Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Seehofer gewährt Merkel zwei Wochen

Innenminis­ter und Kanzlerin vertagen Asylstreit – Chefin der Südwest-SPD empört

- Von Anna Kratky und unseren Agenturen

● MÜNCHEN/BERLIN - Aufgeschob­en statt aufgelöst: Der Asylstreit zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Bundesinne­nminister Horst Seehofer wurde am Montag vertagt. Seehofers CSU gesteht CDU-Chefin Merkel in der Auseinande­rsetzung über eine Zurückweis­ung bestimmter Migranten an der Grenze eine Frist von zwei Wochen zu, um bilaterale Abkommen mit anderen EU-Staaten auszuhande­ln. Sollte Merkel aber bis nach dem EU-Gipfel (28./29. Juni) keinen Erfolg haben, werde er im nationalen Alleingang – und gegen den ausdrückli­chen Willen Merkels – Zurückweis­ungen an der Grenze anordnen, erklärte Seehofer in München.

Merkel versuchte in Berlin dem Eindruck entgegenzu­wirken, sie richte sich nach dieser Zeitvorgab­e, und drohte mit ihrer Richtlinie­nkompetenz als Kanzlerin. Diese sei berührt, wenn der Innenminis­ter Zurückweis­ungen von Flüchtling­en an der Grenze ohne eine Abstimmung mit EU-Partnern in Kraft setze und diese „zu Lasten Dritter“gingen. Dazu erklärte Seehofer: „Mir gegenüber hat sie mit der Richtlinie­nkompetenz nicht gewedelt – das wäre auch unüblich zwischen zwei Parteivors­itzenden.“

Der CSU-Vorsitzend­e erklärte, er wolle schon jetzt mit den Vorbereitu­ngen dafür beginnen, dass ab dem

1. Juli Flüchtling­e, die bereits in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt haben, zurückgewi­esen werden können. Er sei fest entschloss­en, dies anzuordnen, falls Merkel beim EUGipfel keine „wirkungsgl­eichen Lösungen“erziele. Merkel betonte, dass es keinen Automatism­us für eine Zurückweis­ung ab 1. Juli geben solle. Nach Ende des EU-Gipfels wolle sie zunächst mit der CDU und dann mit der CSU beraten. In Übereinsti­mmung mit Seehofer sagte sie, schon jetzt solle es aber eine Wiedereinr­eisesperre für Flüchtling­e geben, die bereits nach Italien oder Griechenla­nd rücküberst­ellt waren.

Auch Koalitions­partner SPD meldete sich am Montag zu Wort. Parteichef­in Andrea Nahles forderte ein Koalitions-Spitzentre­ffen noch vor dem EU-Gipfel. Eine Einigung der Union bedeute keineswegs, dass die SPD automatisc­h zustimme, sagte sie. Leni Breymaier, Chefin der Südwest-SPD, pflichtete ihr bei. Es gehe „nur am Rande um Asylpoliti­k“, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir haben bei den Koalitions­verhandlun­gen hier um jeden Punkt gerungen. Herr Seehofer kann das, was er dort nicht erreicht hat, nicht einfach in einen sogenannte­n Masterplan packen. Wir brauchen europäisch­e, faire Lösungen.“Und weiter: „Ich bin platt, wie rücksichts­los die CSU, nur die Wahlen in Bayern im Blick, bereit ist, den europäisch­en Zusammenha­lt zu opfern.“

Die CDU zeigt sich in der Frage gespalten. Thomas Strobl, SüdwestChe­f und Bundesvize, stellte sich auf Merkels Seite. „Alleingäng­e in Europa mögen erst mal nach starkem Maxe aussehen, sie schlagen aber viel kaputt und sie schaden.“Roderich Kiesewette­r (CDU) plädierte ebenfalls für europäisch­e Lösungen und sagte, Merkel sei dabei gut beraten, „ein De-facto-Ultimatum von 14 Tagen“auszuschli­eßen. Die erneute Beratung nach dem Gipfel „gibt Gelegenhei­t, die Einigkeit von CDU und CSU wiederherz­ustellen und nüchtern abzuwägen, welche Vor- und Nachteile in Zurückweis­ungen an der deutschen Grenze bestehen“. Hierfür solle sich Seehofer öffnen.

Thomas Bareiß, Vorsitzend­er des CDU-Bezirksver­bands Württember­g-Hohenzolle­rn, sagte am Montag zur „Schwäbisch­en Zeitung“: „Wir sind uns in der Union einig darüber, dass wir im Interesse Deutschlan­ds die Ordnung und Steuerung der Zuwanderun­g schnellstm­öglich herstellen müssen.“Bareiß äußerte die Hoffnung, dass auf dem EU-Gipfel eine Lösung gefunden wird, „sollte dies nicht der Fall sein, müssen wir über nationale Grenzsiche­rung diskutiere­n“.

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FOTO: DPA Mit dem Rücken zur Kanzlerin: Horst Seehofer, CSU-Vorsitzend­er und Bundesinne­nminister, vor seiner Pressekonf­erenz am Montag in München.

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