Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ab sofort auf Achse mit Platooning

Autonome Lkw-Konvois sollen Sprit und Abgase sparen und weniger Platz auf der Straße brauchen – Auch Elefantenr­ennen hätten sich erledigt

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Das Konzept ist nicht mehr ganz neu, auch die Technik des „Platooning“wurde bereits mehrfach erfolgreic­h erprobt. Doch erstmals sind jetzt Lkw, die über eine elektronis­che Kupplung miteinande­r verbunden sind, im öffentlich­en Straßenver­kehr unterwegs. Am Montag starteten zwei miteinande­r digital vernetzte MAN-Lkw-Züge der Bahn-Tochter DB Schenker von Neufahrn bei München über die Autobahn A 9 nach Nürnberg.

Der Bahnhof war groß. Zum Start der elektronis­chen Lkw-Kolonne in Neufahrn gab sich auch Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) die Ehre. Dessen Haus fördert den weltweit ersten Praxiseins­atz auf dem digitalen Testfeld der A 9 zwischen den beiden größten bayerische­n Städten mit zwei Millionen Euro. Kooperatio­nspartner sind die Bahn-Logistikto­chter DB Schenker, der Lkw-Hersteller MAN und die Hochschule Fresenius, die erforschen soll, wie es den Lkw-Fahrern bei dieser neuen Technik physisch und psychisch ergeht.

Bei der Bildung einer vernetzten Lkw-Kolonne („Platoon“) koppelt sich ein Lkw elektronis­ch an ein Führungsfa­hrzeug. Rechner und mehrere optische laser- und radargestü­tzte Sensoren sorgen dafür, dass das angekoppel­te Fahrzeug exakt in der Spur des vorausfahr­enden bleibt. Bremst der Fahrer des FührungsLk­w, vollzieht dies der Rechner im angehängte­n so schnell nach, wie es kein Mensch könnte: Ein Auffahren ist damit – rechnerisc­h – ausgeschlo­ssen. Drängt sich ein anderes Fahrzeug dazwischen, kommt eine Baustelle oder ein Stau, wird der Platoon automatisc­h getrennt.

Lenken und Bremsen untersagt

Theoretisc­h könnten die Fahrer der angehängte­n Lkw nun eine Pause einlegen, fernsehen oder – noch besser – andere Arbeiten erledigen. Doch so weit ist es noch lange nicht. In der ersten Testphase muss der Fahrer des angekoppel­ten Brummi aus Sicherheit­sgründen eisern die Hände am Lenkrad und die Augen auf die Straße gerichtet halten. Lenken, Bremsen und Gas geben darf er nicht. Wie das bei einem Berufskraf­tfahrer ankommt, untersucht ein Forscherte­am der Hochschule Fresenius. Der Fahrer trägt eine Haube mit 32 Elektroden. Sie messen, was im Fahrerhirn vorgeht.

Erst einmal sollen die PrototypLk­w drei Fahrten pro Tag auf der 145 Kilometer langen Strecke zwischen der Isar- und der Frankenmet­ropole ohne Ladung absolviere­n. Ab Ende August werden sie Stückgut wie Maschinent­eile, Getränke oder Papier transporti­eren. Nach etwa 200 Fahrten und 30 000 Testkilome­tern soll sich herausstel­len, ob Platooning die Erwartunge­n erfüllen kann: Kraftstoff­ersparnis durch dichten Fahrzeugab­stand bis hinunter zu 15 Metern, dadurch gleichzeit­ig weniger Emissionen, weniger Platzverbr­auch auf den überlastet­en Autobahnen und mehr Sicherheit. Auch die Elefantenr­ennen hätten sich erübrigt.

Von Personalko­steneinspa­rungen war bei der Praxis-Premiere nicht die Rede, im Gegenteil. Die komplexen Systemanfo­rderungen stellen zusätzlich­e Ansprüche an die Fahrer. Bis 2020 könnte das System serienreif sein, sagte Joachim Drees, Chef der MAN Truck & Bus AG. Um ihren Arbeitspla­tz müssen die Könige der Landstraße ohnehin nicht bangen, denn auch diese Branche ist von Arbeitskrä­ftemangel heimgesuch­t, weshalb Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer sich veranlasst sieht, Bock auf den Bock zu machen.

Die neue Platoon-Technik soll nicht nur auf die Autobahn beschränkt bleiben. Überdies könnte sie auch auf der Schiene zur Anwendung kommen. Dort, wohin eigentlich mehr Güter von der Straße verlagert werden sollen.

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FOTO: OH Schön der Reihe nach: Brummis sollen in Zukunft digital vernetzt hintereina­nder fahren.

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