Frauen, die Ulm bewegten
Eine Postkartenreihe soll auf Ulmer Demokratie-Pionierinnen aufmerksam machen
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ULM - Erst seit 100 Jahren haben Frauen in Deutschland das volle Wahlrecht. Das Ulmer Frauenbüro nimmt dies nun zum Anlass, einen Blick auf Ulmer Frauen zu werfen, die einen Anteil am Kampf für Gleichberechtigung haben. Den Auftakt einer Postkartenreihe macht die gebürtige Ulmerin Mathilde Planck, der 1951 als erste Frau Deutschlands das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde. Die Cousine des berühmten Max Planck ist nach Einschätzung der Historikerin Marie-Kristin Hauke eine der Pionierinnen der Frauenrechtsbewegung im ganzen Land.
Aufgewachsen als ein Kind des Bildungsbürgertums mit sechs Geschwistern deutete zunächst wenig auf eine revolutionäre Ader der 1861 geborenen Planck hin. Mal davon abgesehen, dass ihr Vater in publizierender Sprach- und Literaturwissenschaftler war und ihr das Lesen sozusagen in die Wiege gelegt worden sei. „Sie hat schon sehr viel Bildung mitbekommen“, sagt Hauke, die Ulmer Mitarbeitern des Stadtarchivs, die sich bei ihren Recherchen mühsam auf die wenigen erhaltenen Originalquellen und alte Zeitungsartikel stützen musste.
Das Thema Entstehung der regionalen Frauenrechtsbewegung sei kaum erforscht. Klar sei nur, dass die junge Mathilde Planck offenbar erst nach dem Tod ihres Vaters 1880 begann, sich tiefer mit Frauenrechten zu beschäftigen. Wohl auch im Rahmen ihrer Ausbildung zur Lehrerin in Stuttgart.
Als Aktivistin der Stuttgarter Frauenbewegung versuchte die gebürtige Ulmerin auch in ihrer Heimatstadt den Geist der Freiheit zu pflanzen. Sie war zudem Redakteurin der Zeitschrift „Frauenwacht“und kämpfte in zahlreichen Positionen für die Rechte der Frauen, auch als Landtagsabgeordnete in den 1920er Jahren bis die Nazis sie später kaltstellten. Jeden Monat will das Ulmer Frauenbüro um die zwei Leiterinnen Diana Bayer und Gabriele Sälzle von nun an eine weitere Postkarte eines Akteurs für den Kampf der Frauenrechte veröffentlichen. Nach Planck ist im Juni Herta Wittmann an der Reihe. Die 1913 in Seißen bei Blaubeuren geborene Mutter von vier Kindern, war die erste Frau im Ulmer Stadtrat nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis 1953 blieb die frühverwitwete Stimmkönigin der Liberalen die einzige Frau im Ulmer Gemeinderat. In diesem Jahr kamen Ruth Nissen und Liselotte Kick hinzu.
1948 gründete Wittmann den Überparteilichen Frauenarbeitskreis und legte so einen Teil der Basis für eine in Deutschland einzigartige Entwicklung: Die „Bürgerinnenversammlungen“, die 1950 bis 1972 stattfanden, gab es als erstes in Ulm. Revolutionär war es zu Beginn der 1950er Jahre Frauen ganz bewusst „frei von männlicher Bevormundung“, wie es der damalige Ulmer Oberbürgermeister Theodor Pfizer formulierte, zu Wort kommen zu lassen. Der wohl prominenteste Namen der zwölf Frauen auf zwölf Postkarten, die Regional-Geschichte in Sachen Gleichberechtigung mitschrieben, ist Inge Aicher-Scholl, die Schwester der von den Nazis ermordeten Hans und Sophie Scholl. 1946 gründete sie die Ulmer Volkshochschule – als eine der ersten Volkshochschulen im Nachkriegsdeutschland – und schuf so den zentralen Ausgangspunkt vieler politisch motivierter Frauen, am Aufbau einer demokratischen Gesellschaft mitzuwirken.
Die Postkarten „Frauen bewegen Ulm“liegen in immer mehr zentralen Stellen in Ulm wie etwa dem Rathaus aus. Jeden Monat soll eine neue veröffentlicht werden. Zudem bereistet die Historikerin Marie-Kristin Hauke eine Ausstellung und einen Vortrag vor.