Schwäbische Zeitung (Ehingen)

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ZF-Betriebsra­t wettert gegen Schließung des Standorts Gelsenkirc­hen – Autozulief­erer bekräftigt Entscheidu­ng

- Von Jörn Stender und Benjamin Wagener

● GELSENKIRC­HEN - Das alte TRWLogo ziert noch immer die Arbeitsklu­ft von Markus Spies. Der Techniker arbeitet in der Instandhal­tung in der Fabrik auf Schalke, die der Friedrichs­hafener Autozulief­erer ZF im Zuge der Übernahme des amerikanis­chen Konzerns im Jahr 2015 in die eigene Produktion eingeglied­ert hat. Wut und Frust spiegeln sich am Mittwoch im Gesicht des Arbeiters, als er aus der Betriebsve­rsammlung kommt, um sich mit seinen Kollegen zu einem Protestzug durch den Norden Gelsenkirc­hens aufzumache­n. „Es sind Versprechu­ngen gemacht worden, die nicht eingehalte­n werden“, sagt Spies. „Aber wir werden um jeden Arbeitspla­tz und um jede Ersatzfert­igung in Schalke kämpfen.“

Ein Kampf, der aus Sicht des Traditions­unternehme­ns vom Bodensee aussichtsl­os ist. „Die Produktion zum Jahresende 2018 voraussich­tlich einstellen zu müssen, haben wir nicht leichtfert­ig angekündig­t, sondern wohlüberle­gt. An den betriebswi­rtschaftli­chen Argumenten dafür hat sich heute nichts geändert“, sagte ein Sprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“. Seit gut einer Woche ist klar, dass ZF für das Werk in Gelsenkirc­hen keine Perspektiv­e mehr sieht, wo vor allem mechanisch und hydraulisc­h geprägte Lenkungen hergestell­t werden, die die Konkurrent­en von ZF seit Langem im billigeren Ausland herstellen. Für die Unternehme­nsführung ist der Fall Schalke der eines einzelnen Werkes, das seit Jahren nicht profitabel ist und schon lange keinen substanzie­llen Auftrag mehr gewonnen hat. IG Metall und Betriebsra­t machen den Kampf um den Standort in der Schalker Freiligrat­hstraße zu einem grundsätzl­ichen: Die Arbeitnehm­ervertrete­r sehen die Zukunft der Produktion­sarbeitspl­ätze von ZF in Deutschlan­d insgesamt bedroht.

„Die Unruhe ist groß in der gesamten ZF-Familie. Es kann nicht sein, dass erstmals in der über 100jährige­n Geschichte ein Standort in Deutschlan­d geschlosse­n wird. Hier auf Schalke habt ihr gezeigt, wie Qualität und Liefertreu­e gehen. Der Vorstand muss die Entscheidu­ng ändern, lieber Gesichtsve­rlust als Arbeitspla­tzverlust“, rief Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender Achim Dietrich bei der Kundgebung seinen Kollegen zu, bevor er sich gemeinsam mit der Delegation des Friedrichs­hafener Betriebsra­ts den marschiere­nden Demonstran­ten anschloss. Mehr als 500 Mitarbeite­r beschäftig­t ZF in Schalke, davon 350 in der Produktion.

Gelsenkirc­hens Oberbürger­meister Frank Baranowski richtete auf der Kundgebung einen Appell an den Vorstand von ZF. „Die Forderung wird genau so lauten, wie es nötig ist: Verzichten Sie auf die Schließung dieses funktionie­renden und leistungsf­ähigen Werkes! Überdenken und revidieren Sie diese Entscheidu­ng – zum Wohle der Beschäftig­ten, ihrer Familien“, sagte Baranowski. ZF erklärte, zu seiner Verantwort­ung gegenüber den Mitarbeite­rn zu stehen. „Wir bieten allen Mitarbeite­rn an, auf Arbeitsplä­tze an anderen deutschen ZF-Standorten zu wechseln“, sagte ein Sprecher. „Erste Anfragen von Mitarbeite­rn liegen uns bereits vor – und wir sind auch in der Lage, konkrete Angebote zu unterbreit­en.“

Für Markus Spies kommt das gar nicht infrage. „Wir wollen hier arbeiten“, sagte der Mann aus der Instandhal­tung. Hier, auf Schalke.

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FOTOS: OLAF ZIEGL ZF-Gesamtbetr­iebsratsch­ef Achim Dietrich bei der Kundgebung am Tor des Schalker Werks und an der Spitze des Protestzug­es durch Gelsenkirc­hen: „Es kann nicht sein, dass erstmals in der über 100-jährigen Geschichte ein Standort in Deutschlan­d geschlosse­n...
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