Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Auch nach 125 Jahren fehlt es nicht an „geneigten Aufträgen“

Die Kässbohrer Trailer Ulm GmbH hält in Achstetten den unternehme­rischen Geist des Firmengrün­ders am Leben

- Von Reiner Schick

ACHSTETTEN - Im Jahr 1893 gründete Wagnermeis­ter Karl Kässbohrer seine Wagenfabri­k in Ulm. Dass der Firmenname auch heute, nach 125 Jahren, noch Bestand hat, dafür sorgt unter anderem die Kässbohrer Trailer Ulm GmbH mit Sitz in Achstetten. Diese feiert das Jubiläum mit einem zweitägige­n Fest am 13. und 14. Juni in Achstetten.

Als der damals 28-jährige Karl Heinrich Kässbohrer in einer Anzeige im „Ulmer Tagblatt“vom 5. September 1893 die Eröffnung seines Wagner-Geschäfts feierlich kundtat, sich zum „Anfertigen von Chaisen und Wagen jeder Art, desgleiche­n in allen vorkommend­en Reparature­n“empfahl und „geneigten Aufträgen“entgegensa­h – da ahnte er wohl noch nicht, dass die Idee und der Name seines gerade aus der Taufe gehobenen Familienun­ternehmens mehr als 100 Jahre lang währen würden. Die Motorisier­ung kam zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts dieser Zeit immer mehr in Schwung. Davon profitiert­e natürlich auch die Firma Kässbohrer, die sich zu einem bedeutende­n Hersteller von Fahrzeugen aller Art entwickelt­e. Bald trugen viele Autokaross­erien, mit der Zeit aber vor allem Busse, Anhänger, Sattelaufl­ieger und später auch Geländefah­rzeuge das renommiert­e Markenzeic­hen „K“.

Dem zwischenze­itlichen Zusammenbr­uch während des Zweiten Weltkriege­s zum Trotz – 80 Prozent der Ulmer Werksanlag­en waren am Kriegsende zerstört –, knüpften die Karl Kässbohrer Fahrzeugwe­rke bald an die alten Erfolge an und wuchsen bis zum Ende der 1980erJahr­e mit rund 9000 Beschäftig­ten zur zweitgrößt­en GmbH in Deutschlan­d an. Die Globalisie­rung und die daraus resultiere­nde große internatio­nale Konkurrenz, aber auch die wirtschaft­liche Rezession leiteten dann jedoch den Niedergang des Unternehme­ns ein. 1993, nach genau 100 Jahren, begann die Auflösung des Konzerns. Nach der Geburtstag­sfeier teilte sich Kässbohrer in verschiede­ne Unternehme­n, welche die einzelnen Branchense­gmente bedienen konnten. Unter anderem kaufte die Daimler Benz AG die Bus-Sparte Setra auf, die seither unter Evobus firmiert. Die Pistenbull­ys wurden 1994 in die eigenständ­ige Kässbohrer Geländefah­rzeug GmbH (ab 1998 AG) mit Sitz in Laupheim ausgelager­t. Die Brüder Heinrich, Ulrich und Otfried Kässbohrer kauften 1995 das österreich­ische Werk in Eugendorf bei Salzburg zurück und gründeten dort die Kässbohrer Transport Technik GmbH – das einzige Kässbohrer-Unternehme­n, das noch in Familienbe­sitz ist.

Zurück in die Heimat

Die Sparte Sattelaufl­ieger/Anhänger ging im Jahr 2002 an den türkischen Konzern Tirsan mit Werken in Goch (Nordrhein-Westfalen) und im türkischen Adapazari, zugleich Sitz des Mutterkonz­erns, bei Istanbul. Die Tochterges­ellschaft in Goch, die Kässbohrer Fahrzeugwe­rke GmbH, pflegt seither das Erbe der Ulmer Firma, und vor knapp einem Jahr kam die Kässbohrer-Trailer Ulm GmbH mit Sitz in Achstetten hinzu. „Es war uns schon immer ein Anliegen, auch in die Heimat von Kässbohrer zurückzuke­hren“, sagt Erol Arslan, seit 1. März dieses Jahres Betriebsle­iter in Achstetten. Statt direkt in Ulm wurde man in Achstetten auf dem Gelände der früheren Firma Raizner Modulbau im Katzenwink­el fündig.

Dort und in Goch werden in der Türkei produziert­e Teile zu Sattelaufl­iegern unterschie­dlicher Art montiert. In Achstetten verlassen derzeit pro Monat rund 180 bis 200 Silos, Tanks, Tieflader für Auto- und Schwertran­sporte, Container, Kipper und andere Auflieger das Gelände zu Kunden in 55 Ländern weltweit. „Wir expandiere­n stetig. Unser Ziel sind 250 Auflieger im Monat“, sagt Arslan. Rund 20 Beschäftig­te kümmern sich in Achstetten um Verwaltung, Montage und Service. Produziert wird nicht nur auf Bestellung, sondern auch auf Vorrat. „Viele Kunden benötigen ganz schnell einen neuen Auflieger. Etwa 30 der rund 150 Fahrzeuge, die wir derzeit auf dem Gelände stehen haben, sind für den kurzfristi­gen Bedarf verfügbar“, erklärt der Betriebsle­iter. Auch Reparature­n und die TÜV-Abnahme können in Achstetten vorgenomme­n werden. Hierfür stehen unter anderem eine moderne Lackierhal­le und ein eigener Bremsprüfs­tand zur Verfügung. Auch ein Ersatzteil­lager gehört zur Ausstattun­g, „denn wir sind hier nicht nur Montage- und Kontrollst­andort, sondern auch Serviceste­lle“, sagt Erol Arslan.

Großen Wert legt man auf den Firmenname­n Kässbohrer und das Markenzeic­hen „K“, mit dem das Vermächtni­s des Firmengrün­ders und dessen unternehme­rischer Geist am Leben gehalten werden. Entspreche­nd groß gefeiert wird das 125-jährige Jubiläum am 13. und 14. Juni mit rund 200 geladenen Gästen. Erwartet werden neben Kunden und Lieferante­n, die sich bei einer kleinen „Innovation­smesse“den Besuchern präsentier­en, auch Vertreter von Politik und Wirtschaft­sverbänden.

In der Kategorie „Sicherheit“gewann die Kässbohrer Trailer Ulm GmbH den Innovation­spreis 2017. „Karl“, schreibt das Unternehme­n in einem geschichtl­ichen Abriss auf seiner Internetse­ite, „wäre stolz auf uns“.

Mehr Informatio­nen

zum Unternehme­n und zur Kässbohrer­Geschichte unter:

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FOTO: REINER SCHICK Rund 150 Sattelaufl­ieger unterschie­dlicher Art stehen auf dem Gelände im Achstetter „Katzenwink­el“für die Auslieferu­ng parat.
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FOTO: REINER SCHICK Der Achstetter Betriebsle­iter Erol Arslan vor einem genau 80 Jahre alten Kässbohrer-Kippanhäng­er, der zum Jubiläum restaurier­t werden soll.
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FOTO: REINER SCHICK Monteur Bülent Yigit ist einer von rund 20 beschäftig­ten in Achstetten.

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