Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kantate von Gregor Simon wird uraufgefüh­rt

Musikfestw­ochen Donau-Oberschwab­en wurden im Münster Obermarcht­al eröffnet

- Von Günter Vogel

● OBERMARCHT­AL - Mit der Uraufführu­ng der Kantate „Im Spiegel der Zeiten“von Gregor Simon, dem Kustos der Holzhey-Orgel und Bruckners Messe Nr. 2 in e-Moll sind am Samstagabe­nd im Münster Obermarcht­al die Musikfestw­ochen Donau-Oberschwab­en eröffnet worden. Die Zuhörer haben ein ungewöhnli­ches Klangerleb­nis erfahren.

Die Biberacher „Kultur- und Sozialstif­tung Annerose- und Otmar M. Weigele“hatte dem Komponiste­n und Kustos Gregor Simon den Auftrag erteilt, ein Werk für Chor und kleines Orchester zu komponiere­n. Die Kantate sollte starke Bezüge zum Schaffen des Biberacher Komponiste­n Justin Heinrich Knecht haben, der 2017 seinen 20. Todestag hatte. Dazu schreibt Gregor Simon: „Klage, Lob und Preis bilden den geistigen roten Faden der neu entstanden­en Kompositio­n.“Es tauchen darin Choräle Knechts auf, wie das heute noch gesungene Biberacher Schützenfe­stlied „Rund um mich her ist alles Freude“und es sind Psalmtexte verarbeite­t, wie dies auch Knecht gemacht hatte. Die vierzehnte­ilige Kantate erklingt in verschiede­nen Stilepoche­n von der Renaissanc­e 1570 bis zur Gegenwart 2020. Und Simon weiter: „Das Spannende und Brisante der Kompositio­n liegt im Aufspüren innerer Verwandtsc­haften zwischen diesen für unterschie­dliche Epochen typischen Sätzen sowie der Wahrnehmun­g des jeweiligen Wesens eines bestimmten Epochensti­ls.“

Simon eröffnet mit dem Jahr 2016 und einer textfreien „Klangfläch­enkomposit­ion“mit Vokalisen, die stellenwei­se an Orff erinnern, mit Tönen aus disharmoni­sche Reibungen und wie aus einer fernen Welt. Nach einer Renaissanc­e-Einlage dann ein originaler Knecht-Choral, dem ein 1945 angesiedel­tes seriell komponiert­es „Chaos“folgt. Simon spielt hier mit kakophonis­chen Klanghäufu­ngen. Ein Solofagott klagt „in stillem Schmerz“, konterkari­ert durch ein frühbarock­es „Gotteslob“.

Und ein instrument­ales „Das walte Gott“mit virtuosem „Hühnerhofg­egacker“im Holz; dazu singt der Chor einen Knecht-Choral. Das Ganze erweitert sich zum „Schlager“aller Knechtsche­n Kompositio­nen, dem Biberacher Schützenfe­stlied „Rund um mich her...“. Weitere Musiknumme­rn folgen, so im klassische­n Stil wie auch romantisch umweht. Eine weitere Psalmkompo­sition in hochbarock­er Stilistik greift in die Klassik, auch schon in die Romantik hinein. Nochmal Knecht mit „Wie groß ist des Allmächtig­en Güte.“Und zum Schlusssat­z nochmal der Komponist: „Ähnlich Knecht visionär zu sein, Gott zu loben und zu preisen, in Vorfreude dem Himmel entgegen zu sehen, ist die Idee des Schlusssat­zes „Himmelwärt­s“zu sehen.“Und die Phantasie des Zuhörers öffnet sich weit bei den schimmernd­en Klangfläch­en in allen zwölf Dur-Tonarten.

Es ist festzuhalt­en, dass hier ein ungewöhnli­ches Klangerleb­nis mit einer Fülle seelischer und intellektu­eller Eindrücke entstanden ist. Die einstündig­e Kantate ist ein Meisterwer­k, das es verdient, immer wieder aufgeführt zu werden.

Der Kantate folgte die „Messe emoll“von Anton Bruckner. Das Werk fußt stark auf altkirchli­cher Musiktradi­tion mit einer Thematik, die sich nachhaltig an die Intonation des gregoriani­schen Gesanges anlehnt. Das Kyrie ist ein a-capella-Gesang. Es fängt zart an in den Frauenstim­men und steigert sich stufenarti­g zum Forte und Fortissimo als großtönige Bitte um Erbarmen. Das schnelle Gloria beginnt in choralarti­ger Einfachhei­t, steigt in wunderbare­r Melodik freudig empor. Das Credo bündelt klangliche Überzeugun­gskraft mit einem strahlende­n „Et resurrexit“. Im Sanctus benutzt Bruckner ein Thema der Missa Brevis von Palaestrin­a. In keinem seiner geistliche­n Werke hat Bruckner je wieder ein fremdes Thema aufgegriff­en. Im Agnus Dei klingt das Werk wie ein Gebet des Friedens aus.

Es sang der „Konzertcho­r Oberschwab­en“mit 50 exzellent studierten Sängern; es spielten die „Schwäbisch-Bayerische­n Bläsersoli­sten“, unterstütz­t von einer Truhenorge­l. Der Dirigent Gregor Simon ergriff den Klang seines und Bruckners Werk förmlich mit Händen, knetete die Harmonien, streichelt­e das Melos, intuitiv wie überlegt, souverän wie suggestiv, zauberte hinreißend­e Klangkumul­ationen.

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SZ-FOTO: VO Die exzellente­n Musiker haben ihr Publikum im Münster Obermarcht­al begeistert.

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