Übergangsregierung in Italien wird immer wahrscheinlicher
I● taliens Staatspräsident Sergio Mattarella versucht es zum letzten Mal. Am kommenden Montag will er die Chefs aller Parteien treffen, um mit ihnen einen letzten Versuch zu unternehmen. Ziel ist es, gut zwei Monate nach den Parlamentswahlen am 4. März endlich eine Regierung zu bilden. Das war bisher nicht möglich.
Zunächst sah es so aus, als ob das Mitte-rechts-Bündnis aus der ausländerfeindlichen Lega, der Forza Italia von Medienzar Silvio Berlusconi und einer dritten kleineren rechten Partei zusammen mit der 5-Sterne-Bewegung M5S, die aus den Wahlen als stärkste Partei hervorgegangen war, eine Regierungskoalition bilden könnte. Als das nicht funktionierte, kam es zu einer Annäherung zwischen M5S und den großen Verlierern der Wahlen, den Sozialdemokraten PD, die derzeit noch die Re- gierungsgeschäfte führen. Auch dieser Versuch scheiterte. Dass es bisher zu keiner Regierungskoalition in Italien kam, hat vor allem zwei Gründe. Zum einen vertreten die M5S, das Mitte-rechts-Bündnis und die PD wesentliche Programmpunkte, die sich nur schwer innerhalb einer Koalition verbinden lassen. Zum anderen spricht sich ein guter Teil des Wahlvolks der jeweiligen Parteien entschieden gegen ein Bündnis mit einer der anderen Parteien aus.
Bereits zwei Versuche, die Parteien zu einer wie auch immer gearteten Regierungskoalition zusammenzubringen, scheiterten. Sollte am Montag kein Wunder eintreten und eine Regierungskoalition in letzter Minute zusammenfinden, hat Staatspräsident Mattarella nur noch zwei Möglichkeiten. Auf der einen Seite wären das Neuwahlen vor oder nach der Sommerpause. Aber Neuwahlen ohne ein neues Wahlrecht, das endlich klare Mehrheiten schaffen könn- te, wären zwecklos. Die Gefahr könnte ein erneutes Stimmenpatt sein. Wahrscheinlicher ist, dass der Staatspräsident eine Übergangsregierung ernennt. Unter Führung etwa des Präsidenten des Abgeordnetenhauses oder der Präsidentin des Senats. Eine solche Regierung sollte, nach den am Donnerstag bekannt gewordenen Vorstellungen Mattarellas, bis 2019 im Amt bleiben. Im kommenden Jahr, vielleicht im Frühjahr, würde es Neuwahlen geben.
Warnung von Mattarella
Eine Übergangsregierung hätte einige wesentliche Aufgaben zu erfüllen. Erstens die Verabschiedung eines neuen Wahlrechts. Zweitens die dringend anstehende Verabschiedung des neuen Haushalts, der auch eine heftig umstrittene Anhebung der Umsatzsteuer vorsieht. Und drittens eine schnell handlungsfähige Regierung, die bei wichtigen Terminen der EU präsent ist. Mattarella warnte verschiedentlich, eine in die Länge gezogene Diskussion um eine Regierungskoalition könne Italien sich nicht erlauben. Gut informierten Kreisen zufolge könnte es bereits Mitte kommender Woche eine Übergangsregierung von Gnaden des Staatspräsidenten geben.
Der bärbeißige Matteo Salvini, Chef der Partei Lega, ist damit aber nicht einverstanden. Er will selbst Regierungschef werden. Seine Argumentation: Das von ihm geführte Mitte-rechts-Bündnis habe die meisten Stimmen erhalten. Sollte es eine Übergangsregierung geben, so droht Salvini, werde er mit „Millionen meiner Anhänger nach Rom marschieren, um dort zu protestieren“. Salvinis Drohung erinnert an den Marsch auf Rom, mit dem Benito Mussolini 1922 die Regierungsmacht an sich riss. Salvini beweist mit dieser historischen Anspielung erneut, dass er als strammer Rechtsaußen auftreten kann.