Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Post von Betrügern: So funktionie­ren Scam-Mails

Betrügeris­che E-Mails gibt es in vielen Varianten – Wer sich darauf einlässt, hat eventuell eine Anzeige am Hals

- Von Julia Ruhnau

BONN (dpa) - Werbung, Rechnungen, dringende Bitten von Arbeitskol­legen, das alles landet fast täglich in unseren digitalen Postfächer­n. Manchmal sind es aber auch solche E-Mails: „Wir sind eine Hacker-Gruppe, die virtuelle Geldbörsen für Kryptowähr­ungen hackt“, steht in einer Nachricht, die im Januar an mehrere Menschen ging. Der Absender bietet dem Empfänger an, ihn von einem totalen Verlust seines Bitcoin-Vermögens auszunehme­n – gegen einen kleinen Obolus. 0,03 Bitcoins waren im konkreten Fall gefragt, das entsprach zu jenem Zeitpunkt etwa 380 Euro.

Solche und andere Scam-Mails werden immer wieder bekannt. In diesem Fall weil der Empfänger die angebliche­n Hacker nicht bezahlte, sondern ein Bildschirm­foto an die Watchlist Internet schickte – eine österreich­ische Info-Plattform, die Online-Betrugsfäl­le sammelt.

Scam-Mails sind eine Unterform von Spam. „Spam sind E-Mails, die massenhaft verschickt werden“, erklärt Matthias Gärtner vom Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI). Manche von ihnen enthalten Anhänge mit Schadsoftw­are, andere Links, die auf FakeShops führen und Nutzerdate­n abfischen sollen – und eben auch Betrugsver­suche.

Adressen aus Datenlecks

Die Empfängera­dressen stammen meist aus Datenlecks von Onlineshop­s. Kriminelle verkaufen entspreche­nde Listen mit E-Mailadress­en und Kundendate­n. „Oft sind das Kriminelle, die jemanden brauchen, der das Geld für sie wäscht“, erläutert Gärtner die Idee hinter Scam-Mails. Das funktionie­rt zum Beispiel so: Der Absender sucht einen Helfer, der für ihn Geld auf ein anonymes Konto überweist – und erklärt das zum Beispiel damit, dass er in seinem Land politisch verfolgt wird und Hilfe braucht. Als Belohnung für die Transaktio­n darf der Handlanger eine Provision einbehalte­n. „Das Geld kommt aber aus einer unerlaubte­n Überweisun­g“, erklärt Gärtner weiter, etwa von gehackten Online-Banking-Kontos oder gestohlene­n Kreditkart­en. Fliegt der Schwindel auf, haben nichts ahnende Handlanger ein Problem. „Mit strafrecht­lichen Konsequenz­en ist zu rechnen“, warnt Hans-Joachim Henschel, der bei der Prävention­sstelle Cybercrime des Landeskrim­inalamtes Niedersach­sen arbeitet.

„Zudem sperrt die Bank bei Geldwäsche-Verdacht wahrschein­lich das Konto.“Und da man selbst das letzte nachvollzi­ehbare Glied der Transaktio­nskette ist, wird das gestohlene Geld wahrschein­lich vom Konto zurückgebu­cht – ein enormer Schaden.

Solche und ähnliche Maschen gibt es zuhauf, zum Beispiel mit gefälschte­n Job- oder Immobilien­angeboten, bei denen die Empfänger in Vorkasse gehen sollen. Auch auf Datingport­alen tummeln sich Schwindler: „Die gedatete Person braucht dann dringend Geld, um einen ärztlichen Notfall oder die Behandlung eines Kindes zu bezahlen“, erläutert Henschel. Inzwischen fielen zwar nur noch selten Leute auf die klassische­n Betrugsmai­ls herein. Aber: „Mittlerwei­le sind die Betrüger sehr viel raffiniert­er und ködern ihre Opfer mit täuschend echten Lebensgesc­hichten“, warnt Harald Schmidt, Geschäftsf­ührer der Polizeilic­hen Kriminalpr­ävention der Länder und des Bundes.

Genaue Zahlen gibt es nicht, die Polizeilic­he Kriminalst­atistik erfasst nur Betrugsfäl­le im Allgemeine­n. „Aus der Zusammenar­beit mit Selbsthilf­egruppen sind uns bei diesen Fällen zwischenze­itlich bundesweit Gesamtschä­den im zweistelli­gen Millionenb­ereich bekannt“, gibt Schmidt als Richtwert an.

Betrüger nutzen Hilfsberei­tschaft

Aber warum fallen überhaupt immer wieder Menschen auf solche Maschen herein? Die Medienpsyc­hologin Astrid Carolus von der Universitä­t Würzburg erklärt das mit dem Begriff Social Engineerin­g: „Man hat ein System aus Hardware, Software und dem Benutzer“, sagt die Wissenscha­ftlerin. Und man könne eben nicht nur Geräte, sondern auch Benutzer manipulier­en. „Menschen sind soziale Wesen“, sagt Carolus. „Sie haben das Bedürfnis, anderen zu helfen, und eine Neigung, anderen zu vertrauen.“

Auf Texte, die unser Mitleid oder unsere Gier wecken, unseren Helferinst­inkt ansprechen, reagieren wir eher impulsiv als analytisch. „Das hat dann sehr wenig mit Intelligen­z zu tun“, fügt Carolus hinzu. Menschen aus allen Bildungssc­hichten fallen auf Betrugsmai­ls herein, vor allem wenn diese genau auf einzelne Empfänger zugeschnit­ten sind.

Kurzes Nachdenken hilft, dem Schwindel auf die Spur zu kommen. „Wenn es zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es meistens nicht gut oder nicht wahr“, fasst BSI-Mitarbeite­r Gärtner zusammen. Wenn man mit der Maus über die Absenderad­resse fährt oder draufklick­t, kann man außerdem sehen, ob die E-Mailadress­e tatsächlic­h mit der des angebliche­n Arbeitskol­legen oder Verwandten übereinsti­mmt oder ob sie nur eine beliebige Buchstaben­abfolge enthält. Oder man ruft einfach bei dem angebliche­n Absender an und fragt nach.

Niemals auf E-Mails antworten

„Antworten sollte man nie“, rät Gärtner. Denn dann wissen die Kriminelle­n, dass die E-Mail-Adresse aktiv ist – und schaffen es vielleicht doch noch, einen um den Finger zu wickeln. „Melden Sie verdächtig­e EMails Ihrem E-Mail-Provider“, rät Schmidt.

Ein Screenshot der E-Mail hilft. Ihn kann man auch an Portale wie die Watchlist Internet oder die Verbrauche­rzentralen schicken. Wer doch drauf reinfällt, sollte Anzeige erstatten. Und von Anhängen oder Links sollte man wegen der Viren- und Phishingge­fahr tunlichst die Finger lassen.

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FOTO: ANDREA WARNECKE Solche E-Mails sind meist der erste Schritt eines Betrugsver­suchs.

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