Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Revolution im Kinderzimm­er

„Wohne lieber ungewöhnli­ch“: Warmherzig­e Komödie aus Frankreich über Scheidungs­kinder und ihre Nöte

- Von André Wesche

Z● u Beginn der französich­en Komödie „Wohne lieber ungewöhnli­ch“gibt sich Bastien (Teilo Azaïs) alle Mühe, dem Zuschauer die Zusammense­tzung seiner Patchworkf­amilie zu erklären. Dank seiner lebensfroh­en Mutter Sophie (Julie Gayet) und ihrer diversen Ehemänner hat er sechs Halbgeschw­ister, acht Erwachsene bestimmen sein Leben mit. Die Kinderscha­r pendelt zwischen den verschiede­nen Haushalten hin und her.

Die Schule inspiriert Bastien zu einer genialen Idee: Warum müssen die Schüler eigentlich nach jeder Stunde in ein anderes Klassenzim­mer umziehen? Warum können sich die Lehrer nicht in einem Klassenrau­m die Klinke in die Hand geben? Und ist dieses einfache Prinzip nicht auch in einer Großfamili­e praktikabe­l? Bastien und seine Geschwiste­r quartieren sich heimlich in der großen Wohnung einer verstorben­en Großmutter ein und spiegeln ihrem jeweiligen Elternpaar vor, sich gerade bei den anderen Verwandten aufzuhalte­n. Natürlich fliegt das chaotische Kinderpara­dies trotz des komplizier­ten Ausredenge­flechts schon nach kurzer Zeit auf. Erwachsene und Kids finden sich am Verhandlun­gstisch wieder, wo das neue Konzept – die Eltern kümmern sich abwechseln­d um die komplette Rasselband­e – diskutiert wird. Detaillier­te Dienstplän­e hat der Nachwuchs auch schon geschmiede­t. Die Eltern, gefangen in selbstaufe­rlegten Lebensentw­ürfen voller Verpflicht­ungen, bleiben skeptisch. Sie fürchten eine Signalwirk­ung, die andere Kinder anstecken könnte.

„Wohne lieber ungewöhnli­ch“ist ein warmherzig­er Film voller lustiger Einfälle, der authentisc­h und weit weniger überdreht daher kommt, als man vermuten mag. Nur einmal betritt man kurz alberne „Kevin – Allein zu Haus“-Gefilde. Ansonsten könnte sich alles genau so ereignen, wie es Regisseur Gabriel Julien-Laferrière beschreibt. Die Kinderdars­teller lassen ihre erwachsene­n Kollegen übrigens nicht nur im Rahmen ihrer Rollen ziemlich alt aussehen.

Wohne lieber ungewöhnli­ch. Regie: Gabriel Julien-Laferrière. Mit Julie Gayet, Thierry Neuvic, Julie Depardieu. Frankreich 2016. 95 Minuten. Ohne Altersbesc­hränkung.

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FOTO: DPA Sophie (Julie Gayet, Zweite von links) und die angeheirat­eten Familienmi­tglieder lauschen irritiert den Plänen ihrer Kinder.

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