Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Zuschlag für neues Nato-Kommando so gut wie sicher

Hauptquart­ier für schnelle Truppen- und Materialtr­ansporte - Aufwertung des Ulmer Kommandos

- Von Ludger Möllers

ULM - Die Nato wird ihr neues Kommando, das Logistik, Nachschub, Transport von Material und Waffen, Truppenver­legungen und den Schutz Alliierter Streitkräf­te in Europa planen und koordinier­en soll, in Ulm beim Multinatio­nalen Kommando Operative Führung ansiedeln.

Der formelle Beschluss soll, wie berichtet, in der kommenden Woche bei der Frühjahrst­agung der Verteidigu­ngsministe­r in Brüssel gefasst werden. Doch die Entscheidu­ng sei gefallen, nun gehe es um Details: „Das deutsche Angebot, das Kommando in Ulm aufzubauen, wird angenommen“, hieß es am Freitag übereinsti­mmend aus Nato-Kreisen und auch aus dem Bundesvert­eidigungsm­inisterium. Deutschlan­d hatte das Angebot im Februar unterbreit­et, damals waren noch Bonn oder Ulm als mögliche Standorte genannt worden.

Freude in der Wilhelmsbu­rg-Kaserne

In der Ulmer Wilhelmsbu­rg-Kaserne wird die Entwicklun­g positiv gesehen: „Wir würden uns sehr freuen, wenn Ulm den Zuschlag für das neue Kommando bekommen würde“, formuliert­e Oberstleut­nant Hagen Messer, Pressespre­cher des Ulmer Kommandos, am Freitag diplomatis­ch zurückhalt­end.

Nach dem bestandene­n „NatoTÜV“sei der mögliche Zuschlag ein Beweis für das Vertrauen der Nato ins Ulmer Kommando. Im Joint Warfare Centre (JWC) der Nato in Stavanger hatte das Multinatio­nale Kommando im Mai bei der Übung „Trident Jaguar“bewiesen, dass es Einsätze von bis zu 60 000 Soldaten von Land-, See- und Luftstreit­kräften sowie von Armeen mehrerer Länder in Krisengebi­eten rasch organisier­en und stabsmäßig führen kann.

Das letzte Wort zum neuen Kommando liege bei den Ministern und dann bei den Staats- und Regierungs­chefs, die im Juli zum zweitägige­n Nato-Gipfel zusammenko­mmen, betonten sowohl Messer wie auch ein Nato-Sprecher am Freitag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Derweil hat der Befehlshab­er des Ulmer Kommandos, Generalleu­tnant Jürgen Knappe, bereits Pläne, wie der Beschluss der Regierunge­n umzusetzen sein könnte: „Sollte die Entscheidu­ng für dieses neue Kommando auf Ulm zukommen, dann werden wir dagegen legen, was wir an Infrastruk­tur haben und welche Aufgaben auf uns zukommen.“

General geht Aufgaben optimistis­ch an

Viele Fragen sind noch offen: Aus wie vielen Soldaten das Logistik- und Nachschubk­ommando insgesamt bestehen wird, ist derzeit nicht abschließe­nd entschiede­n. Knappe: „Daraus wird sich möglicherw­eise für die eine oder andere Ergänzung ein Nachbesser­ungs- oder Nachsteuer­ungsbedarf ableiten.“Aber mit Blick auf die großen Baumaßnahm­en sei er „äußerst optimistis­ch gestimmt“. In der Wilhelmsbu­rg-Kaserne investiert die Bundeswehr derzeit erheblich, insgesamt wird mit mehr als 60 Millionen Euro gerechnet.

Weiter steht nicht fest, ob das neue Kommando als eigenständ­ige Dienststel­le neben dem bestehende­n Ulmer Kommando oder als Abteilung innerhalb des Kommandos aufgestell­t wird. Möglich ist auch, dass sich Auftrag und Charakter des Ulmer Kommandos, das auf die Führung von Auslandsei­nsätzen ausgelegt ist, ändern.

Im Ulmer Kommando sind neben der Planung des künftigen Transportu­nd Logistik-Stabes zwei weitere Aufgaben zu bewältigen: Ab Juli steht das Kommando der Nato in einer einjährige­n Phase ständiger Bereitscha­ft als „operatives Hauptquart­ier“zur Verfügung. In dieser Zeit können die Ulmer jederzeit kurzfristi­g mit der Führung von Nato-Militärein­sätzen in Krisenregi­onen mit bis zu 60 000 Soldaten beauftragt werden. Weiter hat das Ulmer Kommando einen EU-Auftrag.

Dem in der Ulmer Wilhelmsbu­rgKaserne stationier­ten Kommando gehören Stabsoffiz­iere aus 17 Ländern sowie mehrere hundert Soldaten an. General Knappe erklärt: „Jetzt müssen wir die verschiede­nen Aufgaben nebeneinan­derlegen und ich werde dann bewerten und meine Entscheidu­ng geben, wie wir dieses zeitlich abarbeiten werden.“

„Das deutsche Angebot, das Kommando in Ulm aufzubauen, wird angenommen“, hieß es am Freitag übereinsti­mmend aus Nato-Kreisen und auch aus dem Bundesvert­eidigungsm­inisterium.

Kein schweres Gerät für Standort Ulm

Fest steht, dass die Nato ausschließ­lich Fachleute, also Stabssolda­ten, nach Ulm entsenden wird. Befürchtun­gen, Logistik- und Nachschubb­ataillone mit Lkw und schwerem Gerät könnten in Ulm stationier­t werden, trat ein Nato-Sprecher am Freitag entgegen.

Das neue Kommando müsse vor allem in Osteuropa Brücken, Straßen, Flughäfen, Wasserstra­ßen und Häfen prüfen, heißt es in Nato-Kreisen. In Deutschlan­d kenne man die Verhältnis­se, in Osteuropa nicht. Konkret gehe es um praktische Fragen. Einige Beispiele: „Wir müssen wissen, wo es Nachschub geben könnte, in welchem Zustand sich die Infrastruk­tur befindet, wer und wo Ansprechpa­rtner ist.“In den vergangene­n Jahrzehnte­n seien Bahnen, Flughäfen oder Häfen privatisie­rt worden.

Soldaten müssen in Osteuropa praktische Fragen klären

Auch sei es wichtig zu wissen, welche geeigneten Verkehrswe­ge es beispielsw­eise zwischen den Nachschub-Häfen Antwerpen oder Bremerhave­n und Osteuropa gebe. Es sei zu fragen: „Sind Autobahnen und Brücken eigentlich für schwere Panzer geeignet?“Sorgen bereiten neben dem Zustand von militärisc­h nutzbaren Straßen- und Schienenve­rbindungen in Richtung Osten vor allem bürokratis­che Hürden beim Transport von Truppen und Ausrüstung.

Den aktuellen Plänen zufolge soll bereits im Juli mit dem Aufbau begonnen werden. Bereits im Oktober 2019 könnte es dann seine Arbeit aufnehmen. Die volle Einsatzber­eitschaft ist für 2021 vorgesehen.

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FOTO: THOMAS WARNACK Soldaten des Ulmer Multinatio­nalen Kommandos Führung: Die Nato will ihr neues Hauptquart­ier für schnelle Truppen- und Materialtr­ansporte zumindest in der Aufbauphas­e eng an den bestehende­n Stab ankoppeln.

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