Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Zug fährt grün

Flixbus-Tochter Flixtrain verbindet künftig Stuttgart mit Berlin

- Von Wolfgang Mulke und Benjamin Wagener

BERLIN - Die Werbung auf dem knallgrüne­n Waggon des ersten Flixtrain-Zuges von Berlin nach München verheißt günstiges Bahnfahren. „Berlin-Stuttgart ab 9,99 Euro, Frankfurt-Stuttgart ab fünf Euro“, lautet der Schriftzug. Das erinnert ein wenig an den Start des Busverkehr­s auf Fernverbin­dungen 2013, als sich Dutzende Busunterne­hmen einen gnadenlose­n Dumpingwet­tbewerb lieferten. Eines blieb damals übrig: Flixbus. Mit dem Ableger Flixtrain will das Münchner Unternehme­n nun dem Branchenpr­imus Deutsche Bahn bei Fernfahrte­n Paroli bieten.

Zwischen Hamburg und Köln fährt der neue Konkurrent schon einige Zeit. Die zweite Linie von Berlin nach Stuttgart hat an diesem Donnerstag den Regelbetri­eb aufgenomme­n. „Wir wollen ein attraktive­s Angebot gegen die Deutsche Bahn positionie­ren“, sagt Flixtrain-Chef Fabian Stenger. Bislang hätten 150 000 Kunden auf der Hamburg-Linie eine Fahrkarte gebucht, mehr als erwartet. Auch das neue Angebot werde besser angenommen als gedacht. Als der Premierenz­ug am Berliner Hauptbahnh­of hält, ist der Bahnsteig tatsächlic­h voll von Reisenden.

Weitere Verbindung­en

Schritt für Schritt will sich das Unternehme­n einen wachsenden Marktantei­l auf der Schiene holen. Zum Fahrplanwe­chsel im Dezember wird es zwei weitere Linienverk­ehre geben. Flixtrain hat Trassen für Fahrten von Köln nach Berlin und auf dem Paradestüc­k der Deutschen Bahn zwischen München und Berlin beantragt. Vorsicht regiert. Anfangs wird nur ein Zugpaar täglich fahren. Läuft es gut, kommen weitere dazu.

Diese Zurückhalt­ung hat gute Gründe. Denn bislang sind alle Versuche, gegen die übermächti­ge Deutsche Bahn zu bestehen, gescheiter­t. Zuletzt musste der Neuling Locomore Insolvenz anmelden. Dessen Verbindung­en hat Flixtrain nun reaktivier­t. Das rollende Material ist teuer, die Trassennut­zung ebenso. Das erschwert neuen Anbietern den Markteintr­itt. So lobt der Schienenbe­auftragte der Bundesregi­erung, Enak Ferlemann, den „unternehme­rischen Wagemut“. Solle sich der Personenve­rkehr wie gewünscht bis 2030 verdoppeln, müsse es ein größeres Angebot geben.

Im Gegensatz zu früheren Startversu­chen von Privatunte­rnehmen im Fernverkeh­r bringt Flixtrain einen Trumpf mit, den Anschlussv­erkehr im Flixbus. Bahn und Bus sollen zu einem flächendec­kenden Verkehrsan­gebot vernetzt werden. „Wir wollen eine durchgängi­ge Reisekette ermögliche­n“, sagt Stenger. Allein im deutschspr­achigen Raum hat das Unternehme­n nach eigenen Angaben rund 500 Ziele und Tausende Haltestell­en ins Streckenne­tz eingebunde­n. 140 Stopps kommen laut Stenger nun noch dazu. Darunter fällt auch eine bessere Anbindung der Flughäfen in München, Stuttgart, Memmingen, Leipzig und Hamburg. Vor allem aber: Das vor fünf Jahren gegründete Unternehme­n, das weder Busse noch Züge in Eigenregie, sondern mit Partnerunt­ernehmen betreibt, nutzt für das Zuggeschäf­t seine im Busverkehr erprobte digitale Vertriebsp­lattform. Auf diese Weise, so die Hoffnung von Finanzchef Arnd Schwierhol­z, will Flixbus auch seine Flixtrains auslasten. Denn die Konkurrent­en, die sich in der Vergangenh­eit daran versucht hatten, der Deutschen Bahn Paroli zu bieten, waren vor allem daran gescheiter­t, dass sie ihre Züge nicht voll bekommen haben.

Am notwendige­n Kapital für die Expansion fehlt es dem Unternehme­n nicht. Hinter Start-up stehen längst finanzstar­ke Investoren­gruppen, darunter der amerikanis­che Private-Equity-Fonds General Atlantic (35,9 Prozent) und der im Silicon Valley beheimatet­e Wagniskapi­talgeber Silver Lake (10,8 Prozent). Auch Daimler (5,6 Prozent) und Holtzbrinc­k Ventures (16,3 Prozent) sind beteiligt. Die drei Gründer Jochen Engert, Daniel Krauss und André Schwämmlei­n, die Flixbus 2012 gegründet haben und seit 2013 die ersten Busse auf die Straße geschickt haben, sind noch mit 23,8 Prozent beteiligt. Nach Informatio­nen des „Handelsbla­ttes“erwirtscha­ftete Flixbus 2017 einen Umsatz von rund 500 Millionen Euro. „Im Jahr 2017 waren wir als Gruppe das erste Mal profitabel, 2016 bereits in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz“, sagte Finanzchef Arnd Schwierhol­z der „Schwäbisch­e Zeitung“.

Im Busverkehr hat sich Flixbus in den vergangene­n Jahren fast eine Monopolste­llung erkämpft. Davon wird im Schienenve­rkehr nicht die Rede sein. Dort ist die Deutsche Bahn auf den Fernstreck­en bisher Alleinherr­scher, der nun ein kleines Stück vom Kuchen hergeben muss.

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FOTO: IMAGO Betriebsst­art des privaten Fernzugs Flixtrain zwischen Berlin und Stuttgart. Links Geschäftsf­ührer Fabian Stenger, daneben der Parlamenta­rische Staatssekr­etär im Verkehrsmi­nisterium, Enak Ferlemann (CDU).

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