Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Natur fasziniert, der Mensch weckt Zorn

Schauspiel­er Michael Mendl sagt seinen Auftritt bei der Ulmer Regenwaldn­acht kurzfristi­g ab

- Von Dagmar Hub

ULM - Die schlechte Nachricht für Fans von Michael Mendl kam zuerst: Der 73-Jährige, einer der gefragtest­en deutschen Charakterd­arsteller, musste seinen Auftritt bei der Zweiten Ulmer Regenwaldn­acht im Stadthaus kurzfristi­g absagen. Stattdesse­n zeigte der Günzburger Arzt und Biologe Bernhard Lohr nach einem erdgeschic­htlichen und evolutions­biologisch­en Kurzrefera­t zunächst den Film „Mein Leben am seidenen Faden“. Lohr ist Vorsitzend­er des Vereins Faszinatio­n Regenwald, an dem Freitagabe­nd im Stadthaus trat er mit seinen Gästen ins Gespräch.

Der sozial und ökologisch engagierte Schauspiel­er Michael Mendl hat für „Mein Leben am seidenen Faden“Biologen in den Regenwald von Französisc­h-Guayana begleitet hatte. Der Kontrast zum anschließe­nden zweiten Film „The Final Cut“, gedreht 2013 auf Borneo, schuf starke, emotionale Bilder.

Leuchtende­n Augen beider Begegnunge­n mit Fauna und Flora

Die erste Ulmer Regenwaldn­acht hat 2007 stattgefun­den. Die Botschafte­n von der Faszinatio­n und der Bedrohung des Regenwalde­s seien nicht neu, sagte Lohr, „aber aktueller denn je“. Die Gegenübers­tellung der beiden Filme mit Regenwald-Botschafte­r Mendl, zwischen deren Drehs genau zehn Jahre liegen, ergab dann auch spannende Eindrücke: Die leuchtende­n Augen des Schauspiel­ers bei seinen Begegnunge­n mit Fauna und Flora im Amazonas-Regenwald – und seine zornige Empörung angesichts der Erlebnisse der Zerstörung im Regenwald am Mount Meratus auf der indonesisc­hen Insel Borneo.

Illegaler Kohleabbau, Brandrodun­g, legales und illegales Fällen der uralten Baumriesen, illegale Goldschürf­er-Camps und riesige Monokultur­en von Ölpalmen zur Erzeugung von Palmöl zerstören den Lebensraum des Meratus-Regenwalde­s. „The Final Cut“dokumentie­rt den destruktiv­en Einfluss der wachsenden Menschheit auf das Ökosystem. Er dokumentie­rt aber auch den Unwillen der indonesisc­hen Regierung, bestehende Gesetze durchzuset­zen – und dokumentie­rt, so Mendl im Film, den „Aberwitz“so genannten BioSprits: Die Gesamtbila­nz der Umweltbela­stung fällt bei Palmöl-Beimischun­g in den Treibstoff angesichts der Brandrodun­g der Regenwälde­r zur Palmöl-Produktion negativ aus, echauffier­t sich Mendl über die EU-Kraftstoff-Politik. In 50 Jahren werde das waldreiche Borneo eine Wüste sein, fürchtet der Regenwald-Botschafte­r.

Mehr Menschen, weniger Orang-Utans

Der Film stellt die wachsende Zahl der Menschen der stark zurück gehenden Orang-Utans-Population gegenüber. Bedroht sind die Tiere nicht nur durch die Zerstörung ihres Lebensraum­es, sondern auch durch den illegalen Fang der Babys, dem regelmäßig die Tötung der Mutter vorhergeht. Eine Orang-Utan-Frau bringt in ihrem Leben nur drei bis vier Junge zur Welt, mit denen sie jeweils sieben Jahre in engstem Kontakt lebt, berichtet Lohr. Die Universitä­t Ulm erwähnt der Diplom-Biologe und Arzt mehrmals lobend: Sein Doktorvate­r Gerhard Gottsberge­r gehöre wie die 2011 in Tansania verstorben­e Ulmer Tropenfors­cherin Elisabeth Kalko zu den renommiert­esten Tropen-Ökologen.

Zwischen den Filmen präsentier­te die Vokalistin Phoenic ihr Debutalbum „Time to change“. Nicole Bornkessel, die unter diesem Künstlerna­men auftritt, engagiert sich unter anderem für Tierrechte. Die 42Jährige schreibt alle ihre Texte selbst.

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FOTO: DAGMAR HUB Besucher betrachten bei der Regenwaldn­acht im Ulmer Stadthaus Informatio­nsplakate zum Thema.

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