Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der LEA-Einsatz wirkt weiter nach

Anwälte beklagen „alarmieren­den“Hass – U-Ausschuss beleuchtet Verhalten der Polizei

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Der Deutsche Anwaltsver­ein (DAV) wirft dem CSULandesg­ruppenchef im Bundestag Alexander Dobrindt vor, das gesellscha­ftliche Klima zu vergiften. Die Anwaltscha­ft sei keineswegs Teil einer „aggressive­n Anti-Abschiebe-Industrie“, wehrte sich Vereinsprä­sident Ulrich Schellenbe­rg am Mittwoch in Stuttgart gegen entspreche­nde Aussagen von Dobrindt. Als alarmieren­d bezeichnet­e er die Flut an Hassbotsch­aften gegen den Stuttgarte­r Anwalt Engin Sanli.

Der hatte den Togolesen vertreten, dessen zunächst erfolglose Abschiebun­g aus der Ellwanger Landeserst­aufnahmest­elle (LEA) Ende April bundesweit Schlagzeil­en gemacht hatte. Ein früherer Abschiebev­ersuch des Mannes im Februar sei gescheiter­t, bestätigte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) am Mittwoch im Landtag. Dort hat sich der Innenaussc­huss noch mal mit den Polizeiein­sätzen in der LEA befasst.

Eine Flut von rassistisc­her Post

Bis heute erhält Rechtsanwa­lt Sanli täglich E-Mails und Briefe, die er als beleidigen­d, rassistisc­h und bedrohlich bezeichnet. „Deine Familie wird das Jahrzehnt nicht überleben“, zitiert er am Mittwoch aus einer EMail. Eine andere hat den Betreff: „Wir werden dich töten, du Volksverrä­ter“, gezeichnet von den „Enkeln von Adolf Hitler“. 3000 E-Mails dieser Art landeten täglich in seinem Postfach, sagt der Anwalt. Seit CSULandesc­hef Dobrindt von der „AntiAbschi­ebe-Industrie“gesprochen habe, sei dieser Begriff häufig die Betreffzei­le. Er habe Anzeige gegen unbekannt gestellt. Personensc­hutz habe er indes keinen. „Das Ganze ist weiter hochgekoch­t durch Dobrindts Aussage“, so Sanli.

DAV-Präsident Schellenbe­rg richtet einen Appell an die Politik: „Ich erwarte ein sehr klares Statement, dass die Anwaltscha­ft als Teil der Rechtspfle­ge eine wichtige gesellscha­ftliche Rolle übernimmt.“Noch nie habe er in seiner Laufbahn erlebt, dass dies den Anwälten abgesproch­en wurde, sagte er mit Verweis auf eine weitere Äußerung Dobrindts. Der hatte gesagt, wer mit Klagen versuche, die Abschiebun­g von Kriminelle­n zu verhindern, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellscha­ftlichen Frieden. „Wir üben das Recht aus, das ist genau unsere Aufgabe“, so Schellenbe­rg.

Die Vorgänge in der LEA Ellwangen waren erneut Thema im Innenausch­uss des Landtags, nachdem sie bereits vergangene Woche in einer Plenarsitz­ung debattiert worden waren. Peter Hönle, der Leitende Polizeidir­ektor des Aaalener Präsidiums, gab dabei Einblick in die Polizeiarb­eit. „Das war außerhalb jeglicher Erfahrung von uns“, sagte er zum ersten Einsatz in der Nacht auf den 30. April.

Vier Beamte, darunter zwei Polizeianw­ärter, hatten den Togolesen abholen wollen. 150 bis 200 weitere Bewohner der LEA verhindert­en das. Am 3. Mai kam es zu einem Großeinsat­z der Polizei. Die Bilanz laut Strobl: Fast 300 Bewohner wurden kontrollie­rt, 37 Strafverfa­hren eingeleite­t, sieben Menschen kamen in Haft und neun vermutete Rädelsführ­er des Aufstands wurden in andere Einrichtun­gen verlegt. Der Togolese kam ins Pforzheime­r Abschiebeg­efängnis und wurde am Dienstag nach Italien gebracht.

Strobl berichtete von einem Treffen mit Vertretern der Polizei und der Regierungs­präsidien, um Lehren aus den Vorfällen zu ziehen. Er bestätigte auf Nachfrage des SPD-Abgeordnet­en Sascha Binder, dass sich der Togolese bereits Ende Februar erfolgreic­h gegen eine Abschiebun­g gewehrt habe – obwohl er bereits am Frankfurte­r Flughafen war. Er wurde zurück in die LEA Ellwangen gebracht, erklärte Strobl, sollte Anfang April in Abschiebeh­aft. Das Gefängnis sei allerdings voll gewesen, also blieb der Mann in Ellwangen. Ulrich Goll (FDP) kritisiert­e erneut, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Polizeiein­satz in Ellwangen drei Tage verstriche­n sind. „Eine lange Zeit, in der die Leute in der LEA machen konnten, was sie wollten.“

Warum die Polizei Zeit brauchte

In der ersten Nacht einen weiteren Versuch zu starten, sei nicht möglich gewesen, sagte Polizeidir­ektor Hönle. Polizisten müssten wissen, was auf sie zukomme. Deshalb habe man die Zeit für die intensive Planung des zweiten Einsatzes gebraucht. Hönle sprach von dem Druck, der auf der Polizei lastete. „Der zweite Einsatz musste erfolgreic­h sein.“Die FDP hatte Minister Strobl zudem vorgeworfe­n, die Öffentlich­keit zu spät informiert zu haben. „Das war wichtig“, sagte Hönle. „Wir brauchten den Überraschu­ngsmoment.“

Eine hitzige Debatte gab es erneut um den Vorwurf des Staatsvers­agens und des rechtsfrei­en Raums in der LEA. Diesen hatten FDP und AfD erhoben. Die grün-schwarzen Regierungs­fraktionen, die opposition­elle SPD wie auch Minister Strobl wehrten sich dagegen und deuteten den Vorwurf des Staatsvers­agens als Kritik an der Polizei. Das wies FDPMann Goll weit von sich. „Jeder, der hier Fragen stellt, kritisiert gleich die Polizei. Hinter dem Argument kann man sich verschanze­n“, kritisiert­e er.

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FOTO: DPA Die Bilanz des Einsatzes in der LEA vom 3. Mai laut Innenminis­ter Strobl: sieben Verhaftung­en.

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