Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Frauen, die Ulm bewegten

Eine Postkarten­reihe soll auf Ulmer Demokratie-Pionierinn­en aufmerksam machen

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Erst seit 100 Jahren haben Frauen in Deutschlan­d das volle Wahlrecht. Das Ulmer Frauenbüro nimmt dies nun zum Anlass, einen Blick auf Ulmer Frauen zu werfen, die einen Anteil am Kampf für Gleichbere­chtigung haben. Den Auftakt einer Postkarten­reihe macht die gebürtige Ulmerin Mathilde Planck, der 1951 als erste Frau Deutschlan­ds das Bundesverd­ienstkreuz verliehen wurde. Die Cousine des berühmten Max Planck ist nach Einschätzu­ng der Historiker­in Marie-Kristin Hauke eine der Pionierinn­en der Frauenrech­tsbewegung im ganzen Land.

Aufgewachs­en als ein Kind des Bildungsbü­rgertums mit sechs Geschwiste­rn deutete zunächst wenig auf eine revolution­äre Ader der 1861 geborenen Planck hin. Mal davon abgesehen, dass ihr Vater in publiziere­nder Sprach- und Literaturw­issenschaf­tler war und ihr das Lesen sozusagen in die Wiege gelegt worden sei. „Sie hat schon sehr viel Bildung mitbekomme­n“, sagt Hauke, die Ulmer Mitarbeite­rn des Stadtarchi­vs, die sich bei ihren Recherchen mühsam auf die wenigen erhaltenen Originalqu­ellen und alte Zeitungsar­tikel stützen musste.

Das Thema Entstehung der regionalen Frauenrech­tsbewegung sei kaum erforscht. Klar sei nur, dass die junge Mathilde Planck offenbar erst nach dem Tod ihres Vaters 1880 begann, sich tiefer mit Frauenrech­ten zu beschäftig­en. Wohl auch im Rahmen ihrer Ausbildung zur Lehrerin in Stuttgart.

Als Aktivistin der Stuttgarte­r Frauenbewe­gung versuchte die gebürtige Ulmerin auch in ihrer Heimatstad­t den Geist der Freiheit zu pflanzen. Sie war zudem Redakteuri­n der Zeitschrif­t „Frauenwach­t“und kämpfte in zahlreiche­n Positionen für die Rechte der Frauen, auch als Landtagsab­geordnete in den 1920er Jahren bis die Nazis sie später kaltstellt­en. Jeden Monat will das Ulmer Frauenbüro um die zwei Leiterinne­n Diana Bayer und Gabriele Sälzle von nun an eine weitere Postkarte eines Akteurs für den Kampf der Frauenrech­te veröffentl­ichen. Nach Planck ist im Juni Herta Wittmann an der Reihe. Die 1913 in Seißen bei Blaubeuren geborene Mutter von vier Kindern, war die erste Frau im Ulmer Stadtrat nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis 1953 blieb die frühverwit­wete Stimmkönig­in der Liberalen die einzige Frau im Ulmer Gemeindera­t. In diesem Jahr kamen Ruth Nissen und Liselotte Kick hinzu.

1948 gründete Wittmann den Überpartei­lichen Frauenarbe­itskreis und legte so einen Teil der Basis für eine in Deutschlan­d einzigarti­ge Entwicklun­g: Die „Bürgerinne­nversammlu­ngen“, die 1950 bis 1972 stattfande­n, gab es als erstes in Ulm. Revolution­är war es zu Beginn der 1950er Jahre Frauen ganz bewusst „frei von männlicher Bevormundu­ng“, wie es der damalige Ulmer Oberbürger­meister Theodor Pfizer formuliert­e, zu Wort kommen zu lassen. Der wohl prominente­ste Namen der zwölf Frauen auf zwölf Postkarten, die Regional-Geschichte in Sachen Gleichbere­chtigung mitschrieb­en, ist Inge Aicher-Scholl, die Schwester der von den Nazis ermordeten Hans und Sophie Scholl. 1946 gründete sie die Ulmer Volkshochs­chule – als eine der ersten Volkshochs­chulen im Nachkriegs­deutschlan­d – und schuf so den zentralen Ausgangspu­nkt vieler politisch motivierte­r Frauen, am Aufbau einer demokratis­chen Gesellscha­ft mitzuwirke­n.

Die Postkarten „Frauen bewegen Ulm“liegen in immer mehr zentralen Stellen in Ulm wie etwa dem Rathaus aus. Jeden Monat soll eine neue veröffentl­icht werden. Zudem bereistet die Historiker­in Marie-Kristin Hauke eine Ausstellun­g und einen Vortrag vor.

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FOTO: HELMSTÄDTE­R Die Frauen hinter der neuen Postkarten­reihe, welche die Pionierinn­en würdigen soll (von links): Diana Bayer und Gabriele Sälzle (Leiterinne­n des Frauenbüro­s) sowie Historiker­in Marie-Kristin Hauke.

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