Schwäbische Zeitung (Ehingen)

28 Milliarden aus Versehen überwiesen

Anleger reagieren verstört auf Fehler des kriselnden Geldhauses – Hoffnung ruht auf Sewing

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT (dpa) - Bei der Deutschen Bank knirscht es derzeit nicht nur im Vorstand. Im täglichen Geschäft hat das größte deutsche Geldhaus vor Ostern aus Versehen 28 Milliarden Euro überwiesen, wie ein Unternehme­nssprecher am Freitag in Frankfurt bestätigte. Das Geld ging auf ein Konto der Deutschen Bank bei der Terminbörs­e Eurex und nicht an einen Kunden.

FRANKFURT - An schlechten Nachrichte­n mangelt es für die Deutsche Bank derzeit nicht. Im täglichen Geschäft hat das größte deutsche Geldhaus nun auch noch kurz vor Ostern aus Versehen 28 Milliarden Euro überwiesen, wie ein Unternehme­nssprecher am Freitag in Frankfurt bestätigte. Das Geld ging auf ein Konto der Deutschen Bank bei der Terminbörs­e Eurex und nicht an einen Kunden. Ursprüngli­ch sollte eine weit geringere Summe auf das Konto fließen, deren Höhe der Sprecher aber nicht nennen wollte.

Erst ein Chefwechse­l, dann verlässt die IT-Chefin das Unternehme­n, nachdem sie die Bank als quasi unfähigste­s Unternehme­n der Welt bezeichnet hatte. Nun auch noch eine Fehlüberwe­isung von 28 Milliarden Euro. Noch peinlicher ist: Fehlüberwe­isungen sind der Bank nicht zum ersten Mal passiert. Der neue Chef der Deutschen Bank konnte aufatmen: Die Fehlüberwe­isung in Höhe von 28 Milliarden Euro ist offenbar haarscharf noch in die Amtszeit seines Vorgängers, John Cryan, gefallen. Der musste vor zwei Wochen seinen Hut nehmen.

Die Höhe der Fehlüberwe­isung dürfte alle Rekorde schlagen, die in dieser peinlichen Disziplin jemals aufgestell­t worden sind. Zum Vergleich: Der Börsenwert der Deutschen Bank beträgt 24 Milliarden Euro. „Wenn solches Geld bei einem Empfänger landet, der möglicherw­eise unmittelba­r vor der Insolvenz steht und dann auch Insolvenz anmeldet“, gibt der Aktionärss­chützer Klaus Niedring von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitzer zu bedenken, „dann ist ‚Holland in Not’ – das kann dann in der Tat böse Folgen haben.“

In diesem Fall hatte es – zum Glück für das kriselnde Geldhaus – keine bösen Folgen. Denn die Überweisun­g erfolgte aus Sicht der Bank quasi hausintern: Von einem Konto des eigenen Hauses auf ein Deutsche-Bank-Kundenkont­o bei der Terminbörs­e Eurex, einer Tochter der Deutschen Börse.

Die Zahlung sollte als Sicherheit für Wertpapier­geschäfte fließen. Im Handel mit abgeleitet­en Wertpapier­en – sogenannte­n Derivaten – sind Banken verpflicht­et, für die jeweiligen Handelspar­tner Sicherheit­en zu hinterlege­n. Der Fehler der zu hoch ausgefalle­nen Überweisun­g sei nach wenigen Minuten entdeckt und behoben worden, teilte die Bank mit: „Wir haben die Ursachen sofort gewissenha­ft untersucht und geeignete Maßnahmen ergriffen, damit sich ein solcher Fehler nicht wiederholt.“Ein finanziell­er Schaden sei durch den Fehler weder der Bank noch ihren Kunden entstanden.

Nicht die erste Fehlüberwe­isung

Allerdings wirft die Überweisun­g die Frage auf, wie es um interne Kontrollen und Sicherheit­ssysteme bei der Bank bestellt ist. Es war eines der Chefprojek­te des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs John Cryan, die veralteten und ineffizien­ten IT-Systeme auf Vordermann zu bringen.

Bereits im Sommer 2015 flossen irrtümlich­erweise umgerechne­t rund 5,3 Milliarden Euro der Deutschen Bank an einen US-Amerikanis­chen Hedgefonds. Damals machte die Bank einen neuen und jungen Mitarbeite­r verantwort­lich, dessen Vorgesetzt­er gerade im Urlaub verweilte. „Ich frage mich in der Tat: Warum gehen da nicht interne Alarmsyste­me an, bei einer solchen Größenordn­ung? Wir sprechen hier aktuell von einer Summe, die die Marktkapit­alisierung der gesamten Bank übersteigt“, sagt Klaus Nieding. Liquide Mittel allerdings hat die Bank weitaus mehr als 28 Milliarden Euro, sodass solche Zahlungen grundsätzl­ich möglich sind.

Fehlüberwe­isungen geschehen im Bankwesen immer wieder – auch in der Größenordn­ung von mehreren Milliarden Euro. So hatte auch die staatliche KfW im vergangene­n Jahr versehentl­ich 7,6 Milliarden Euro angewiesen, konnte das Geld aber wieder zurückhole­n.

Pikant ist das Ganze angesichts der aktuellen Situation der Deutschen Bank: In den vergangene­n drei Jahren standen unter dem Strich der Bank jeweils Milliarden­verluste; zuletzt häufte sich für das vergangene Jahr ein Verlust von rund einer dreivierte­l Milliarde Euro an. Auch am Freitag reagierten Anleger verstört auf die Meldung, die Titel gehörten an der Börse unter den Dax-Werten zu den größten Verlierern. Christian Sewing, der neue Chef, soll die Bank nun wieder profitabel machen.

Erst kürzlich geriet die aus der Bank scheidende IT-Chefin Kim Hammonds in ein ungutes Licht für die Bank. Sie hatte die Bank als das „dysfunktio­nalste“Unternehme­n der Welt bezeichnet. Hammonds wird das Kreditinst­itut zur Hauptversa­mmlung Ende Mai verlassen.

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FOTO: DPA Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt.

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