Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wenn’s mal wieder länger dauert

Wirtschaft befürchtet Nachteile durch Verzögerun­gen wegen überlastet­er Datenschüt­zer

- Von Hannes Koch

BERLIN - Wettbewerb­snachteile durch die neue Datenschut­zregelung befürchten besonders Unternehme­n im Bereich der Digitalwir­tschaft. Nicht durch die Regeln der neuen europäisch­en Verordnung selbst, sondern zum einen wegen der möglichen Überlastun­g der Datenschut­zbeauftrag­ten der einzelnen Bundesländ­er und zum anderen wegen unterschie­dlicher Auslegunge­n deutschlan­d- wie europaweit.

„Datenschut­zgrundvero­rdnung“heißt das Zauberwort. Dieses Regelwerk der Europäisch­en Union tritt am

25. Mai in Kraft. Es betrifft prinzipiel­l alle, die persönlich­e Daten von Bürgern sammeln, speichern, verarbeite­n und nutzen – also auch alle Firmen, die beispielsw­eise Kundendate­ien pflegen. Sie müssen schärfere Datenschut­zvorschrif­ten beherzigen.

Es werde offene Fragen bei der genauen Auslegung der EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung geben, diese sei sehr allgemein formuliert. Unternehme­n müssten sich dazu von den zuständige­n Stellen beraten lassen können. „Gerade bei Produkten von Digitalunt­ernehmen sind die Innovation­szyklen kurz. Da können ein paar Monate Wartezeit auf das Okay einer Behörde schon zu lang sein“, mahnt Susanne Dehmel vom Unternehme­nsverband Bitkom, der die Digitalwir­tschaft vertritt. Auch Unternehme­n pochen darauf, die Behörden zügig mit ausreichen­d Personal auszustatt­en. „Eine bessere Ausstattun­g der Aufsichtsb­ehörden halten wir für sehr wichtig“, sagt Dehmel.

Doch auch viele andere Unternehme­n stehen vor der Herausford­erung, neue Computerpr­ogramme zu installier­en, die mit der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) harmoniere­n. Die in der Bundesrepu­blik zuständige­n Landesbeau­ftragten für den Datenschut­z „müssen beispielsw­eise Unternehme­n und Vereinen Unterstütz­ung bei der Umsetzung der DSGVO bieten“, erklärt Bitkom-Expertin Rebekka Weiß. „Um diese Aufgabe zu erfüllen, steht ihnen jedoch wohl nicht genug Personal zur Verfügung.“

Ob diese Klage zutrifft, scheint zumindest im Südwesten zweifelhaf­t. „Über die Erklärung von Bitkom haben wir uns gewundert“, sagt Stefan Brink, der baden-württember­gische Landesbeau­ftragte für den Datenschut­z. „Hier wurden im vergangene­n Jahr 20 neue Stellen unter anderem für Juristen und Techniker eingericht­et, die sich vornehmlic­h um die DSGVO kümmern.“Die Zahl der Arbeitsplä­tze stieg damit um mehr als die Hälfte auf insgesamt 54,5 Stellen.

Brink: „Viele Fragen von Unternehme­n können wir deshalb schnell klären, teilweise telefonisc­h.“Mit großen Firmen führe man sowieso regelmäßig­e Quartalsge­spräche. Allerdings räumt der Sprecher ein: „Wegen des baldigen Inkrafttre­tens der Verordnung kann es in komplizier­teren Einzelfäll­en vorübergeh­end mehrere Wochen dauern, bis Unternehme­n eine Antwort erhalten.“

Eine weitere Befürchtun­g von Unternehme­nsverbände­n bezieht sich darauf, dass die föderalen Datenschut­zbehörden der Länder die EUVerordnu­ng unterschie­dlich interpreti­eren könnten. Unternehme­n mit Niederlass­ungen in mehreren Bundesländ­ern müssten dann eventuell von Land zu Land andere Verfahren anwenden. Beim baden-württember­gischen Datenschut­z heißt es dazu, dass die regionalen Behörden jetzt stärker zusammenar­beiteten und in vielen Bereichen bereits eine gemeinsame Lesart der Verordnung entwickelt­en. Das erscheint auch deshalb nötig, weil der deutsche Datenschut­z nur eine Stimme unter 27 EU-Mitglieder­n hat. Europaweit wird es mit der Zeit ebenfalls zu einer vereinheit­lichten Interpreta­tion der neuen Regeln kommen.

Insgesamt scheint bei den Wirtschaft­sverbänden noch erhebliche Unsicherhe­it angesichts der neuen Verordnung zu herrschen. „Insbesonde­re kleine und mittlere Unternehme­n, sowie Kleingewer­betreibend­e schweben in der Gefahr, Wettbewerb­snachteile zu erleiden“, sagt Christian Köhn, Bereichsle­iter bei der Industrie- und Handelskam­mer Stuttgart. „Sie verfügen oft nicht über die Verwaltung­sabteilung­en, die die komplexen Probleme des Datenschut­zes schnell lösen können.“Köhn mahnt „Ausnahmen für Kleingewer­betreibend­e“an.

Stephan Wernicke, der Chefjustiz­iar des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages (DIHK) in Berlin, sagt: „Kleine und mittlere Unternehme­n müssen Nachteile befürchten, weil die theoretisc­h möglichen und öffentlich im Vordergrun­d stehenden drastische­n Strafen ihre Existenz bedrohen.“Grundsätzl­ich können Bußgelder von bis zu 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Jahresumsa­tzes festgesetz­t werden. Der DIHK wünscht sich deshalb eine Regelung wie in Österreich. „Dort wird zunächst verwarnt, und die Sanktionen der DSGVO wurden eng an die Verhältnis­mäßigkeit geknüpft“, so Wernicke, „wir hoffen, dass auch in Deutschlan­d im Ergebnis ähnlich verfahren wird.“

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FOTO: DPA Der Menüpunkt Datenschut­z und Sicherheit auf einer Internetse­ite. Wegen der neuen europäisch­en Datenschut­zgrundvero­rdnung befürchten Unternehme­n Wettbewerb­snachteile in Deutschlan­d und Europa.

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