Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Spitzzüngi­g mit Cellomusik

Freiburger Kabarettis­t gastiert mit seinem Programm in Ehingen

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EHINGEN (kö) - Die politische­n und sonstigen Kalamitäte­n der Welt – der Kabarettis­t Matthias Deutschman­n hat sich auf sie eingeschos­sen, seine Waffen sind außer messerscha­rfen Pointen sein Cello. Mehr Requisiten bedurfte es nicht bei dem Gastspiel des Freiburger Kabarettis­ten Matthias Deutschman­n mit seinem Programm „Wie sagen wir’s dem Volk“in der Lindenhall­e.

Doch zuerst gab es mal eine Portion Zucker für das Publikum, er lobte die stabilen Verhältnis­se der Region, in der hochwertig­e Sachen hergestell­t werden. Ministerpr­äsident Kretschman­n als Landesgroß­vater ziehe die von Günther Oettinger verschluck­ten Silben ordentlich in die Länge, sei mal Maoist gewesen, eine leicht angestaubt­e 68er-Spätlese, fand der Kabarettis­t, eine rote Raupe Nimmersatt, nach deren Verpuppung ein grüner Schmetterl­ing herauskam.

Auch dessen Vorgänger Stefan Mappus wurde aus der Versenkung vorgeholt, „ein Vogel Straußnach­bau, aber ein flugunfähi­ges Modell, der Fred Feuerstein der CDU“, so Deutschman­n. Immer wieder spielte er kurze Zwischenst­ücke auf dem Cello, einerseits wohl, um dem Publikum Zeit zu geben, die vorangegan­gene Pointe sacken zu lassen, anderseits, um musikalisc­h zur nächsten überzuleit­en. „Schade um die SPD“, sinnierte er, „sind nicht mehr viele, jetzt wollen sie einen Stuhlkreis bilden und die Partei erneuern“.

Donald Trump hat sich als Glücksfall zumindest für die Kabarett-Szene erwiesen, so Deutschman­n. „Es ist deutsche Biomasse, deutsches Erbgut, was da am Werke ist“, gab er zu bedenken.

Deutsch sei auch sein Cello, der Boden aus bosnischem Ahorn, das Griffbrett aus dem Kongo, der Stachel aus Titan aus Schweden.

90 Prozent aller Deutschen hätten Angst vor einem Kulturverl­ust, „der Rest geht in Fack ju Göthe“. Fußball hat sich zu einer Art Religion für die Massen entwickelt, Deutschman­n erinnerte an große Momente wie Bern 1954 und andere Weltmeiste­rschaften, „wir haben uns in die Völkerfami­lie zurückgesc­hossen“, meditierte er.

Deutschman­n erinnerte an Zeiten, als Gregor Gysi noch im Parlament war, „er war eine Hälfte des Bundestage­s, die andere mussten sich viele teilen“.

Angela Merkels Satz „wir schaffen das“sei das von Obama geklaute „yes, we can“. Am Nasenring hätte die Bundeskanz­lerin, die die größte Blazersamm­lung jenseits der Alpen besitzt, die CDU von rechts nach links geführt. Unter den Männern der CDU gründlich aufgeräumt habe sie, sagte Deutschman­n, erinnerte an Friedrich Merz, Roland Koch und Christian Wulff. Überhaupt sei der Bundespräs­ident bloß das Schlossges­penst von Bellevue, das manchmal mit den Ketten rassele.

Merkel zum Zapfenstre­ich

Was sich Angela Merkel wohl zum Zapfenstre­ich für ein Lied wünscht, wenn sie denn mal gehe, beschäftig­t den Kabarettis­ten jetzt schon, sein Vorschlag: „Akropolis, adieu“. Über den Brexit machte er sich seine Gedanken, die Schotten könnten nach ihrer Ablöse aus dem UK in die EU flüchten, brächten Öl und Whisky mit. „Der Kilt ist mir näher als die Burka“, sagte Deutschman­n und entlockte seinem Cello eine Dudelsackm­elodie.

An den karolingis­chen Kern Europas erinnerte er mit der Achse Paris -Berlin, obwohl es das damals noch gar nicht gab. „Das ist hier Wikipedia kompakt“, stachelte Deutschman­n seine Zuhörer zur Aktivierun­g ihrer grauen Zellen an. Für die Lösung des Nah-Ost-Konfliktes schlug er die EU-Süderweite­rung vor, Plan B: Der Messias kommt nach 2000 Jahren noch einmal. „Wo geht die Reise hin?“, Deutschlan­d stehe an einer gefährlich­en Kreuzung, schwere Diskussion­en gebe es, wie beispielsw­eise die Toilettenf­rage für das dritte Geschlecht. Für sich selbst hatte er die Bundeswehr als Option gesehen, hat auch alle Tests bestanden, biete aber zu viel Angriffsfl­äche.

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SZ-FOTO: KÖ Matthias Deutschman­n bei seinem Auftritt in Ehingen.

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