Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Heeresmusi­kkorps überzeugt mit jiddischen Klängen

280 Personen im Publikum lassen Konzert zum Erfolg werden – Schelkling­er Dieter Vogel spielt Saxophon

- Von Elisabeth Sommer

● SCHELKLING­EN - Mit einem Paukenschl­ag und Trompetens­olo startete das Heeresmusi­kkorps Ulm sein Benefizkon­zert in Schelkling­en. Richtig schmissig wurde es nach der Pause. Dann trat Stabsfeldw­ebel Frank Gutewort als Sänger und Unterhalte­r an den Bühnenrand. Seine Uniform hatte er abgestreif­t und war in einen Frack geschlüpft. Mit Gesang und Witz sowie Klarinette­nspiel sorgte er für sehr viel Auflockeru­ng. Gutewort gab den Conferenci­er, der zuerst allerhand gute Wünsche verteilte und diese humoristis­ch aufpeppte. So gratuliert­e er einer angeblich 100-Jährigen im Publikum – verbunden mit besten Wünschen ihrer Eltern, was die 280 Personen im Publikum mit fröhlichem Lachen quittierte­n. Ein Geburtstag­skind in den Reihen der 50 Musikanten wurde beglückwün­scht und ein am Konzerttag frisch gebackener Vater von zwei Söhnen. Frech fügte der Sprecher hinzu: „Beide Mütter sind wohlauf.“

Publikumsb­eteiligung

Für alle Frauen sang der Stabsfeldw­ebel unter seinem Zylinder das Solo „Bei mir bistu shein“– ursprüngli­ch für ein jiddisches Musical in den 1930er-Jahren geschriebe­n. Dirigent, Oberstleut­nant Matthias Prock, der das Heeresmusi­kkorps Ulm wie vor fünf Jahren beim vormaligen Besuch in der Achstadt versiert leitete, stellte sich derweil zur Seite und wartete. Vielfältig und mit Publikumsb­eteiligung ging es weiter. Den Walzer „Wiener Praterlebe­n“von Siegfried Translateu­r wertete Musikverei­nsvize Thomas Tonnier mit passenden Pfiffen aus der letzten Reihe passgenau auf. Mit Auszügen aus „A Chorus Line“von Marvin Hamlish kam abermals ein bekanntes Musical zum Vorspiel. Aus der Oper „Die Hugenotten“folgte ein Marsch. Als Zugaben hatten die Musiker – mit einem Viertel Frauenante­il – noch Billy Joels modernes, flottes Stück „Root Beer Rag“auf der Pfanne.

Wer unvorberei­tet das neueste Konzert des Heeresmusi­kkorps‘ in Schelkling­en besuchte und reine Heeresmusi­k mit Märschen erwartet hatte, konnte vielleicht im ersten Teil enttäuscht sein. Doch der Musikverei­n Stadtkapel­le Schelkling­en hatte vorab mitgeteilt, dass es ein thematisch­es Konzert sein würde. Alles drehte sich um Kompositio­nen von Musikern und Arrangeure­n mit jüdischen Wurzeln, was bei den Stücken zum Auftakt noch nicht deutlich hörbar war, zum Beispiel bei der „Fanfare for the Common Man“, der Ouvertüre für Harmoniemu­sik und vier Tänzen aus dem Musical „Westsidest­ory“, geschaffen von Aaron Copland, Felix Mendelssoh­n-Bartholdy, dessen Eltern zum Christentu­m konvertier­t waren, und Leonard Bernstein. Voll zur Geltung kam das Jüdische bei „Jiddischen Tänzen“von Adam Gorb. Das dreisätzig­e Stück bildete sich laut Ansager aus chassidisc­hen, dann eher türkischen und zum Abschluss rumänische­n Klängen. Beim zweiten Satz dürfe man an einen tanzenden Derwisch denken, hieß es, wobei der Zuhörer doch insgesamt den Einfluss jüdischer Musikmache­r auf die Filmindust­rie Hollywoods zu hören vernehmen konnte.

New York, London, Amsterdam

Zwischendu­rch gab es Aufklärung über jiddische Musik und die jiddische Sprache, auch als „JiddischDe­itsch“bekannt. Die größten jiddisch-deitschen Gruppen, was von Orthodoxen gesprochen wird, gebe es heute noch in New York, London und Amsterdam, also noch vor Jerusalem. „Kleszmer“sei eine Wortschöpf­ung aus Krug und Melodien, während also im Deutschen gerne ein Strauß von Melodien serviert ist, ist es dort ein Krug voll Melodien. Frank Gutewort präsentier­te Auszüge aus einem 27-strophigen Gedicht über das Madele, das Margeriten suchte und ein lockiges Bubele fand, was Mammele nicht erfahren sollte.

Ein Schelkling­er, gar Musikverei­nsmitglied, gehört zum Heeresmusi­kkorps Ulm. Es ist Saxophonis­t und Stabsfeldw­ebel Dieter Vogel. Rund zehn ähnlich Musikkorps hat die Bundeswehr derzeit in Deutschlan­d: unter anderem ein Marine-, zwei Luftwaffen-, ein Ausbildung­smusikkorp­s und die Bundeswehr Bigband, wusste Vogel auf Nachfrage zu berichten. Zu den eher seltenen Instrument­en im Heeresmusi­kkorps Ulm gehörten am Mittwochab­end in Schelkling­en, ein Kontrabass, zwei Fagotte, eine Tuba mit Schalldämp­fer, und für die typisch jiddischen Klänge eine Es-Klarinette, mit hellem, hohem Flötenklan­g. Der Erlös soll Kindereinr­ichtungen in der Kernstadt und der Jungmusike­rausbildun­g zugutekomm­en.

 ?? SZ-FOTO: ELISABETH SOMMER ?? Stabsfeldw­ebel Frank Gutewort wirkte nach der Pause als Sänger und Unterhalte­r.
SZ-FOTO: ELISABETH SOMMER Stabsfeldw­ebel Frank Gutewort wirkte nach der Pause als Sänger und Unterhalte­r.

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