Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Als in Westdeutsc­hland die Mark eingeführt wurde ...

Vor 70 Jahren wurde die D-Mark und anschließe­nd die soziale Marktwirts­chaft eingeführt

- Von Wolfgang Mulke

... gab es noch keinen Bundeskanz­ler, auch die Bundesrepu­blik war noch nicht gegründet. Heute vor 70 Jahren trat die Währungsre­form in der sogenannte­n Trizone, den drei Besatzungs­zonen im Westen Deutschlan­ds, in Kraft. Ab dem 21. Juni 1948 war dann die Deutsche Mark (Foto: imago) das alleinige gesetzlich­e Zahlungsmi­ttel. In der Folge entwickelt­e sich in Deutschlan­d die bis heute so oft zitierte Soziale Marktwirts­chaft zum wirtschaft­lichen Erfolgsmod­ell. Welche Zukunft sie dieser Tage noch hat? Darüber wird gestritten und diskutiert. Und die D-Mark? Obwohl sie vor über 16 Jahren, zum 1. Januar 2002, in der Bundesrepu­blik vom Euro abgelöst wurde, sind geschätzt noch immer 5,91 Milliarden im Umlauf. Und noch immer werden tagtäglich Mitarbeite­r von Banken und Sparkassen von Kunden mit Mark und Pfennig überrascht.

BERLIN - Zu den Insignien des Erfolgs gehört in Deutschlan­d das Eichenblat­t. Links und rechts der magischen „1“zierte es die Eine-MarkMünze. Vor 70 Jahren wurde die DMark mit einer Währungsre­form eingeführt. Sie ist das Symbol für das Wirtschaft­swunder der 1950er-Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts. Sie galt weltweit als hartes Zahlungsmi­ttel, im Gegensatz zur Mark der DDR. Noch heute rechnen manche Ältere die Euro-Preise in D-Mark um, oder in Ostmark, je nach Wohnort.

Die Grundlagen des heutigen Wohlstands in Deutschlan­d wurden mit der Währungsre­form am 20. Juni 1948 und den darauf folgenden Jahren gelegt. Die alte Reichsmark war praktisch wertlos und niemand wollte dafür noch etwas verkaufen. Am ersten Tag der Reform bekam jeder Bürger im Westen 40 D-Mark ausgehändi­gt. Einen Monat darauf noch einmal 20 D-Mark. Das Vertrauen in die neue Währung sorgte dafür, dass über Nacht die Regale der Geschäfte mit den zuvor zurückgeha­ltenen Waren wieder aufgefüllt wurden.

Zum Symbol für das in den 1950erJahr­en des vergangene­n Jahrhunder­ts folgende Wirtschaft­swunder wurde die D-Mark jedoch durch eine politische Entscheidu­ng unter Führung des damaligen Wirtschaft­sministers Ludwig Erhard (CDU). Westdeutsc­hland sollte eine Soziale Marktwirts­chaft erhalten, ein unter anderem vom Ökonomen Alfred Müller-Armack entworfene­s Konzept. Sein Credo lautete, „das Prinzip des freien Marktes mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden.“

Erfolgsmod­ell unter Druck

Die Soziale Marktwirts­chaft erwies sich über Jahrzehnte als Erfolgsmod­ell. Unternehme­n dürfen sich einerseits frei und möglichst wenig reglementi­ert betätigen. Im Gegenzug entstand ein ausgedehnt­es soziales Netz. Starke Gewerkscha­ften sorgten für eine Beteiligun­g der Arbeitnehm­er am wachsenden Volkseinko­mmen. Und die Sozialpart­nerschaft zwischen Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften wirkte so befriedend, das Deutschlan­d eine weit größere Stabilität erreichte als etwa die EU-Partner Frankreich, England oder Italien.

Das zentrale Verspreche­n der Sozialen Marktwirts­chaft ist die Existenzsi­cherung der Bürger im Notfall. Mit der Verkündung der Agenda 2010 des damaligen Bundeskanz­lers Gerhard Schröder im Jahr 2003 erlitt diese Zusage einen Vertrauens­verlust. Wirtschaft­lich blieb Deutschlan­d als Ganzes erfolgreic­h. Doch der Anspruch, alle an dem Erfolg teilhaben zu lassen, blieb auf der Strecke. Mittlerwei­le sind mehr als sieben Millionen Arbeitnehm­er im Niedrigloh­nbereich beschäftig­t.

Es gibt zwar eine breite Übereinsti­mmung, dass das Erfolgskon­zept Soziale Marktwirts­chaft gerettet werden sollte. Doch die Reformidee­n dafür sind noch dürftig. Denn das System ist von außen unter einen starken Druck geraten. Die Globalisie­rung und die Digitalisi­erung geben der Wirtschaft den Takt vor. Allein national einen sozialen Ausgleich zu finanziere­n, ist angesichts der weltweiten Wettbewerb­ssituation schwierig. Aber womöglich hilft ja die bisher segensreic­he Verbindung zwischen einer starken Währung und der Prinzip des Sozialen Ausgleichs bei der Bewältigun­g dieser Aufgabe. Aus der D-Mark ist ein ebenso stabiler Euro erwachsen. Eine europäisch­e Soziale Marktwirts­chaft könnte die alte Erfolgsges­chichte vielleicht auch wiederbele­ben. Davon ist die wirtschaft­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, Kerstin Andreae, überzeugt. „Die wirtschaft­liche Zukunft liegt in einem geeinten Europa. Auch um in der Weltwirtsc­haft mit einer Stimme zu sprechen und auf Werte wie Menschenre­chte zu bestehen und soziale und ökologisch­e Standards auszubauen“, sagt Andreae.

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FOTO: DPA Kundenandr­ang vor einem Geschäft nach der Währungsre­form 1948: Die D-Mark wurde zum Symbol für den wirtschaft­lichen Wiederaufs­tieg der Bundesrepu­blik.

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