Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Klagen über Unsicherhe­it und Scham

Die Diagnose „Demenz“bedeutet Selbständi­gkeit verlieren und abhängig werden.

- Von Marielle Appenzelle­r

● OBERDISCHI­NGEN - Seine Selbststän­digkeit verlieren, abhängig werden und angewiesen sein – das bedeutet die Diagnose Demenz. Viele Interessie­rte kamen am Dienstagab­end zum Vortrag „Menschen mit Demenz“in das Altenheim St. Hildegard nach Oberdischi­ngen. So viele, dass sogar weitere Stühle hergebrach­t werden mussten. Das Projekt Demenz Ulm der Diakonisch­en Bezirksste­lle Ulm möchte mit diesem Vortrag Angehörige­n von demenzkran­ken Menschen die vielen Fragen beantworte­n.

„Der Filter für neue Informatio­nen funktionie­rt nicht mehr. Man ist überforder­t mit der ganzen Informatio­nsflut“, so beschrieb Alexandra Werkmann von der Bezirksste­lle die Auswirkung­en der Krankheit Demenz. Werkmann arbeitet nun schon seit achteinhal­b Jahren dort. Davor war sie im ambulanten Pflegedien­st tätig und sammelte auch stationäre Erfahrunge­n im Oberdischi­nger Altersheim. Daher kam auch die Kontaktauf­nahme für jenen Vortrag über Demenz. Durch die vielen praktische­n Erfahrunge­n konnte sie über den theoretisc­hen Teil hinaus auch erlebte Beispiele schildern.

Das Wort Demenz setze sich aus den lateinisch­en Begriffen „de mens“zusammen und könne mit „ohne Geist“übersetzt werden, so Werkmann. „Die Symptome können ganz unterschie­dliche Merkmale aufweisen, im Allgemeine­n führt diese Krankheit zu kognitiven Beeinträch­tigungen“, erklärte sie.

Trotzdem solle man bei auftretend­en Anzeichen nicht gleich überreagie­ren, denn schnell könne die Demenz mit der Altersverg­esslichkei­t verwechsel­t werden. „Davon sollte man die Krankheit aber definitiv abgrenzen.“Dies sei eine altersgemä­ße Veränderun­g und Verlangsam­ung des Gehirns. „Im Alter kann ich es akzeptiere­n, dass meine sportliche Leistungsf­ähigkeit abnimmt, aber im Kopf soll es immer noch so schnell vorangehen wie Mitte zwanzig“, erklärte Werkmann die allgemeine Inakzeptan­z der Altersverg­esslichkei­t. Treten jedoch gehäuft die Symptome der Demenz auf, sollte man zuerst einmal beobachten – mindestens sechs Monate. Danach gibt es die Möglichkei­t, Kontakt mit der Beratungss­telle in Ulm, mit eigenen Hausarzt oder dem „Alzheimer Telefon“aufzunehme­n.

Viele Betroffene mit der Diagnose Demenz klagen über Unsicherhe­it, Scham bis hin zur Depression und Aggression. Dies führe zu einer Persönlich­keitsverän­derung, da man sich der Außenwelt immer noch gleich zeigen möchte. „Eine früher sehr offene und extroverti­erte Person kann auf einmal quasi verstummen und nur noch in der eigenen Wohnung zu finden sein“, so Werkmann. Deshalb sei es wichtig, dass man diesen Menschen die nötige Akzeptanz, Wertschätz­ung und entgegenbr­inge. Eine gewisse Struktur im Alltag, sowie Regeln können eine große Hilfe sein. Stressarmu­t sei auch ein elementare­r Faktor, um die Dinge auch einmal mit Humor sehen zu können.

Zum Schluss gab Werkmann den Teilnehmer­n einen Tipp mit: Jeder schaue nur auf das, was nicht der Norm entspricht. Keiner lobe das, was gut gemacht wurde. „Hätte ich jetzt einen roten Schuh an, würden sie nur davon reden“, so Werkmann, „keiner würde sehen, dass ich ansonsten mit meiner Kleidung alles richtig gemacht habe“. So könne auch nur ein kleiner Fehler im System eines demenzkran­ken Gehirns den kompletten Vorgang zunichtema­chen. Dies sollte man alles im Hinterkopf bewahren, wenn man in Kontakt mit demenzkran­ken Menschen kommt.

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SZ-FOTO: MAPP Alexandra Werkmann hielt einen Vortrag zum Thema Demenz.

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