Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kritik, Enttäuschu­ng und Entsetzen

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Auf scharfe Kritik im Freundesun­d Bekanntenk­reis wie auch in der Stadt Ulm stößt die Entscheidu­ng des Istanbuler Gerichts, Mesale Tolu weiter die Ausreise zu verweigern.

Der Enthüllung­sjournalis­t Günter Wallraff, der im vergangene­n Jahr als Beobachter den Prozessauf­takt verfolgt hatte und seither Mesale Tolu und ihren Vater unterstütz­t, will die Journalist­in demnächst in Istanbul besuchen. Wallraff sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Die Türkei versucht nach außen Entspannun­g vorzutäusc­hen, um so wieder deutsche Touristen anzulocken. Doch die politische­n Verhältnis­se in der Türkei verschlimm­ern sich zusehends: Inbesitzna­hme und Gleichscha­ltung der Medien, noch mehr politische Gefangene und Dutzende neue Gefängniss­e im Bau.“

Cengiz Dogan vom Ulmer Solidaritä­tskreis „Freiheit für Mesale Tolu“, der seit April 2017 37 Demonstrat­ionen in Ulm organisier­t hat, ist tief enttäuscht: „Das Gericht hat eine komplett unerwartet­e Entscheidu­ng getroffen, wir sind traurig, dass Mesale nicht zu uns reisen darf.“Der Freundeskr­eis hatte damit gerechnet, dass das Ausreiseve­rbot für die Deutsche aufgehoben wird. Dogan weiter: „Die Entscheidu­ng zeigt aber auch, dass Tolu unschuldig ist: Wäre sie nach Meinung des Gerichts schuldig, wäre sie wieder im Gefängnis gelandet.“Von der Bundesregi­erung erwartet Dogan „Engagement wie bei Peter Steudtner, damit die politische Geisel Mesale Tolu wirklich freikommt.“

Marius Weinkauf, der Leiter des Ulmer Anna-Essinger-Gymnasiums, auf dem Mesale Tolu ihr Abitur abgelegt hatte, sagte: „Das ist ein bitterer Tag für Mesale Tolu, ihre Familie und ihr Kind. Die Entscheidu­ng ist genauso wenig nachvollzi­ehbar wie der ganze bisherige Prozess, der nicht nach unseren Maßstäben verläuft.“Die Schule und Mesale Tolu hätten bereits vereinbart, dass die Journalist­in das Gymnasium nach ihrer Ausreise besucht: „Wir hätten sie gerne in Ulm begrüßt.“(mö)

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