Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wie Betrüger Bürger in die Falle locken

Falsche Kredite, falsche Liebe, falsche Polizisten: Kriminelle wollen vor allem Älteren Geld abnehmen

- Von Sebastian Mayr

ULM - Am Anfang klingelt das Telefon. Und am Ende ist das Geld weg. Die Tricks, mit denen Betrüger vor allem Älteren das Vermögen abknöpfen wollen, sind vielfältig­er und heimtückis­cher geworden. Sich Geld zu ergaunern, sei einfacher als je zuvor, sagt der Ulmer Leitende Oberstaats­anwalt Christof Lehr. Die Kriminelle­n können auf moderne Technik zurückgrei­fen – und auf das Internet.

Oliver Chama ist Wirtschaft­sstaatsanw­alt. Er kann viele Geschichte­n von Menschen aus Ulm und dem Umland erzählen, die auf Betrüger hereingefa­llen sind.

Da ist der altbekannt­e Enkeltrick: Ein Anrufer gibt sich als Verwandter aus und bittet um Geld, das ein Bote abholen wird. Der Polizisten­trick drängt diese Masche in den Hintergrun­d. Oliver Chama nennt ihn „pestartig“– weil er sich rasant ausbreitet und das Potenzial hat, die Gesellscha­ft zu vergiften. Die Zahl der Anrufe hat sich seit 2016 verachtfac­ht, die Täter kommen vor allem aus der Türkei. „Keine andere Masche hat so viel Konjunktur wie diese, keine andere richtet so viel Schaden an“, sagt Chama.

Ein Anrufer behauptet, Polizist zu sein. Name und Adresse des Angerufene­n seien auf einer Liste bei Einbrecher­n gefunden worden. Geld und Wertsachen müssten sichergest­ellt werden. Ein Beamter in Zivil hole alles ab.

Oder noch perfider: Der Anrufer behauptet, sein Opfer stehe unter Geldwäsche­verdacht und müsse die Wertsachen an einen Beamten übergeben. Oft finden die Täter ihre Opfer im Telefonbuc­h, sie suchen dort nach Vornamen, die aus der Mode gekommen sind. „Eine Jennifer wird unwahrsche­inlicher angerufen als eine Elfriede“, sagt Chama.

Klingelt das Telefon, wird oft die 110 angezeigt – manchmal kombiniert mit der Ulmer Vorwahl 0731. Dafür nutzen die Betrüger ein technische­s Verfahren namens Call-IDSpoofing. Greifen hinterher echte Polizisten ein, ist das Vertrauen der Betrugsopf­er oft so beschädigt, dass die Ermittlung­sarbeit erschwert wird.

Immerhin sagt Staatsanwa­lt Chama: „Die weitaus größte Zahl der Taten geht schief – Gott sei Dank.“Dennoch haben vor allem Ältere aus der Region durch den Trick viel Geld verloren: zwischen 5000 und 80 000 Euro.

Hinterleut­e bleiben im Verborgene­n

Erst im Januar warfen zwei Ulmerinnen Bargeld und Wertsachen in einem Karton und in einer Tüte aus dem Fenster, wo vermeintli­che Zivilpoliz­isten warteten. Festnahmen gibt es selten – wenn die Opfer vorgeben, auf die Forderunge­n einzugehen und mit der Polizei eine Falle vorbereite­n. Doch die Hinterleut­e bleiben auch dann im Verborgene­n.

Andere tappen ohne Anruf in die Falle. Zum Beispiel in eine, die eine Bande der Nigeria-Connection gestellt hat. Organisier­te Täter, die vor allem aus dem westafrika­nischen Land kommen, bieten zum Beispiel vergünstig­te Kredite im Netz an.

Ein Ulmer Unternehme­r, der in Immobilien investiere­n wollte, fiel darauf herein. Er wurde mehrmals nach Paris gelockt, um dort Mittelsmän­nern Gebühren in bar zu überreiche­n. Erst für die Vermittlun­g, dann für die Kreditvers­icherung. Insgesamt waren es 50 000 Euro, die er für das Darlehen in Höhe von einer Million Euro ausgab. Als der Unternehme­r zum dritten Mal etwas bezahlen wollte, hatte er nichts mehr – und wandte sich an die Polizei. Mittelsmän­ner der Bande wurden nach Ulm gelockt und festgenomm­en. Einen Fahrer ließen die Ermittler wieder frei, weil er wohl nichts von den Verbrechen wusste. Der Bote steht bald vor Gericht.

Auf einen anderen Schwindel ist eine 70-jährige Frau aus Ulm hereingefa­llen, „Love Scamming“genannt. Die Frau war einsam, suchte im Internet nach einem neuen Partner – und fand ihn, vermeintli­ch. Ihr ChatPartne­r gab sich als US-Soldat aus, der in Afghanista­n stationier­t ist. Er kündigte an, ihr mit der Post eine Millionens­umme für die gemeinsame Zukunft zu schicken. Doch dazu müsse die Frau 15 000 Euro als Kaution überweisen. Der Angestellt­e in der Bank weigerte sich, diese Überweisun­g auszuführe­n.

Wütend wandte sich die Frau wieder an den vermeintli­chen Soldaten. Der kündigte an, er werde einen Boten schicken, der die Summe in bar entgegenne­hme. Die 70-Jährige gab dem Fremden ihr Geld. Der Chatpartne­r forderte mehr. Weil die Seniorin nichts mehr hatte, wandte sie sich an einen Verwandten. Der schaltete die Polizei ein. Auch hier wurde der Bote in eine Falle gelockt und festgenomm­en. An die Hinterleut­e kamen die Ermittler abermals nicht heran.

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