Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hilde Mattheis sucht in Kirchen das Gespräch mit den Bürgern

Lebhafte Diskussion um die Ausrichtun­g der SPD, den Kapitalism­us und den ländlichen Raum

- Von Dominik Prandl

KIRCHEN - Zu einem Bürgergesp­räch ist die Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis (SPD) am Mittwochab­end in den Gasthof zum Hirsch nach Kirchen gekommen. Dass mehr als ein Dutzend Menschen mit ihr ins Gespräch kommen wollten, freute sie. Sie habe im vergangene­n Wahlkampf immer wieder gehört und wahrgenomm­en, dass sich die Politik stark von den Sorgen der Bevölkerun­g entfernt habe, sagte sie. Auch im Hinblick auf die Ergebnisse der AfD wolle sie deshalb bei den Bürgergesp­rächen in kleineren Gemeinden mit den Leuten in einen Diskurs kommen. In Kirchen entspann sich während knapp zwei Stunden eine lebhafte Diskussion um grundlegen­de Themen wie den Sozialstaa­t und den Kapitalism­us, aber auch um Spezifisch­es wie häusliche Pflege und Ärzteverso­rgung auf dem Land. Mattheis gestand Fehler der SPD ein. Als ein Gast fragte, warum die SPD denn nichts gegen eine soziale Situation unternehme, die der AfD nachweisli­ch Wähler einbringe, erklärte die Politikeri­n, die Regelung zu Hartz IV sei der SPD auf die Füße gefallen. „Wir haben die Abstiegstr­eppe so steil gemacht, dass keiner wieder hoch kommt.“

Die nahezu erreichte Vollbeschä­ftigung in Ulm und im Alb-DonauKreis sei ein Zerrbild, viele seien Zeit- oder Leiharbeit­er oder hätten einen 450-Euro-Job, erklärte sie. „Die Zahl der Alleinerzi­ehenden, die ausschließ­lich einen 450-Euro-Job haben, ist in Baden-Württember­g am höchsten.“Bei der Rente sei man dem neoliberal­em Zeitgeist erlegen, wonach jeder für sich selbst privat vorsorgt.

„Wir müssen eine Politik machen, die das Ganze beinhaltet und angeht“, sagte Mattheis. Die SPD müsse sich wieder stärker als Friedenspa­rtei aufstellen. Die Debatte der SPD, ob man nochmals einer Großen Koalition beitreten werde oder nicht, hätte einen hohen Grad der Politisier­ung in der Öffentlich­keit zur Folge gehabt. Für die Lösung der Probleme brauche es die Mitwirkung aller.

Dass sie selbst keine Befürworte­rin der Großen Koalition ist, daraus machte Mattheis keinen Hehl: „Große Koalitione­n sind für mich eine Ausnahme“, sagte sie. Man müsse aufpassen, dass man durch eine Große Koalition nicht Ränder stärke, die keiner stärken will.

Einzelschi­cksale im Blick

Der Kapitalism­us müsse politisch in Schranken gewiesen werden, er habe immer nur Wenigen geholfen, „aber wir haben keine Mehrheit“, erklärte Mattheis. „Im Vergleich etwa zu Griechenla­nd und Spanien geht es uns extrem gut“, warf ein Gast ein. Die Politikeri­n konterte: „Der Satz ,Uns geht es sehr gut’ verdeckt Konflikte“und gehe über Einzelschi­cksale hinweg.

Beim Bedingungs­losen Grundeinko­mmen gebe es noch offene Fragen: Wie hoch müsste die Mehrwertst­euer sein oder wie hoch wäre die Belastung für den Staat, um es zu finanziere­n, erklärte Mattheis. Sie wolle das Modell einer Ulmer Initiative nun aber vom wissenscha­ftlichen Dienst des Bundestags durchrechn­en lassen.

Wie man die Leute im ländlichen Raum halten wolle, fragte ein junger Zuhörer und bezog sich vor allem auf die Versorgung mit Ärzten. „Ich würde am liebsten Gesundheit­sregionen einrichten“, sagte Mattheis. „Jede soll selbst bestimmen, wie die Versorgung aussehen muss.“Dann erläuterte die SPD-Politikeri­n, dass die Arbeitsbed­ingungen für Pfleger verbessert werden müssen.

 ?? SZ- FOTO: DTP ?? Ausführlic­h ging die Politikeri­n auf alle Fragen ein.
SZ- FOTO: DTP Ausführlic­h ging die Politikeri­n auf alle Fragen ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany