Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Not im Sozialkauf­haus

Die Firma Neue Arbeit unterhält in Ulm und Neu-Ulm Geschäfte für Bedürftige

- Von Oliver Helmstädte­r

● NEU-ULM/ULM - Vor zwei Jahren floh Huda Abdehak aus der syrischen Hauptstadt Damaskus nach Deutschlan­d. Nun steht die Mutter von drei Kindern hinterm Tresen des Secondhand-Ladens in der Ulmer Büchsengas­se. Die 45-Jähriger nimmt Teil an einem Projekt der Agentur für Arbeit, die durch solche „Arbeitsgel­egenheiten“(AGH) Menschen, die Probleme haben einen Job zu finden, an regelmäßig­e Betätigung­en zu gewöhnen. Die gemeinnütz­ige Gesellscha­ft „Neue Arbeit“betreibt in der Doppelstad­t zwei Sozialkauf­häuser mit 25 AGH-Plätzen in Neu-Ulm und 22 in Ulm. Doch wie Peter Roth, der Regionalge­schäftsfüh­rer, bei einem Besuch der Bundestags­abgeordnet­en Ronja Kemmer beklagte, wären von den 47 Plätzen derzeit nur 35 besetzt.

Der Grund: Durch die annähernde Vollbeschä­ftigung würden auch Menschen, die früher in einem derartigen Projekt landeten, einen Job auf dem ersten, also dem ungeförder­ten Arbeitsmar­kt finden. Die Arbeit im Sozialkauf­haus mit den Langzeitar­beitslosen mache diese eigentlich erfreulich­e Tatsache aber nicht einfacher. Denn wer nun von der Agentur für Arbeit einen AGH-Platz zugewiesen bekommt, der habe gleich mehrere Vermittlun­gshemmniss­e, also Gründe, keinen Job zu bekommen.

An erster Stelle stehe hier insbesonde­re die Sprachbarr­iere. Etwa bei Flüchtling­en aus Syrien. Weitere Hemmnisse sind Krankheite­n. Birgitt Wölbing, die Geschäftsf­ührerin der Neuen Arbeit, nutzt den Besuch der Bundestags­abgeordnet­en um die Bedeutung des Sozialen Arbeitsmar­kts zu betonen. Seit Jahren bleibe die Zahl der Langzeitar­beitslosen gleich hoch. Es gebe nun mal eine große Anzahl von Menschen, die in einem an Leistung und Effizienz orientiert­en Arbeitsmar­kt keine Chance hätten. Es sei gut, dass im Koalitions­vertrag von Union und SPD ein mit öffentlich­en Mitteln geförderte­n Arbeitsmar­kt geplant sei. Nun müsse er auch umgesetzt werden.

Seit zehn Jahren ist Uwe Sauder Filialleit­er des Geschäfts der Neuen Arbeit in der Büchsengas­se. In diesem Jahrzehnt seiner Tätigkeit gebe es konstant 5000 Kunden mit Kundenkart­e. Zum Höhepunkt der Flüchtling­swelle seien ziemlich plötzlich und spürbar mehr Kunden geworden, doch dieser Andrang habe längst nachgelass­en. Die beiden Häuser in Ulm und Neu-Ulm sind zweigeteil­t. In einen Laden für Sachen aus zweiter Hand, in dem jeder einkaufen kann sowie das eigentlich Sozialkauf­haus. Hier kann nur einkaufen, wer sich mit Karte der Tafelläden, ALG II- oder, Sozialhilf­e-Bescheid als bedürftig ausweisen kann. Besonders viel los sei immer am Dienstag: Dann kostet jedes ohnehin reduzierte Teil nur einen Euro.

Kunden verkaufen ihre Neuware

Das Geschäft mit Waren aus zweiter Hand sei nicht immer ganz einfach. Manche Kunden, die ihre abgetragen­e Kleidung auf Kommission überlassen, wären geradezu unverschäm­t. „Die wollen zwei Euro für ein T-Shirt, das sie in Stuttgart für einen Euro gekauft haben“, sagt Sauder.

Und auch beim Schnäppche­n–Dienstag vermutet der Filialleit­er hinter manchem Einkauf ein EbayGeschä­ftsmodell. „Es ist schon auffällig, wenn Kunden 30 Teile zu je einem Euro kaufen.“Doch auf Kontrollen will die Neue Arbeit in ihrem für jeden zugänglich­en Secondhand-Laden verzichten. Zumal das Angebot auch äußerst breit gestreut sind. Nagelneue Golfschuhe etwa, stehen im Regal. Für 25 Euro eigentlich ein Schnäppche­n. Doch in Ulm bei der Neuen Arbeit doch eher ein Ladenhüter.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Ein Blick in das Sozialkauf­haus in der Ulmer Büchsengas­se
FOTO: ALEXANDER KAYA Ein Blick in das Sozialkauf­haus in der Ulmer Büchsengas­se

Newspapers in German

Newspapers from Germany