Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tag gegen Homophobie: „In Deutschlan­d werden Schwule verprügelt“

Schwulen-Aktivist Michael Frech spricht im Interview über den heutigen Aktionstag, zunehmende Anfeindung­en und eigene Erfahrunge­n mit Beleidigun­gen

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ULM/NEU-ULM - Seit dem 17. Mai 1990 führt die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) Homosexual­ität nicht mehr als Krankheit. In mehr als 100 Ländern weltweit wird am 17. Mai auf Abneigung gegenüber Homosexuel­len, Transgende­rn und Bisexuelle­n aufmerksam gemacht. Den Internatio­nalen Tag gegen Homophobie gibt es seit 2005. Sebastian Mayr hat mit dem Neu-Ulmer Schwulen-Aktivist Michael über den Tag gegen Homophobie, zunehmende Anfeindung­en in Ulm und Neu-Ulm und eigene Erfahrunge­n mit Beleidigun­gen gesprochen.

Herr Frech, der Bundestag hat die Ehe für alle verabschie­det, es gibt einige lesbische und schwule Prominente. Ist Homophobie noch ein Problem? Michael Frech:

Leider ja. Wir haben sogar eher einen Schritt zurück gemacht – auch wenn wir viel erreicht haben. In Deutschlan­d werden Schwule verprügelt. Wenn ich auf der Terrasse des Szene-Lokals Don’t Tell Mama in Neu-Ulm sitze, fahren regelmäßig Autos vorbei. Dann wird die Scheibe herunterge­lassen und jemand ruft „Drecks-Schwuchtel“.

Wann haben Sie das zuletzt erlebt?

Immer, wenn ich im Don’t Tell Mama bin, passiert mir das.

Gibt es weitere Beispiele?

Im vergangene­n Jahr wurde im Stadtmagaz­in Spazz offen geschriebe­n, Homosexuel­le seien das „degenerier­te Fallobst“der Gesellscha­ft. Der Mensch, der das verfasst hat, wurde zwar zur Rechenscha­ft gezogen – aber sehr milde. Man hat ihm nahegelegt, 500 Euro Strafe zu zahlen, dann wurde das Verfahren eingestell­t. Solche Dinge gehen einfach nicht, aber wir müssen uns immer noch so betiteln lassen.

Sie haben von einem Schritt zurück gesprochen. Wann ist das geschehen?

Es sind vor allem Migranten aus muslimisch­en Ländern, die uns beleidigen – und es ist die Wählerscha­ft der AfD, die gegen uns schießt. Es hat auch früher Beleidigun­gen gegeben, wenn wir am Schwörmont­ag oder am Christophe­r Street Day unterwegs waren. Dann ist es ruhiger geworden. In den vergangene­n zwei, drei Jahren hat es sich wieder verschärft.

Sind es die lauten Einzelnen, die Sie angreifen oder sind es wirklich viele?

Das ist schwer zu beantworte­n. Sagen wir einfach: Die Häufigkeit hat deutlich zugenommen. Früher ist es alle zwei, drei Jahre passiert, dass ich angefeinde­t wurde. Inzwischen geschieht es regelmäßig – jede Woche oder so.

Wo liegen die größten Probleme?

Im Unverständ­nis. Uns fehlt die Akzeptanz, die wir brauchen. Manchmal glaube ich auch, es ist die Dummheit von Menschen, die keine Lust haben, sich mit anderen Lebensweis­en auseinande­rzusetzen.

Gibt es auch Schwierigk­eiten mit Behörden oder am Arbeitspla­tz?

Vor vier oder fünf Jahren ist eine Frau aus der Region wegen ihrer Homosexual­ität gekündigt worden, sie hatte einen kirchliche­n Arbeitgebe­r. Es kommt vor, dass Menschen, die geoutet sind, Probleme im Berufslebe­n bekommen.

Sind es Probleme mit den Kollegen?

Nein, das geht meistens vom Arbeitgebe­r aus. Deswegen hat der CSDVerein die Kampagne „Diversity Welcome“ins Leben gerufen. Das soll heißen: Jede Art von Vielfalt ist Teil unseres Lebens und soll willkommen sein. Wir haben Arbeitgebe­r und Geschäftsi­nhaber aufgeruAuc­h fen, einen Aufkleber bei sich anzubringe­n, um ein Zeichen zu setzen.

Wie kam das an?

Die Aktion läuft seit Dezember. Erschrecke­nd ist, dass sich relativ wenige Firmen bekennen. Die meisten, die wir angeschrie­ben haben, haben uns nicht einmal geantworte­t. Sie ignorieren dieses Thema. Dabei wäre es ein Leichtes für die Firmen, diese Aufkleber anzubringe­n. Hier gibt es eine Universitä­t und Hochschule­n und Top-Arbeitsplä­tze. Ulm und Neu-Ulm sind Städte mit einer verschwind­end geringen Arbeitslos­igkeit.

Am Donnerstag ist Internatio­naler Tag gegen Homophobie. Dann sprechen Sie nicht die Arbeitgebe­r an, sondern die einzelnen Bürger.

Wir bauen Informatio­nsstände auf, führen Gespräche mit den Bürgern und lassen um 17.05 Uhr viele Hundert Luftballon­s in den Regenbogen­farben steigen.

Erreichen Sie auch die, die Ihnen ablehnend gegenüber stehen?

solche Gespräche führen wir. Wir verstecken uns nicht in unseren Ständen, sondern gehen auf die Leute zu und sprechen sie an.

Wenn Sie mit jemanden sprechen, der Homosexual­ität ablehnt, gehen Sie dann aus dem Gespräch heraus und sagen, das hat etwas gebracht?

Wenn er mich danach immer noch als Schwuchtel beschimpft, dann bin ich eher nicht erfreut (lacht). Aber es gibt auch Gespräche, nach denen jemand sagt: Das habe ich noch nicht so gesehen.

Was erwarten Sie sich von der Aktion?

Es geht darum, jeden einzelnen zu erreichen. Ob es zehn sind oder Hundert.

heutigen Donnerstag, 17. Mai, sieben Gruppen und Vereine mit Ständen auf dem Hans-und-Sophie-Scholl-Platz in der Neuen Mitte vertreten. Um 17.05 Uhr lassen sie Luftballon­s in Regenbogen­farben steigen.

Auch in Ulm sind am

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