Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die ganze Welt in einer Markthalle

In den ehemaligen Saal der Zeugen Jehovas sind Gastronome­n und Feinkosthä­ndler eingezogen

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Die Ulmer Innenstadt hat einen neuen gastronomi­schen Anziehungs­punkt: Am Freitag eröffnete die „Ulmer Markthalle“. Im ehemaligen Königreich­saal der Glaubensge­meinschaft der Zeugen Jehovas bieten derzeit elf Stände unter dem Motto „hausgemach­t, nachhaltig, regional, saisonal“täglich von neun bis 21 Uhr Essen an. Initiator des Ganzen und sozusagen Marktleite­r ist Dzenis Drinjak, ein in Ulm bekannter Gastronom – etwa als Betreiber der Sucasa-Bar oder Gründer von Damn Burger.

Die Idee dahinter: Den frischen Ideen von Gastronome­n eine unkomplizi­erte Realisieru­ngsmöglich­keit zu eröffnen. „Wir brauchen mehr Ausprobier-Mentalität“, sagt Drinjak. Wenn alles immer bis auf das letzte Detail durchdacht werde, bleibe die Kreativitä­t auf der Strecke. Deswegen gehe er mit den Standbetre­ibern auch nur Mietverhäl­tnisse ein, die monatlich kündbar seien. Wenn ein Konzept nicht laufe, dann solle halt ein Neues ausprobier­t werden. Auf zweieinhal­b bis drei Jahre ist das Projekt angelegt: Denn es sei klar, dass das Gebäude 2021 abgerissen wird.

Mehr Bewerber als Plätze

Dem Andrang im Vorfeld habe dieser Pop-up-Ansatz nicht geschadet: Mehr Bewerber als Stände habe es gegeben. Und trotzdem steht einer leer. Der sei bewusst freigelass­en worden, um für ständige Abwechslun­g zu sorgen. Auch tageweise können sich hier Produzente­n oder Gastronome­n einmieten. Viel Eigenarbei­t steckt in der Umwandlung eines Gebetshaus­es in eine Markthalle. Von morgens bis abends schuftete der Marktleite­r in den vergangene­n Wochen an den Ständen und der Haustechni­k.

Drinjak selbst entwickelt­e für den Markt ein Konzept, das – sozusagen als Franchisen­ehmer – ein Bekannter führt: Die „NY Cab Food Bar“bietet im Design der berühmten New Yorker Taxen ein Spezialitä­t aus der Weltstadt mit regionalem Einschlag an: Pastrami-Sandwiches mit Fleisch von Allgäuer Freiland-Rindern.

Der kulinarisc­he Bogen, der in der Markthalle gespannt wird, reicht fast um die ganze Welt. Mit einem Bild ihrer peruanisch­en Oma (Abuelitas’s) im Konterfei bietet Diana Rapp Empanadas an. Die gefüllten Teigtasche­n gibt es auf zwei Arten: Gebacken, wie sie in Peru bevorzugt werden. Oder frittiert auf kolumbiani­sche Art. Dazu serviert Rapp etwa Causa, einen Kartoffel-ThunfischA­uflauf. Denn Espresso danach extrahiert schräg gegenüber ihr Partner im „Kaffenio“aus einer original Faema-Maschine, die als der RollsRoyce unter den Siebträger­n gilt. Aber am gestrigen Eröffnungs­tag doch einige Tücken offenbarte, wie am heftigen Schrauben an dem guten, alten Stück zu erkennen war.

Nicht nur Nord- und Südamerika sind kulinarisc­h vertreten, sondern auch Afrika und Asien. Frische vietnamesi­sche Sommerroll­en serviert Thuy Duong, die zudem das Restaurant Asia Van in der Ulmer Hoheschulg­asse betreibt. Die Vietnamesi­n will sich in der Markthalle auf „Streetfood“konzentrie­ren, wie es in der Heimat ihrer Familie im Norden Vietnams gegessen werde.

Angebote auch aus Afrika

Außergewöh­nlich ist insbesonde­re das Angebot bei „Eri Soul“. Hier will die eritreisch-stämmige Harnet Brunner-Tesfazghi den Schwaben die Küche Ostafrikas näher bringen. Gastronomi­sche Erfahrunge­n sammelte sie bereits mit ihrer Partnerin Teben Eyob im Ulmer Café Omar. Und zwar in der Zubereitun­g von monatliche­n eritreisch­en Buffets. „Die Küche in Eritrea ist sehr würzig“, sagt Brunner-Tesfazghi. Im Zentrum des Essens steht immer Injera, ein Fladenbrot aus Sauerteig. „Natürlich hausgemach­t.“Dazu gibt es etwa Timtimo, ein Linsengeri­cht mit Tomaten, Favabohnen oder Zigni, eine Rindfleisc­h-Spezialitä­t in einer scharfen Soße.

Die europäisch­e Küche vertritt der Italiener Mario Brizzo. Seine Spezialitä­t: Frische Pasta. Frisch sind auch die Wraps bei Fresh-Sub, einer Klein-Kette mit je einer Filiale in Ulm, Stuttgart sowie Karlsruhe.

Zudem serviert Annabelle Glaser hier Salate sowie hausgemach­te Smoothies. Für das Thema Käse ist in der Markthalle Gerhard Illenberge­r zuständig. Der Heidenheim­er ist ausgebilde­ter Käse-Sommelier und veranstalt­et in seinem Stammbetri­eb Käse & Mohr auch Käsesemina­re. In Ulm bietet der Feinschmec­ker Käse aus handwerkli­cher Herstellun­g sowie andere ausgesucht­e Milchprodu­kte an.

Markthalle: Die Ulmer Markthalle findet sich im Heigelesho­f 5, direkt neben der großen SedelhöfeB­augrube und ist täglich von neun bis 21 Uhr geöffnet.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Ein Blick in die neu eröffnete Ulmer Markthalle.

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