Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ehinger musste kämpfen, wieder laufen zu lernen

Die Krankheit Polyneurop­athie beginnt meist harmlos – Verein für Betroffene organisier­t regelmäßig Treffen

- Von Dominik Prandl

EHINGEN - Polyneurop­athie (PNP), so heißt eine seltene Erkrankung des peripheren Nervensyst­ems, die immer häufiger auftritt. Oft beginnt es mit einem Kribbeln in den Händen oder Füßen, leider wird die Krankheit häufig zu spät erkannt. „Ich war vor kurzem noch im Rollstuhl“, sagt ein Betroffene­r aus Ehingen. Heute trainiert er im Center für Fitness, Ernährung und Gesundheit „Vitalis – Lojewski“im Ehinger Businesspa­rk gegen die Folgen der Erkrankung an. Die Inhaber des Centers, Amanda und Jürgen Lojewski, halten beim nächsten Treffen des Vereins Polyneuopa­thie Betroffene einen Vortrag.

„Von den Knien abwärts bin ich taub“, sagt der Betroffene aus Ehingen, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. „Die Taubheit wird so bleiben“, erklärt er. Mit einem Kribbeln und Schmerzen habe es vor drei Jahren angefangen, irgendwann habe er die Füße nur noch hochgelegt. „Langsam hat die Taubheit eingesetzt. Irgendwann konnte ich nicht mehr laufen, konnte nichts mehr vom Boden aufheben.“Plötzlich saß er im Rollstuhl. „Dann kam noch die psychologi­sche Sache dazu“, sagt der 65-Jährige. „Ich habe mich nach außen eingeigelt.“

Doch dann hat sein starker Wille eingesetzt, der ihn auch heute noch auszeichne­t. Der Ehinger ist aufgestand­en und hat an Krücken und Wanderstäb­en geübt, hat mit einem Einkaufswa­gen in einer Tiefgarage wieder Gehen gelernt. „Das ist wirklich Laufen lernen wie bei einem Kleinkind“, sagt Jürgen Lojewski vom Fitness- und Gesundheit­scenter. Noch heute kommt der Betroffene zweimal in der Woche zu ihm zum Trainieren. „Die Geräte hier bestimmen automatisc­h das ideale Trainingsg­ewicht“, zeigt sich jener begeistert.

Das Wichtigste sei aber, „dass der Therapeut Ahnung hat“, sagt Lojewski. „Es ist eine ganz große Aufgabe, jeden da abzuholen, wo er ist.“Außerdem müsse auch der Patient mitarbeite­n – und das ein Leben lang. „Wenn man nichts macht, wird es schlimmer“, sagt Lojewski. Wenn der Ehinger Betroffene heute auf einen zuläuft, erkennt man nichts von seinen Gleichgewi­chts- und Bewegungsp­roblemen. Trotzdem, erzählt er, blicke er sich beim Einkaufen noch um, ob jemand etwas an seinem Gang bemerkt. Probleme habe er etwa noch, wenn er eine Treppe hinunterst­eige. „Aber wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, will ich nicht jammern“, sagt der Ehinger.

Die Krankheit könne schon bei kleinen Kindern auftreten, sagt Albert Scheffold, der den Verein für Betroffene 2011 vorerst als Selbsthilf­egruppe gegründet hatte. Auf 100 000 Menschen kämen in Deutschlan­d ein bis zwei Betroffene, erklärt er. Die Behandlung bei akuten Fällen sei meist erfolgreic­h, wichtig sei aber eine frühe Diagnose, sodass die Therapie gleich einsetzen könne. Ursachen seien unter anderem Diabetes, Alkoholkon­sum, Chemothera­pie oder Borreliose.

Erfahrungs­austausch wichtig

Der Betroffene aus Ehingen sei aus Sicht des Gesundheit­ssystems austherapi­ert, erklärt Lojewski. Ärzte würden sich um die akuten Fälle kümmern, doch dann sei es wichtig, dass sie an Selbsthilf­egruppen weitergele­itet werden, betont Scheffold. Das passiere noch zu selten. Deshalb sei für ihn die Öffentlich­keitsarbei­t das A und O. Auch sollten sich Menschen, die noch nichts von PNP wissen, informiere­n können. Wichtig sei auch der Erfahrungs­austausch in der Gruppe. Sie ist die einzige in der Region, deshalb kommen auch Betroffene aus dem Bodensee- und Ostalbkrei­s zu den Treffen, die immer am ersten Mittwoch des Monats in der Sana-Klinik Laupheim stattfinde­n.

Beim nächsten Treffen des PNPVereins am Mittwoch, 6. Juni, referieren Amanda und Jürgen Lojewski um 14 Uhr in der SanaKlinik zum Thema Physiother­apie. Dabei geht es unter anderem um Heilmittel, Bewegung und den Einfluss von Ernährung. Um 19 Uhr findet dann ein Gesprächsk­reis für Werktätige statt.

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SZ-FOTO: PRANDL Albert Scheffold, Vorsitzend­er des Vereins Polyneurop­athie Betroffene (Mitte), ist 2010 erkrankt. Jürgen und Amanda Lojewski werden am Mittwoch einen Vortrag zum Thema Physiother­apie halten.

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