Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Blut statt Blumen auf der Kanne

Kostbarkei­ten der Frankentha­ler Porzellanm­anufaktur sind derzeit in Mannheim zu sehen

- Von Wolfgang Jung www.rem-mannheim.de

MANNHEIM (dpa) - So vornehm wird in Ausstellun­gen sonst nicht gestorben. Edel glänzt auf einer bauchigen Porzellan-Milchkanne das Bild eines Schlachtpf­erds, dem Blut aus Maul und Nüstern strömt. Daneben liegt auf einer filigranen Tasse ein toter Soldat knapp über dem goldenen Zierrand, beweint von Frau und Kind. „Von Pulverdamp­f und Schlachtid­yll“heißt die Ausstellun­g, die derzeit in Mannheim zu sehen ist. Bis zum 2. Dezember zeigen die Reiss-Engelhorn-Museen (rem) Porzellan der berühmten Frankentha­ler Manufaktur aus dem 18. Jahrhunder­t – auch mit dem Krieg als Motiv.

Ein säbelschwi­ngender Orientale, ein reitender ungarische­r Pandur, ein stürzender preußische­r Kürassier – mehr Dramatik passt kaum in eine Vitrine. Der Glasquader beherbergt das Herzstück der Schau: ein 43-teiliges Service, das zu den wertvollst­en je in Frankentha­l gefertigte­n Produkten gehört. „Dass ein Service dieser Größe komplett und unbeschade­t die Jahrhunder­te überdauert hat, ist eine absolute Seltenheit“, sagt Projektlei­terin Irmgard Siede. Christian Heinrich Winterstei­n, einer der besten Porzellanm­aler, gestaltete Kaffeekann­e und Zuckerscha­le sowie Tassen mit Liebe zum Detail.

Martialisc­he Bemalung

Das Service kam vor zwei Jahren als Geschenk von Traudl Engelhorn-Vechiatto an die Reiss-Engelhorn-Museen und steht erstmals im Zentrum einer Ausstellun­g. Dramatisch­e Schlachten sowie Reiterkämp­fe vor historisch­er Kulisse und rastende Soldaten: Die martialisc­he Bemalung wirkt heute befremdlic­h. „Das Motiv vermittelt ein idealisier­tes Bild vom Kriegsgesc­hehen der damaligen Zeit“, meint Siede. Bewaffnete Auseinande­rsetzungen seien damals nahezu allgegenwä­rtig gewesen. „Das Schlachten­panorama galt zudem als Genre, in dem ein Künstler sein Können zeigen konnte“, erzählt sie.

Porzellan gilt heute für viele als Synonym für Billigware aus China. Die Ausstellun­g entführt in eine Zeit, in der das kostbare Produkt „weißes Gold“genannt wurde. Erst vor 310 Jahren hat Johann Friedrich Böttger in Sachsen erstmals europaweit Hartporzel­lan hergestell­t. Bis zu dieser Entdeckung 1708 musste die Ware aus Asien importiert werden. Das Werk im pfälzische­n Frankentha­l wurde 1755 gegründet und produziert­e vor allem für Kurfürst Carl Theodor (1724 bis 1799). Die ReissEngel­horn-Museen beherberge­n die weltgrößte Sammlung aus der 1800 geschlosse­nen Manufaktur.

Im Scheinwerf­erlicht des Mannheimer Zeughauses funkeln birnenförm­ige Teekannen mit Schnabelau­sguss, eine runde Zuckerdose mit Deckel in Kugelform und schalenför­mige Untersetze­r. Eine blaue „6“lässt auf 1766 als Entstehung­sjahr schließen. Winterstei­ns feinste Tüpfelmani­er im Wechsel mit aquarellar­tigem Farbauftra­g mache ihn zu einem der besten Maler der Manufaktur, schreibt Barbara BeaucampMa­rkowsky, ehemalige Leiterin der rem-Porzellans­ammlung, im Ausstellun­gskatalog. Projektlei­terin Siede schätzt, dass alles in allem etwa 50 Arbeiter insgesamt einen Monat lang in Frankentha­l am Service gewerkelt haben.

„Wir müssen uns von der Vorstellun­g lösen, dass das Service für ein gemütliche­s Kaffeekrän­zchen gedacht war“, sagt die Kunsthisto­rikerin. Ein solch kostbares Porzellang­edeck sei im 18. Jahrhunder­t eher bei Diplomaten­treffen zum Einsatz gekommen. „Und auch die Motive waren nicht ungewöhnli­ch. Viele Käufer waren beim Militär oder mit ihm verbunden“, meint die Wissenscha­ftlerin der Uni Heidelberg. Die Ausstellun­g sollte unter kulturhist­orischen Aspekten gesehen werden.

Als Vorlage für Kampfszene­n dienten den Malern Stiche und Gemälde. Porzellan mit Schlachtmo­tiven war in Frankentha­l übrigens am teuersten. „Streublume­n als Dekor waren billiger“, sagt Siede und lächelt. In Mannheim sind weitere Kostbarkei­ten zu sehen, etwa ein Schachspie­l und Prunkvasen sowie ein kleiner Pavillon – und der Teil eines Gebisses von 1777. „Möglicherw­eise war das der Beginn der Keramik-Inlays“, meint die Projektlei­terin augenzwink­ernd.

Die Artefakte sind gut erhalten und wirken unbenutzt – als seien sie gerade erst aus der Butter genommen worden, in die Porzellan früher oft zum Transport gelegt wurde. In dieser Zusammenst­ellung sei das Service ein Unikat, betont Siede. „Es ist ein Glücksfall, dass es zusammenbl­ieb und nicht durch Antiquität­enhandel zerstreut wurde.“

„Von Pulverdamp­f und Schlachtid­yl“ist noch bis 2. Dezember in den ReissEngel­horn-Museen (rem), Zeughaus, C5, in Mannheim zu sehen. Geöffnet ist sie von Dienstag bis Sonntag von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Die Ausstellun­g ist allerdings vom 1. Juli bis 31. August (Sommerpaus­e) geschlosse­n. Mehr Infos gibt es im Internet:

Die Ausstellun­g

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FOTOS: DPA Dieses 43-teilige Kaffee- und Teeservice mit bunten Schlachtsz­enen wurde in Frankentha­l um das Jahr 1766 hergestell­t.
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Schlachtsz­enen aus dem Jahr 1771 schmücken diese Vase.

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