Kabinett sucht nach gemeinsamer Linie
Signal der Geschlossenheit bei Klausur auf Schloss Meseberg
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BERLIN - Plötzlich sind die Misstöne verstummt. „Es gab ein paar Aufwallungen“, sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Aber jetzt beschäftigen wir uns mit den wirklichen Problemen.“Das neue Bundeskabinett kam am Dienstag auf Schloss Meseberg 60 Kilometer nördlich von Berlin zur Klausur zusammen, Kanzlerin Angela Merkel hat ihre Truppe im Gästehaus der Bundesregierung zusammengetrommelt, um den „Geist von Meseberg“zu beschwören. Teamplay statt Egotrips soll ab jetzt die Devise lauten. Doch die Idylle im „Zauberschloss“wirkt trügerisch.
Auf der Schlosstreppe, zum Gruppenfoto, präsentieren sich alle in bester Laune. Jens Spahn und Horst Seehofer, die in Berlin wegen ihrer zahlreichen Wortmeldungen schon als Krawallmacher-Duo „Spahnhofer“firmieren, reihen sich ein. „Das war ein sehr gelungener Auftakt der Kabinettsklausur“, freut sich Altmaier nach der ersten Sitzung zum Thema Vollbeschäftigung. „Sehr sachlich, sehr gut“sei mit Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer und DGB-Boss Reiner Hoffmann diskutiert worden. „Jetzt müssen wir unsere Hausaufgaben machen.“Das fordert auch Gewerkschaftschef Hoffmann: „Sie müssen sich jetzt zusammenraufen und mit der Arbeit beginnen.“
Auch von den SPD-Ministern ist kein Murren mehr zu hören. Die Querschüsse aus den Reihen von CDU und CSU, die gegenseitigen Sticheleien – „das darf man alles nicht hochsterilisieren“, zitiert Arbeitsund Sozialminister Hubertus Heil (SPD) den Ex-Kicker Bruno Labbadia und will von den bitteren Vorwürfen der vergangenen Tage nichts mehr wissen. Für ihn waren die ersten Stunden in Meseberg sogar ein „sehr, sehr guter Auftakt“. Die echten Konflikte werden noch kommen, wenn es an die Gesetzentwürfe und um die Finanzierung der vielen Projekte geht.
Kabinettsklausuren im Grünen zu Beginn der Regierungszeit gehören für Kanzlerin Merkel schon zur Routine. Nach dem holprigen Start der neuen Großen Koalition, dem Streit über Familiennachzug, den Islam und Recht und Ordnung war das „Get together“in lockerer Atmosphäre diesmal besonders notwendig. Statt übereinander zu lästern sollen jetzt die Ärmel hochgekrempelt werden. „Wir haben unsere Auftragsbücher voll, der Koalitionsvertrag ist eine gute Bedienungsanleitung“, stimmt Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ins Credo der neuen Geschlossenheit ein.
Thema Arbeitsmarkt
Als eines der ersten Gesetze werde die Rückkehr von Teil- in Vollzeit auf den Weg gebracht, kündigte Arbeitsminister Heil in Meseberg an. Das ist die Union der SPD noch aus der vergangenen Legislaturperiode schuldig. Neben dem Arbeitsmarkt standen die internationalen Baustellen auf dem Programm, dazu waren Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Kommissionschef JeanClaude Juncker als Gäste geladen.
Am Mittwoch geht es in Meseberg um die Dieselkrise – und natürlich um den Haushalt, denn die Finanzierung der vielen Vorhaben wird eine der kniffligsten Aufgaben der neuen Bundesregierung. Zum Abschluss der Klausur wollen Merkel und Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz das GroKo-Arbeitsprogramm vorstellen.
Dann wird Merkel auch die Frage beantworten müssen, ob sie nun ein Machtwort gesprochen und mehr Disziplin angemahnt habe. Am Dienstag kamen die Misstöne nur von einer Gruppe Umweltaktivisten, die mit Merkel-Masken verkleidet gegen Steuergeld für Dieselnachrüstungen protestierten, von einem Schreihals, der beim Einrollen der Limousinen immer wieder „Merkel muss weg“und „Volksverräterin“brüllte, bevor er von Beamten fortbegleitet wurde.