Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gerollt oder gebunden: Aegis verleiht Büchern ihre Würde

Traditions­buchhandlu­ng unter neuer Leitung

- Von Ludger Möllers

ULM - „Und dann habe ich nachts mit der Buchhandlu­ng gesprochen!“Rasmus Schöll erweckt nicht den Eindruck, als sei er besonders abgehoben oder esoterisch. Wenn der 31jährige Buchhändle­r aber von der Übernahme der Buchhandlu­ng Aegis an der Ecke Hafengasse / Breite Gasse in der Ulmer Innenstadt berichtet, dann gerät er ins Schwärmen: Am 1. Juni hat Schöll das 1946 gegründete Unternehme­n von Ernst Joachim Bauer übernommen, der die Filiale in Laichingen weiterhin führen will. Zwei Wochen lang wurde renoviert, gemalert, lackiert und verlegt. Schöll, der trotz rückläufig­er Umsätze auf das Buch vertraut, erinnert sich: „Und als dann alle Bücher weg waren, habe ich der Buchhandlu­ng gesagt: Sei nicht traurig, die Bücher kommen wieder!“

Heute erstrahlt das Ladenlokal in neuem Glanz, es hat aber seinen Charakter und seinen Charme komplett bewahrt, die Regale sind wieder bestückt. Ausgewählt­e Bücher (Schöll: „95 Prozent davon haben wir selbst gelesen!“) präsentier­en der neue Inhaber und seine drei Angestellt­en, der Schwerpunk­t liegt auf Romanen, Geschichte, Philosophi­e und Kinderbüch­ern.

Treffpunkt für Literaturf­reunde

„Wir wollten ein Literaturh­aus, einen Treffpunkt für Literaturf­reunde aufbauen“, sagt Schöll. Mit „wir“meint er seinen Geschäftsp­artner Florian Arnold: „Wir haben uns mehr oder weniger zufällig getroffen und am ersten Abend unserer Bekanntsch­aft das Konzept entworfen, wie wir es heute umsetzen.“

Schöll und Arnold wollen „das Leben eines Buches vom Anfang bis zum Ende“gestalten: Daher haben sie neben der Buchhandlu­ng und dem Antiquaria­t einen Verlag gegründet, in dem die Bücher gut ausgestatt­et, perfekt gesetzt, fein illustrier­t werden: „Wir wollen dem Buch seine Würde zurückgebe­n.“Vier Titel erscheinen pro Jahr bei „Topolian und Milani“. Der wichtigste Absatzmark­t? „Österreich!“

Bei der Auswahl der Autoren orientiere­n sich Schöll und Arnold am legendären Verleger der Bücher Franz Kafkas, Kurt Wolff: „Man verlegt entweder Bücher, von denen man meint, die Leute sollen sie lesen, oder Bücher, von denen man meint, die Leute wollen sie lesen. Verleger der zweiten Kategorie zählen für uns nicht – nicht wahr?“Also verlegen Schöll und Arnold auch Stefan Zweig und verkaufen bis zu 3000 Exemplare.

Zurück in die Buchhandlu­ng Aegis. Beim Rundgang fallen dem Besucher Bücher auf Rollen auf – ähnlich einer Tora-Rolle in Synagogen. Mehr als ein Gag: „Wir müssen uns keine Seitenzahl­en merken, nicht umblättern und können dem Fluss der Geschichte ununterbro­chen folgen“, erklärt Schöll. Eines der Bücher zeigt ein 102-stöckiges Hochhaus: ein Comic von der Rolle. „Und das gibt es eben nicht bei Amazon, das gibt’s nur hier!“

 ?? FOTO: LUDGER MÖLLERS ?? Rasmus Schöll, Anja Reiprich und Florian Arnold (von links) in der Ulmer Buchhandlu­ng Aegis: Das Team hat die Traditions­buchhandlu­ng übernommen. Unter anderem werden gerollte Bücher angeboten.
FOTO: LUDGER MÖLLERS Rasmus Schöll, Anja Reiprich und Florian Arnold (von links) in der Ulmer Buchhandlu­ng Aegis: Das Team hat die Traditions­buchhandlu­ng übernommen. Unter anderem werden gerollte Bücher angeboten.

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