„Das ist ein Kraftakt“
Die Polizei hat Routine beim Räumen der Innenstadt entwickelt - Geschäfte wollen Kunden mit Geschenken versöhnen
●
NEU-ULM - Hektik zu verbreiten ist nicht die Sache von Marcus Hörmann. Der Chef der Neu-Ulmer Polizei sagt gerne mal „Alles gut!“und sieht den Vorbereitungen zur Evakuierung der Innenstadt gelassen entgegen: „Es läuft.“Dabei steht bekanntlich einer dieser äußerst seltenen Großeinsätze an. Wegen der Entschärfung eines Blindgängers muss am morgigen Freitag ein Gebiet geräumt werden, in dem rund 12 000 Menschen leben. Doch unterdessen haben die Helfer eine gewisse Routine entwickelt. „Jeder weiß, wo er hinlangen muss.“Das wirkt beruhigend, denn immerhin werden wie vor gut drei Wochen wieder bis zu 650 Helferinnen und Helfer von Polizei, Feuerwehr und Rotem Kreuz im Einsatz sein, um den Menschen in der Gefahrenzone klar zu machen, dass sie für mehrere Stunden ihre vier Wände verlassen müssen. Bei der größten Evakuierungsaktion in der Geschichte Neu-Ulms, die am 18. März reibungslos über die Bühne ging, wollten nur sehr wenige Menschen trotz der Gefahr in ihren Häusern bleiben.
Diesmal jedoch sind die Voraussetzungen etwas anders: Damals wurde an einem ausgesprochen ruhigen Sonntag geräumt. Doch morgen herrscht das ganz normale Getriebe eines Werktags. Hätte die Bombenräumung also nicht noch zwei Tage warten können? Nein, beteuert Hörmann. Den Zeitraum lege der Sprengmister fest, der die rostige Bombe unschädlich machen muss. Sie war am Dienstag bei Bauarbeiten am Südstadtbogen zutage getreten. Sie könne nicht so lange liegen, „bis es passt“, so Hörmann, denn immerhin handle es sich um einen ZehnZentner-Sprengsatz, der im Ernstfall verheerende Schäden anrichten kann. Der müsse zeitig entschärft werden. Nach Mitteilung der Stadtverwaltung besteht zwar derzeit „keine akute Gefahr für die Bevölkerung“. Doch der Sprengmeister bestehe darauf, die Bombe spätestens nach der mindestnotwendigen Vorbereitungszeit einer Evakuierung – zwei Tage – am Freitag zu entschärfen.
Betroffene haben Verständnis
Das trifft manche Unternehmen und Geschäfte hart. „Es passt nicht allen“, räumt Stadt-Pressesprecherin Sandra Lützel ein. Seit Mittwoch Nachmittag würden die Betroffenen abtelefoniert: „Das ist ein Kraftakt“, sagte Sandra Lützel. Doch die meisten Betroffenen hätten dafür Verständnis. Das sieht auch der Vorsitzende der Händlervereinigung Win („Wir in Neu-Ulm“) so. Jürgen Behrens, Geschäftsführer des Media Markts, muss morgen ebenfalls die Türen zusperren. Aber er ist froh, „dass es ein Freitag ist und kein Samstag.“Dann würden die Umsatzeinbußen noch größer ausfallen. Er hofft darauf, dass viele Menschen ihre Einkäufe eben um einen Tag verschieben. Dafür werden sie dann auch belohnt: Am Samstag bekommen die Kunden kleine Geschenke als „Wiedergutmachung“, wie er es nennt. Er empfiehlt den anderen Win-Mitgliedern, die von der Innenstadtsperrung betroffen sind, ebenfalls kleine Präsente bereitzuhalten, etwa in Form von Kaffee-Gutscheinen. Die Rückmeldungen der Händlerkollegen seien weitgehend gelassen: „Daran kann ja niemand etwas ändern. Wir hoffen eben, dass es wieder ruhiger wird.“
Unterdessen hat die Stadtverwaltung weitere Details zur Evakuierung bekannt gegeben. So werden Menschen mit eingeschränkter Mobilität während der Aktion im Foyer der Ratiopharm-Arena untergebracht. Für sie stehen Shuttle-Busse bereit. Sammelplatz ist der Zentrale Umsteigepunkt in Neu-Ulm. Die Polizei übernimmt die Begleitung dorthin. Wer Unterstützung bei Verlassen der Wohnung benötigt, kann sich vom Hol- und Bringdienst des Roten Kreuzes abholen und zur Ratiopharm-Arena bringen lassen. Wer den Dienst in Anspruch nehmen möchte, muss sich bis heute gegen 17 Uhr über die Bürgerhotline melden.
Während der Evakuierung bleiben diverse Einrichtungen geschlossen, etwa die Stadtbücherei, die Musikschule, das Bürgerbüro und die Abteilung Sicherheit und Ordnung in der Ludwigstraße. Das Rathaus hat geöffnet, es sei allerdings nur ein „eingeschränkter Service“möglich. Betroffen ist auch der städtische Kindergarten Sankt Johann, der geschlossen werden muss.
Sperrung bis zum Nachmittag
Unklar ist noch, wie lange die gesamte Evakuierung dauert. Polizeichef Hörmann meint, dass es diesmal vielleicht sogar schneller gehen könnte, denn am Sonntag vor gut drei Wochen musste an sehr vielen Haustüren mit entsprechend vielen Menschen geredet werden. Diesmal werden aber viele bereits in die Arbeit gefahren sein, wodurch sich die Helfer Zeit sparen könnten. Bis zum Nachmittag dauert die gesamte Aktion sicherlich.
Der heiße Draht: Die Bürgerhotline ist unter 0731/97441898 zu erreichen. Sie ist heute bis 20 Uhr und am Freitag von 6.30 Uhr bis zum Ende des Einsatzes geschaltet.
Weitere Infos auf der Internetseite der Stadt Neu-Ulm: nu.neu-ulm.de, über den Twitterkanal der Polizei: twitter.com/polizeiSWS, und auf der Homepage der „Schwäbischen Zeitung“: www.schwaebische.de/ ulm. Dort wird ein Live-Ticker eingerichtet, der über die aktuelle Entwicklung informiert.