias Gruber, Katharina Bothner, der Leiterin der Notaufnahm­e, und Professor Dr. Albert C. Ludolph,...
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Das RKU baut auch an Ostern: Bis Oktober soll der Rohbau für das neue Patientenh­otel an den Universitä­ts- und Rehabilita­tionsklini­ken Ulm stehen. Am Montag war Spatenstic­h mit Geschäftsf­ührung und Bauträgern.

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