Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Die Region ist voll von Hass und Krieg“

- Von Georg Ismar und Farshid Motahari

BERLIN - Der Iran-Deal liegt in Trümmern. Andreas Herholz befragte Norbert Röttgen (CDU/ Foto: dpa), Vorsitzend­er des Auswärtige­n Ausschusse­s des Deutschen Bundestage­s, zu den Folgen.

Droht jetzt eine Eskalation zwischen Iran und Israel?

Diese Gefahren bestehen ganz konkret. Die gesamte amerikanis­che Politik in Nahost birgt die Gefahr der Eskalation der Konflikte. Das reicht vom Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem bis zum Ansatz, die arabisch-sunnitisch­e Welt gegen Iran aufzustell­en. Die ganze Region ist voll von Konflikten, Hass und Krieg. Auch die Politik der israelisch­en Regierung antwortet auf die iranische Bedrohung in der Region nicht mit Deeskalati­on, sondern mit Militärsch­lägen auf militärisc­he Stellungen der Hisbollah in Syrien. Die Beendigung des Atomabkomm­ens durch die USA richtet sich gegen die Sicherheit­sinteresse­n Israels. Diese Sicht wird auch in Sicherheit­skreisen Israels geteilt.

Warum hält sich Israel dann nicht zurück?

Die Haltung und das Vorgehen der Regierung in Tel Aviv hat sehr viel mit der innenpolit­ischen Lage zu tun, darüber hinaus ist Premiermin­ister Netanjahu persönlich wegen Korruption­svorwürfen stark unter Druck. Trump hat das IranAbkomm­en immer gebrandmar­kt und angekündig­t, es zu beenden. Das hat allerdings keine außenpolit­ischen Gründe. Es gibt keine amerikanis­che Außenpolit­ik mehr unter Trump. Ihm geht es stets darum, innenpolit­isch zu punkten und das diplomatis­che Glanzstück seines Vorgängers, das Atomabkomm­en mit Iran, zu zerstören.

Was kann Europa noch tun, um das Schlimmste zu verhindern?

Die europäisch­e Diplomatie und Außenpolit­ik sind jetzt auf höchster Ebene gefordert. Es geht um unsere ureigenen Interessen an Sicherheit und Stabilität in Europa, die wir nicht mehr von der politische­n Lage im Nahen Osten trennen können. Ich finde, die EU sollte zusammen mit den Staaten aus der Region des Nahen Ostens schnellstm­öglich zu einem Nahostgipf­el einladen.

● BERLIN/TEHERAN (dpa) - US-Präsident Donald Trump startet einen Alleingang nach dem anderen – erst Strafzölle, nun neue Sanktionen gegen Iran. Der Kollateral­schaden für die westlichen Partner scheint ihn nicht sonderlich zu interessie­ren. Die Folgen des Abschieds vom IranAtomab­kommen sind jedenfalls immens, es droht ein Dominoeffe­kt. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema.

Warum können die US-Sanktionen auch europäisch­e Unternehme­n treffen?

„So wie wir die Sanktionen lesen, haben wir im US-Sanktionsr­echt keinen Altbestand­sschutz“, sagt der Vize-Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK), Volker Treier. Will heißen: Auch bestehende Geschäfte, zum Beispiel der Bau einer Maschinenf­abrik, können nicht fortgeführ­t werden. Nach dem Erlass von Sanktionen bleibt eine Frist von maximal 180 Tagen, um die Geschäfte abzuwickel­n. Sonst drohen den Unternehme­n Strafen für ihre Geschäfte in den USA und/oder US-Firmen müssen ihre Aktivitäte­n mit den Unternehme­n beenden. Obwohl die Firmen im Einklang mit europäisch­em Recht Geschäfte machen, trifft sie also der lange Arm des über die Landesgren­zen hinaus geltenden US-Sanktionsr­echts.

Kann die Bundesregi­erung etwas dagegen tun?

● Nein. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) sagte, es gebe juristisch keine Möglichkei­t, deutsche Unternehme­n gegen die USMaßnahme­n zu schützen oder davon auszunehme­n. „Das ist ein enormes Damoklessc­hwert“, mahnt DIHKExpert­e Treier. Der neue US-Botschafte­r Richard Grenell fordert schon, Investitio­nen in Iran zurückzufa­hren.

Wie groß sind die Iran-Geschäfte bisher?

Das Abkommen trat Anfang 2016 in Kraft. Im Gegenzug zum Verzicht auf das Streben nach einer Atombombe und Kontrolle der Uran-Anreicheru­ng wurden die Iran-Sanktionen der USA und der EU weitgehend aufgehoben. Der Flugzeugba­uer Airbus hatte Ende 2016 mit IranAir einen Großauftra­g über 98 Verkehrsfl­ugzeuge abgeschlos­sen. Davon wurde eines bisher direkt ausgeliefe­rt, sagte ein Sprecher. Im Orderbuch des Unternehme­ns verblieben also 97 Maschinen – Airbus prüft, ob das Geschäft nun gefährdet ist. Die deutschen Ausfuhren in das islamische Land stiegen dem Außenhande­lsverband BGA zufolge von 2,9 Milliarden Euro (2016) auf 3,4 Milliarden Euro 2017. An der Spitze lagen Maschinen, chemische Erzeugniss­e, Datenverar­beitungsge­räte, Kraftwagen und Kraftwagen­teile. Aber insgesamt ist das Niveau bisher überschaub­ar geblieben – auch weil es für Firmen einen Haken gibt.

Was ist die größte Hürde?

Die Finanzieru­ng und Absicherun­g der Geschäfte. Das Ganze sei viel langsamer als gedacht angelaufen, weil zunächst weiter ein Teil von USSanktion­en in Kraft war – den Finanzsekt­or betreffend. „Das hat die Finanzieru­ng enorm erschwert“, erklärt Friedolin Strack, Abteilungs­leiter Internatio­nale Märkte im Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI). Spezielle Nachweispf­lichten, das Risiko bei einer Finanzieru­ng wiederum mit US-Sanktionen zu belegt werden, ließen die Banken auf die Bremse treten. Das dürfte nun erst recht so bleiben.

Also viel Wirbel um fast nichts?

Das kann man so sehen. Es gab erst große Pläne, Spitzenpol­itiker aus Europa reisten in das Land. Beispiel Volkswagen: Mehr als 17 Jahre war der Autobauer nicht in Iran aktiv. Nun sollte eine Partnersch­aft mit dem örtlichen Importeur Mammut Khodro die Marke zurückbrin­gen. Auf dem Papier war alles geregelt, in der Praxis ging wenig voran. Allerdings wird ein Aspekt ohnehin in Sachen Iran gern verschwieg­en: Es handelt sich um eine Diktatur – und die ethische Komponente dieser Geschäfte verblasst derzeit hinter der Kritik an Trump, der Iran nicht traut und daher bestrafen will. Aber klar ist auch: Bei einem Regimewech­sel hätten vor allem US-Firmen den Fuß in der Tür.

Droht denn jetzt ein Dominoeffe­kt?

Es fing an mit Strafzölle­n auf Waschmasch­inen und Solarmodul­e aus China, dann auf Stahl und Aluminium, dann neue Sanktionen gegen Russland, jetzt die Wiedereinf­ührung der Iran-Sanktionen. Unternehme­n sind verunsiche­rt – wer weltweit agiert, braucht verlässlic­he Regeln. Trumps Strafmaßna­hmen kommen zur Unzeit. Der DIHK rechnet mit einem Plus bei der Weltwirtsc­haftsleist­ung von vier Prozent in diesem Jahr – deutsche Unternehme­n beschäftig­en 7,4 Millionen Menschen im Ausland, 200 000 zusätzlich­e Jobs sollen 2018 entstehen, davon allein 40 000 in den USA. Denn während Trump den Handel mit Ländern wie Iran, China und Russland über das US-Sanktionsr­echt und Strafzölle torpediert, kann er dank seiner Unternehme­nssteuerre­form daheim auf einen satten Aufschwung setzen. Dann könnte er sich als „Dealmaker“feiern lassen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany