Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die ideale Projektion­sfläche

Warum die Deutschen sich so sehr für das britische Königshaus begeistern

- Von Christiane Laudage

LONDON (KNA) - Millionen Menschen rund um den Globus werden am Samstag einschalte­n, wenn sich Prinz Harry und Meghan Markle das Jawort geben. Die Faszinatio­n für die Royals ist ungebroche­n.

Die Queen kann eigentlich sehr zufrieden sein. Sie erfreut sich mit 92 Jahren einer robusten Gesundheit, ihr Ehemann Philip hat mit 96 Jahren noch gut eine Hüftoperat­ion überstande­n, sie ist wieder Urgroßmutt­er geworden und ihr Enkel Harry heiratet in wenigen Tagen. Also keine dunklen Wolken am Horizont, dafür jede Menge schöne Bilder und positive Schlagzeil­en. Aber woher kommt die Faszinatio­n für das britische Königshaus?

„Die Royals bieten uns stellvertr­etend Themen und Probleme, mit denen wir uns identifizi­eren können – oder die uns zum Abgrenzen reizen. Also entweder: Oh, das ist ja bei denen wie bei mir. Oder: Deren Probleme müsste man haben! Ich glaube, es ist in erster Linie eine Neugier an Menschen, die einen Sonderstat­us haben dank ihrer Geschichte und Traditione­n“, erklärt der Journalist Tim Schleider. In seinem Buch „Royals“geht er der Faszinatio­n an den gekrönten Häuptern dieser Welt nach. Die königliche Familie als Projektion­sfläche für uns alle? Ja, meint Schleider, denn: „Es gibt die allmächtig­e, schon seit ewig regierende Großmutter, die Queen, es gibt die mittlere Generation ihrer Kinder, deren Ehen fast alle gescheiter­t sind, und dann ist da die junge strahlende Generation der Enkel, die ihr Leben scheinbar gut im Griff haben.“

Davon konnte man sich gerade erst überzeugen, als Prinz William und seine Frau zum dritten Mal Eltern wurden. Glücklich präsentier­ten sie den kleinen Prinzen der Welt, um dann hinter den Mauern des Kensington Palastes zu verschwind­en.

Royal-Liebe trotz Brexit

Auch der Brexit kann das Interesse an den Royals nicht mindern. „Ich glaube, wir sind in Deutschlan­d immer noch sehr anglophil, obwohl der Brexit für uns eine traumatisc­he Erfahrung war“, meint Karina Urbach, eine deutsche Historiker­in, die lange Zeit in England studiert und gelehrt hat. Sie hat für deutsche wie englische Zeitungen und TV-Sender als Beraterin gearbeitet.

„Die Royals stehen offiziell über der Politik, also kann man sie – trotz Brexits – weiterhin lieben. Und dann wissen wir natürlich auch, wie deutsch die Wurzeln dieser Familie sind – die Royals sind nun mal die berühmtest­e Einwandere­rfamilie – aus Hannover und Coburg.“Im Gegensatz zu Celebritie­s, die sich in der Regel nur einer kurzen Berühmthei­t erfreuen, bringen die Royals eine Vergangenh­eit mit und haben eine Zukunft vor sich. Sie sind für das politische Geschehen immer noch von Bedeutung. „Ohne die Queen im Zentrum kann man das Staatswese­n Großbritan­niens nicht verstehen. Sie hat keine Macht, aber alle Institutio­nen des jahrhunder­tealten Parlamenta­rismus in England, das Unterhaus, das Oberhaus, beziehen sich auf die Queen – selbst die Post!“, erläutert Tim Schleider.

Deswegen hat auch die anstehende Hochzeit von Prinz Harry und der US-Schauspiel­erin Meghan Markle durchaus politische Bedeutung. „Bis ins 19. Jahrhunder­t waren royale Hochzeiten immer auch ein Mittel der Außenpolit­ik“, erklärt Karina Urbach. Noch Queen Victorias Mann Albert hoffte, mit der Heirat seiner Tochter Vicky 1858 eine Annäherung zwischen London und Berlin zu erzielen. „Heute ist es eher umgekehrt. Hochzeiten sind ein Mittel der Innenpolit­ik geworden. Die Monarchie will durch eine Hochzeit mit einer Bürgerlich­en Volksnähe und Modernität zeigen und natürlich vor allem gute Unterhaltu­ng bieten.“

 ?? FOTO: DPA ?? Niedlicher Nachwuchs: Prinzessin Charlotte und Prinz George werden als Brautjungf­er und Pagenjunge bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle dabei sein.
FOTO: DPA Niedlicher Nachwuchs: Prinzessin Charlotte und Prinz George werden als Brautjungf­er und Pagenjunge bei der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle dabei sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany