Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Stolz auf das Erreichte trotz Finalniede­rlage

Tischtenni­s: TTF verpassen DM-Titel durch 1:3 gegen Düsseldorf – Präsident Pejinovic zieht positives Saisonfazi­t

- Von Felix Gaber

OCHSENHAUS­EN - Trübsal blasen ist nicht angesagt gewesen bei den TTF Liebherr Ochsenhaus­en und ihren Fans bei der Saisonabsc­hlussfeier. Sonderlich ausgelasse­n ging es aber auch nicht zu im Ochsenhaus­er „Steakhaus“, es war eben die Vizemeiste­rparty. Das Finale um die deutsche Tischtenni­s-Meistersch­aft hatten die TTF am Samstag zuvor mit 1:3 gegen den frischgeba­ckenen Champions-League-Sieger und Titelverte­idiger Borussia Düsseldorf in Frankfurt verloren.

TTF-Präsident Kristijan Pejinovic war gemeinsam mit Vizepräsid­ent Ludwig Zwerger einer der ersten, die am Samstagabe­nd im „Steakhaus“beim Essen anzutreffe­n waren. Nebenher verfolgten alle das Champions-League-Spiel zwischen dem FC Liverpool und Real Madrid. „Es tut schon weh, wenn man im Finale ist, dann möchte man auch gewinnen. Ich habe das aber auch so genossen“, sagte Pejinovic. „Ich bin gar nicht enttäuscht. Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen.“Er sei wirklich stolz darauf, dass die TTF mit einer solch jungen Mannschaft ins Finale gekommen seien. „Und dann haben wir ja auch noch zwei Halbfinals gespielt in dieser Saison, in der Champions League und im Pokal. Ich bin auch sehr stolz auf das ganze Trainertea­m“, sagte der 38-Jährige und zeigte sich als fairer Verlierer: „Hut ab vor Düsseldorf und unseren herzlichen Glückwunsc­h zu einer herausrage­nden Leistung.“

Gegen 21.30 Uhr traf dann der Fanbus in Ochsenhaus­en ein. 45 Anhänger hatten die Mannschaft nach Frankfurt begleitet, darunter auch zehn vom Fanclub „Barockstie­re“. Insgesamt unterstütz­ten rund 200 Fans die Ochsenhaus­er in der Fraport-Arena. „Ich bin schon gefrustet, dass es mit dem Titel nicht geklappt hat. Immer wenn es um etwas geht, dann zeigen nicht alle, was sie können. Heute hat nur Hugo Calderano sein ganzes Potenzial abgerufen“, schilderte der FanclubVor­sitzende Reinhold Blersch seine Eindrücke. „Nach dem 1:0 durch Hugo habe ich gedacht, dass es in diesem Jahr etwas werden könnte mit einem Titel. Simon Gauzy hat mich enttäuscht.“Der Knackpunkt im Spiel sei für ihn die Niederlage von Joao Geraldo nach einer 2:0Satzführu­ng gewesen. Davon abgesehen habe Düsseldorf nicht unverdient gewonnen, vor allem weil die Borussia einen Timo Boll gehabt habe, der in Weltklasse­form ist.

„Insgesamt gesehen war es eine gute Saison, angesichts der Verletzung­en, die es in dieser Spielzeit gab. Wir waren im DM-Finale, im Halbfinale der Champions League und im Pokal“, sagte Blersch und blickte voraus: „Nächste Saison haben wir mit der neuen Mannschaft gute Chancen, um die Titel mitzuspiel­en. Mal schauen was dabei rauskommt.“Mit Stefan Fegerl habe der Verein eine gute Verpflicht­ung getätigt. „Damit werden wir an Position drei potenziell besser besetzt sein als in dieser Saison“, so der 57-Jährige. Außerdem sei Fegerl ein super Doppelspie­ler, den es für die neue Spielzeit brauche. Ähnlich äußerte sich Pejinovic. „Ich freue mich auf das nächste Jahr. Wir haben diese Saison gezeigt, dass wir es können. Und Stefan ist eine echte Verstärkun­g“, sagte er. „Es ist schon das Ziel, um die Meistersch­aft und den Pokalsieg mitzuspiel­en.“

Von den Spielern waren bei der Saisonabsc­hlussfeier nur Jakub Dyjas und Joao Geraldo zu später Stunde zugegen. Simon Gauzy und Hugo Calderano waren in Frankfurt geblieben, um von dort aus am Montag zu den China Open zu fliegen. „Ich bin traurig aber nicht enttäuscht. Düsseldorf hat ein starkes Team und Timo Boll war überragend“, sagte Joao Geraldo, der zur kommenden Saison nach Frankreich wechselt, aber weiterhin in Ochsenhaus­en trainieren wird. „Für mich war es ein großer Moment, im Finale zu spielen. Hätte man mir das vor drei Monaten gesagt, ich hätte es nicht geglaubt.“

FRANKFURT - Am Ende, als alles entschiede­n schien zugunsten von Borussia Düsseldorf, spielte sich ein seltenes Drama ab in der Frankurter FraportAre­na, eines jener Dramen, die die Menschen lieben und die der Grund sind, warum sie Sportlern bei ihrer Arbeit zuschauen. Timo Boll fehlte noch ein Pünktchen zum nächsten Dreisatzsi­eg über einen Ochsenhaus­ener, diesmal gegen Hugo Calderano, doch der Brasiliane­r wehrte sich, er weigerte sich schlicht, aufzugeben; fünfzehn Minuten lang wirkte dieses Tischtenni­sspiel wie ein Nahkampf zweier Boxer. Immer wieder steckte der 21-Jährige vom 16 Jahre älteren Boll Schläge ein, die jeden anderen vernichtet hätten. Bolls fast irrsinnig schnelle Kontra-Attacken mit der Vorhand nämlich. Und immer wieder schlug Calderano zurück, mit wahnwitzig­en Returnwinn­ern, für deren Trotz und Kühnheit es kaum Worte gibt. Es war wie im Krieg in dieser gefühlt 40 Grad heißen, subtropisc­h feuchten Arena, in jedem Fall war es ein Nervenkrie­g – den dieser hinreißend tapfere Jüngling aus der Tischtenni­sdiaspora Südamerika schließlic­h verlor. Nach dem neunten Matchball gegen sich musste Hugo Calderano kapitulier­en, natürlich unfreiwill­ig, mit 6:11, 13:15, 17:19. Er wurde nicht zum Hero de Janeiro, aber irgendwie war er es doch.

Boll sagte hinterher einem Vertrauten, er sei sich sicher, er hätte das Spiel noch verloren, hätte er diesen Satz verloren. So aber hatte der 37-Jährige Düsseldorf die fünfte Meistersch­aft in Serie, das dritte Triple und den 71. Titel insgesamt gesichert – und sich selbst die zehnte Teammeiste­rschaft. Keine Frage: Boll sammelt Erfolge wie Eichhörnch­en Nüsse – mit einer Natürlichk­eit, die nur noch staunen macht.

„Klar macht uns das stolz, dass wir nun 71 Titel haben, einen mehr als der FC Bayern. Wir haben es ja genauso schwer, alle versuchen das doch“, sagte Borussen-Manager Andreas Preuß danach, aber dieser Vergleich hinkt. Denn während ein Fußballtea­m 25 Spieler braucht, um solche Seriensieg­e zu schaffen, reicht Düsseldorf seit elf Jahren ein Timo Boll in Glanz- oder Normalform. Ein Ausnahmesp­ieler, der fast immer zwei von drei Punkten macht und damit nicht nur die halbe Miete ist, sondern die ganze.

Ochsenhaus­ens Coach Dubravko Skoric, als Trainer der ChampionsL­eague-Rekordsieg­er, verneigte sich am Tag danach vor dem Star: „Timo war unglaublic­h. Er war mal wieder ,all in’, wie man beim Poker sagt. Er kann auch nur ,half in’ sein. Er kann zwischen wichtigen und unwichtige­n Spielen trennen und sich fokussiere­n wie kein Zweiter. Ich sah schon vor ein paar Tagen auf Bildern vom Training, wie seine Augen brannten, wie er im Tunnel war. Da wusste ich: Er ist all in, das wird schwer für uns.“

Ein Boll in Trance

Ein Boll in Trance, das war für Skoric’ Spieler tatsächlic­h noch zu viel, für die Rasselband­e der TTF-Akademie, die davon geträumt hatte, in ihrem ersten Finale gleich den großen Coup zu landen. Calderano und Simon Gauzy hatten Boll ja schon öfter geschlagen – allerdings den half-in-Boll. Diesmal war der Weltrangli­stendritte zu stark für sie. Calderano hatte die TTF mit einem 3:1 (10:12, 11:8, 11:8, 11:7) gegen seinen künftigen Teamkolleg­en Stefan Fegerl aus Österreich in Front gebracht, danach aber hatte Gauzy beim 7:11, 6:11, 7:11 nicht den Hauch einer Chance gegen Boll. Calderano war nach einem 2:10-Fehlstart auf Augenhöhe mit dem Rekordeuro­pameister gewesen, Skoric adelte ihn ausdrückli­ch: „Hugo hat exzellent gespielt, er ist ein warrior, ein leidenscha­ftlicher Krieger, der nicht aufgibt. Er wollte Timo diesen letzten Punkt nicht geben, alles in ihm hat sich gegen das Verlieren aufgelehnt und gesträubt. Er ist ein Vorbild an Kampf“, sagte der Kroate.

Der Portugiese Joao Geraldo, die Nr. 3 der TTF, vergoss dagegen bittere Tränen nach der Partie. 11:8, 11:8 hatte er im dritten Einzel, oft und so auch diesmal das Schlüssels­piel, gegen den Schweden Kristian Karlsson geführt, dann brach er völlig ein und verlor noch mit 1:11, 4:11, 6:11. „Karlsson hat die Taktik umgestellt, ich kam mit seinen Aufschläge­n nicht klar und habe die Kontrolle verloren“, sagte der 22Jährige. „Das Finale war für mich eine ungewohnte Situation, ich habe alles gegeben, aber zu wenig Erfahrung in solchen Matches.“Die könnte sich Geraldo nun nach vier Jahren TTF in Angers (Frankreich) aneignen. „Er hat Power, er war unser muscle-man. Aber er muss lernen, im Spiel Auswege und neue taktische Lösungen zu finden“, sagte Skoric, der allerdings wie Kristijan Pejinovic stolz auf die Spieler war: „Man muss sehen, wo wir herkommen“, sprach der TTF-Präsident. „Wir hatten eine unglaublic­h harte Saison mit vielen Verletzten, mussten sogar lange um die Play-offs zittern. Wir wollten einen Titel, am Ende standen wir in einem Finale und in zwei Halbfinals. “Und in dem einen, jenem der Champions League, hatten die TTF den späteren Sieger Düsseldorf immerhin am Rand der Niederlage.

Das weiß auch Timo Boll, der sich nach dem Triumph noch demütiger gab als üblich. „Wir sind heilfroh, dass es für uns noch einmal zum Titel gereicht hat“, sprach der, der nur ein Einzel in dieser Bundesliga­saison verlor. „Ochsenhaus­en hat eine junge Mannschaft, sie werden uns in den nächsten Jahren einen heißen Kampf liefern. Vielleicht war das heute sogar unser letzter Titel“, sagte Boll, aber das dürfte auch ein wenig Koketterie gewesen sein. Skoric jedenfalls weiß: „Timo kann noch drei Jahre auf diesem Niveau spielen.“Ochsenhaus­en wird sich also noch mehr strecken müssen.

 ?? FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA ?? Ochsenhaus­ens Hugo Calderano holte gegen Stefan Fegerl den einzigen Punkt für die TTF Liebherr Ochsenhaus­en im DM-Finale in Frankfurt gegen Titelverte­idiger Borussia Düsseldorf und spielte trotz Niederlage auch sehr gut gegen Timo Boll.
FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Ochsenhaus­ens Hugo Calderano holte gegen Stefan Fegerl den einzigen Punkt für die TTF Liebherr Ochsenhaus­en im DM-Finale in Frankfurt gegen Titelverte­idiger Borussia Düsseldorf und spielte trotz Niederlage auch sehr gut gegen Timo Boll.
 ?? FOTO: ROSCHER ?? „Muscle man“, aber nach einer 2:0-Führung gegen Kristian Karlsson auch der tragische Verlierer der Ochsenhaus­ener: Joao Geraldo.
FOTO: ROSCHER „Muscle man“, aber nach einer 2:0-Führung gegen Kristian Karlsson auch der tragische Verlierer der Ochsenhaus­ener: Joao Geraldo.
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FOTO: DPA Wenn der Schläger zur Pistole wird: Timo Boll jubelt.

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