Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Für uns war Kluftinger nie ein Depp“

Im 10. Krimi der Allgäuer Autoren Michael Kobr und Volker Klüpfel geht es dem Kommissar an den Kragen

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RAVENSBURG - Deutschlan­ds erfolgreic­hstes Autorenduo kommt aus dem Allgäu: Volker Klüpfel und Michael Kobr haben vor 15 Jahren mit ihrem ersten Kluftinger-Krimi „Milchgeld“einen bundesweit­en Erfolg hingelegt, der sie selbst überrascht hat. Nun erscheint der zehnte Band um den bräsigen Leiter der Kemptener Kripo mit dem schlichten Titel „Kluftinger“. Dieser Jubiläumsb­and ist düsterer als seine Vorgänger, ein fast klassische­r Krimi, der ohne Klamauk auskommt. Die beiden Autoren haben sich mit Katja Waizenegge­r über Klufti und die missratene­n Verfilmung­en unterhalte­n. Und ein für alle Mal erklärt, warum sie keine Regionalkr­imis schreiben.

15 Jahre leben und arbeiten mit Kluftinger: Was verdanken Sie dem Kommissar?

Klüpfel: Mein Leben, wie es jetzt ist. Alles hat sich geändert. Nur unsere Frauen kannten wir schon vorher – was vielleicht auch gut so ist.

Man erfährt in diesem zehnten Band viel über Kluftinger, seine Lebensgesc­hichte, seine berufliche Laufbahn. War es an der Zeit, diesem Kluftinger etwas Tiefe zu verleihen?

Klüpfel: Es hat uns ja auch selber interessie­rt, warum er so ist, wie er ist. Wir hatten das ja nicht alles am Anfang festgelegt. Nie hätten wir daran gedacht, dass aus dem ersten Buch eine Serie entstehen könnte.

Bislang hat man sich gefragt, wie ein Kluftinger Chef der Kemptener Kriminalpo­lizei werden konnte. Und nun erfährt man, dass er früher ehrgeizig war. Wollen Sie weg von dem Bild des depperten Allgäuers, das Kluftinger anhaftet?

Klüpfel: Wenn man einen Krimi mit Humor schreibt, begibt man sich auf einen schmalen Pfad. Manchmal haben wir die Grenze überschrit­ten und der Humor ist in Klamauk gekippt. Das tut einem dann im Nachhinein leid. Aber eines muss man ganz klar sagen: Für uns war Kluftinger nie ein Depp. Nie. Und es war nie unsere Absicht, die Allgäuer als Deppen darzustell­en. Aber es ist uns bewusst, dass es manchmal passiert ist. In den Fällen haben wir uns davontrage­n lassen, im Hinterkopf auch das Publikum, das bei Lesungen auf diese Gags anspringt. Inzwischen haben wir uns in der Beziehung aber besser unter Kontrolle.

Ist jetzt Schluss mit lustig?

Kobr: Nein, ich würde den neuen Band eher als Experiment bezeichren, nen: Wie viel Ernsthafti­gkeit verträgt der Kluftinger-Fan? Die liegt natürlich schon in der Geschichte begründet. Kluftinger­s Leben wird massiv bedroht, der Tod kommt ihm mehrfach ganz nah. Unsere Lektorin hat gesagt, dass dieser Kluftinger mehr in Moll als in Dur sei. Und so ist es auch.

Sie wehren sich vehement gegen den Begriff Regionalkr­imi. Warum?

Klüpfel: Als Regionalkr­imis bezeichnet man gemeinhin die Krimis, die in einer bestimmten Region spielen und sich der Klischees dieser Region bedienen, die Sehenswürd­igkeiten und die Heimatfest­e abhandeln. Als Tötungsart käme in unserem Fall der Tod durch Mistgabel infrage. Es war aber eine bewusste Entscheidu­ng, dass wir diese Klischees nicht bedienen. Wenn überhaupt, geht nur der erste Band in diese Richtung. Unsere Bücher kann man nicht als Reiseführe­r lesen, wir schildern nicht das Postkarten-Allgäu, in dem alle Dialekt sprechen und in Lederhosen herumlaufe­n. Wir versuchen seit Jah- gegen dieses Label Regionalkr­imi anzukämpfe­n. Es wird uns nie gelingen, das ist mir klar. Es könnte mir ja auch egal sein, wenn nicht eine Bewertung damit verbunden wäre. In Deutschlan­d ist es einfach so: Es gibt die richtigen Krimis, und es gibt die Regionalkr­imis. Und da ist viel Schrott dabei. Deswegen sträube ich mich dagegen.

Die Kluftinger-Filme des Bayerische­n Rundfunks mit Herbert Knaup in der Hauptrolle wurden vor allem in der Region kritisiert, um nicht zu sagen, verrissen. Warum?

Kobr: Diese Filme pflegen meiner Meinung nach einen despektier­lichen Blick auf die Provinz. Sie haben zum Teil keinen normalen Moment, sind immer ein bisschen drüber. Alle reden Dialekt, sind skurril angezogen, irgendwas mit Trachten auf jeden Fall. Zu Recht haben sich die Allgäuer gesagt: „Wir sind doch nicht alle nur Deppen.“Diese Kritik, die manchmal an unseren Büchern geäußert wird, trifft auf die Filme auf jeden Fall zu.

Den Kluftinger-Film mit Herbert Knaup wird es also nicht mehr geben?

Klüpfel: Definitiv nicht. Die Filmrechte liegen inzwischen bei uns, was nicht immer so war. Anfangs lagen sie beim Verlag und unser Mitsprache­recht war sehr begrenzt. Die Resonanz auf diese Kluftinger-Filme war verheerend, und daraus haben wir Konsequenz­en gezogen.

Was sagen Sie zu dem Satz: Wunderbar, ihr müsst ja gar nicht mehr schaffen!

Klüpfel: Natürlich ist es im Allgäu grad schon mal gar kein ernst zu nehmender Beruf, Bücher zu schreiben. Wir wissen, dass es harte Arbeit ist. Aber wir wissen auch, dass es ein sehr privilegie­rtes Arbeiten ist. Ich kann an einem Tag sagen: Heute ist das Wetter schön, heute mache ich nichts. Das können wenige. In Deutschlan­d gilt ja oft nur das als Arbeit, was überhaupt keinen Spaß macht. In dieser Kategorisi­erung arbeiten wir tatsächlic­h nichts mehr.

Herr Klüpfel, Sie waren Kulturreda­kteur bei der „Augsburger Allgemeine­n Zeitung“. Bei Ihrem Besuch hier in der „Schwäbisch­en Zeitung“durften Sie wieder Redaktions­luft schnuppern. Hätten Sie mal wieder Lust, mit uns Blatt zu machen?

Klüpfel: Nein. Für den normalen Büroalltag bin ich versaut. Wenn es bei mir mal nicht mehr läuft, müsste meine Frau ran. Ich bin so viele Jahre mein eigener Herr gewesen. Diese Freiheit könnte ich nicht mehr aufgeben.

Und Sie, Herr Kobr, würden Sie gerne mal wieder als Lehrer vor einer Schulklass­e stehen?

Kobr: Bei mir ist es wie bei ihm. Ich könnte mich nicht mehr in dieses System einfügen. Aber ich weiß immer noch, was die Faszinatio­n des Berufes ausmacht.

Ihre Kollegen sind sehr kritisch mit Ihrem Erfolg?

Kobr: Ja. Ich hatte eine Deutsch-Kollegin, die hat nie etwas gesagt, aber es hat sichtlich in ihr gebrodelt. Und irgendwann, ganz unvermitte­lt, ist es aus ihr herausgebr­ochen: „Ich les’ des fei net. Ich les’ richtige Bücher, nicht solche Büchle, die du da schreibst.“Aber was die Kollegen wirklich fuchsig gemacht hat, war dieses Nichtwisse­n, was da nebenher so geht. Will man das Gehalt eines Lehrers wissen, muss man nur das Beamtenges­etzbuch aufschlage­n. Aber als ich mit dem Schreiben angefangen habe, kamen schon so Fragen wie: „Na, sag doch, was bekommt man für so eine Lesung?“Es gab aber auch ganz süße, ältere Kolleginne­n, die sich echt Sorgen gemacht haben: „Ihr könnt’s fei immer zum Essen kommen, wenn mal was ist. Ich mach’ ein bissl mehr, und dann kommt’s ihr einfach.“

Sie sagen, Sie erhalten nirgends so schlechte Kritiken wie zu Hause. Woran liegt das?

Kobr: Angefangen haben wir als völlige Laien. Und in unserer Entwicklun­g haben wir auch Fehler gemacht. Einmal haben wir uns zum Beispiel in den Comedy-Bereich gewagt, Klamauk auf der Bühne gemacht und vielleicht Grenzen überschrit­ten. Das sehen wir heute auch so. Oder wir hatten auch mal die falschen Marketingp­rodukte.

Klüpfel: T-Shirts zum Beispiel. Die wurden uns in jeder Besprechun­g um die Ohren gehauen. Jeder darf TShirts verkaufen, nur Schriftste­ller nicht. Aber vielleicht täuscht der Eindruck auch nur, weil es einem wichtiger ist, was daheim geschriebe­n wird.

 ?? FOTO: HANS SCHERHAUFE­R ?? Michael Kobr (Jahrgang 73, links) und Volker Klüpfel (Jahrgang 71) kennen sich seit ihrer gemeinsame­n Schulzeit in Kempten. Ihr Erstling „Milchgeld“erschien 2003 in einer Erstauflag­e von 300 Exemplaren, inzwischen haben ihre neun Krimis über den...
FOTO: HANS SCHERHAUFE­R Michael Kobr (Jahrgang 73, links) und Volker Klüpfel (Jahrgang 71) kennen sich seit ihrer gemeinsame­n Schulzeit in Kempten. Ihr Erstling „Milchgeld“erschien 2003 in einer Erstauflag­e von 300 Exemplaren, inzwischen haben ihre neun Krimis über den...

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