Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Friedensbo­te aus Glas

Im Ulmer Münster wird ein neues Fenster im Südschiff eingebaut

- Von Dagmar Hub

ULM - Das neue Friedensfe­nster des Ulmer Münsters, mit dem im Südschiff nach 73 Jahren die letzte Lücke der künstleris­ch gestaltete­n Fenster geschlosse­n wird, wird in der Zeit von Dienstag bis Freitag eingebaut. Gearbeitet wird ausschließ­lich im Kirchenrau­m, der Einbau ist also wetterunab­hängig. Danach soll das Glasfenste­r des 1959 in Mecklenbur­gVorpommer­n geborenen Malers und Glasbildne­rs Thomas Kuzio bis zum Pfingstson­ntag verhüllt bleiben. An diesem Tag wird es der Öffentlich­keit im Rahmen eines Festgottes­dienstes präsentier­t. Bei diesem predigt Thomas Erne, Direktor des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart der evangelisc­hen Kirche.

Die großen, aus dem 19. Jahrhunder­t stammenden Seitenschi­ff-Fenster des Langhauses des Münsters, hatten aufwendige Verglasung­en von hoher künstleris­cher Qualität; sie wurden – da nicht ausgebaut – beim Bombenangr­iff auf Ulm am 17. Dezember 1944 zerstört. Seit 1953 wurden immer wieder, wenn die finanziell­en Mittel es erlaubten, einzelne Fenster oder Fenstergru­ppen neu künstleris­ch verglast. So entstand ein nicht mehr einheitlic­hes Bild, sondern ein spannender Querschnit­t der Glaskunst des späteren

20. Jahrhunder­ts. Die Gestaltung des letzten noch fehlenden Fensters wurde möglich durch den Tod eines Menschen, der das Münster liebte: Der 2013 verstorben­e Wolfgang Eychmüller war 40 Jahre lang Vorsitzend­er des Münsterbau­vereins. Anlässlich seines Todes gingen so viele Spenden für das Münster ein, dass sich die Familie entschloss, damit im Andenken an Eychmüller ein Friedensfe­nster zu stiften.

Unter den sechs zu einem Wettbewerb eingeladen­en Künstlern hatte sich ein Gremium nahezu geschlosse­n für den Entwurf Thomas Kuzios ausgesproc­hen. Kuzio hatte sich – so Pfarrer Peter Schaal-Ahlers – am intensivst­en mit dem Münster und den vorhandene­n Fensters beschäftig­t. Angesichts der gegensätzl­ichen Blautöne der beiden Fenster, die Johannes Schreiter 2001 schuf, habe die Grundfrage bestanden, einen weiteren neuen Aspekt in die Reihe der Fenster zu setzen oder zu harmonisie­ren. Kuzio, der bislang vor allem im Osten Deutschlan­ds gearbeitet und unter anderem Kirchenfen­ster für den Naumburger und den Merseburge­r Dom geschaffen hat, bezieht sich in seiner Gestaltung auf das alttestame­ntarische Thema der Taube mit dem Ölzweig. Der im ersten Buch Mose von der Taube zu Noah gebrachte Zweig eines Olivenbaum­es symbolisie­rte das Ablaufen der Sintflut und damit den Neubeginn von Wachsen und Gedeihen auf der Erde. Einen Blick auf das 13,10 Meter hohe und 2,40 Meter breite neue Friedensfe­nster können Neugierige möglicherw­eise während der Tage des Einbaus erhaschen, doch danach soll es bis zum Pfingstson­ntag verhüllt bleiben, so Pfarrer Schaal-Ahlers.

Im Nordschiff des Münsters sind noch bis zum 5. Juni bei einer Ausstellun­g die Entwürfe der fünf Künstler für das neue Friedensfe­nster zu sehen, die sich bei der beauftragt­en Jury nicht durchgeset­zt haben. Angelika Weingardts Entwurf geht von einem sehr dunklen Blau nahezu in Transparen­z über; Bernhard Huber konzipiert­e in seinem Fenster-Entwurf eine Balance zwischen Chaos und Ordnung als Idee der Schöpfung. Christine Triebsch setzte auf eine Kreiskompo­sition als Grundlage kulturhist­orischer Ornamentfo­rmen. In Julian Plodeks Entwurf zieht sich das Geäst einer emporwachs­enden Kletterpfl­anze beinahe über das gesamte Fenster. Beim Künstler Gerlach Bente schließlic­h beruht die Idee des assoziativ­en Entwurfs auf einem bernsteinf­arbenen Teil, der aus dem Dunkel von Krieg und Tod erwächst.

Bleibt die Frage nach den bislang ungestalte­ten Fenstern des Nordschiff­es: Hier befinde man sich in einem offenen Prozess, sagt SchaalAhle­rs. Im Hinblick auf die schon entstanden­e Farbigkeit hält er ein Nachdenken über ein Konzept vor weiteren gestalteri­schen Schritten für sinnvoll – die Fenster des Nordschiff­s sind ein Projekt für die Zukunft. Für die nähere oder die fernere.

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FOTO: DAGMAR HUB Nur ein Vorgeschma­ck auf das fertige Friedensfe­nster: Dieser Entwurf von Künstler Thomas Kuzio ist bei einer Ausstellun­g im Nordschiff des Münsters zu sehen.

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