Ab sofort auf Achse mit Platooning
Autonome Lkw-Konvois sollen Sprit und Abgase sparen und weniger Platz auf der Straße brauchen – Auch Elefantenrennen hätten sich erledigt
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MÜNCHEN - Das Konzept ist nicht mehr ganz neu, auch die Technik des „Platooning“wurde bereits mehrfach erfolgreich erprobt. Doch erstmals sind jetzt Lkw, die über eine elektronische Kupplung miteinander verbunden sind, im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs. Am Montag starteten zwei miteinander digital vernetzte MAN-Lkw-Züge der Bahn-Tochter DB Schenker von Neufahrn bei München über die Autobahn A 9 nach Nürnberg.
Der Bahnhof war groß. Zum Start der elektronischen Lkw-Kolonne in Neufahrn gab sich auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Ehre. Dessen Haus fördert den weltweit ersten Praxiseinsatz auf dem digitalen Testfeld der A 9 zwischen den beiden größten bayerischen Städten mit zwei Millionen Euro. Kooperationspartner sind die Bahn-Logistiktochter DB Schenker, der Lkw-Hersteller MAN und die Hochschule Fresenius, die erforschen soll, wie es den Lkw-Fahrern bei dieser neuen Technik physisch und psychisch ergeht.
Bei der Bildung einer vernetzten Lkw-Kolonne („Platoon“) koppelt sich ein Lkw elektronisch an ein Führungsfahrzeug. Rechner und mehrere optische laser- und radargestützte Sensoren sorgen dafür, dass das angekoppelte Fahrzeug exakt in der Spur des vorausfahrenden bleibt. Bremst der Fahrer des FührungsLkw, vollzieht dies der Rechner im angehängten so schnell nach, wie es kein Mensch könnte: Ein Auffahren ist damit – rechnerisch – ausgeschlossen. Drängt sich ein anderes Fahrzeug dazwischen, kommt eine Baustelle oder ein Stau, wird der Platoon automatisch getrennt.
Lenken und Bremsen untersagt
Theoretisch könnten die Fahrer der angehängten Lkw nun eine Pause einlegen, fernsehen oder – noch besser – andere Arbeiten erledigen. Doch so weit ist es noch lange nicht. In der ersten Testphase muss der Fahrer des angekoppelten Brummi aus Sicherheitsgründen eisern die Hände am Lenkrad und die Augen auf die Straße gerichtet halten. Lenken, Bremsen und Gas geben darf er nicht. Wie das bei einem Berufskraftfahrer ankommt, untersucht ein Forscherteam der Hochschule Fresenius. Der Fahrer trägt eine Haube mit 32 Elektroden. Sie messen, was im Fahrerhirn vorgeht.
Erst einmal sollen die PrototypLkw drei Fahrten pro Tag auf der 145 Kilometer langen Strecke zwischen der Isar- und der Frankenmetropole ohne Ladung absolvieren. Ab Ende August werden sie Stückgut wie Maschinenteile, Getränke oder Papier transportieren. Nach etwa 200 Fahrten und 30 000 Testkilometern soll sich herausstellen, ob Platooning die Erwartungen erfüllen kann: Kraftstoffersparnis durch dichten Fahrzeugabstand bis hinunter zu 15 Metern, dadurch gleichzeitig weniger Emissionen, weniger Platzverbrauch auf den überlasteten Autobahnen und mehr Sicherheit. Auch die Elefantenrennen hätten sich erübrigt.
Von Personalkosteneinsparungen war bei der Praxis-Premiere nicht die Rede, im Gegenteil. Die komplexen Systemanforderungen stellen zusätzliche Ansprüche an die Fahrer. Bis 2020 könnte das System serienreif sein, sagte Joachim Drees, Chef der MAN Truck & Bus AG. Um ihren Arbeitsplatz müssen die Könige der Landstraße ohnehin nicht bangen, denn auch diese Branche ist von Arbeitskräftemangel heimgesucht, weshalb Bundesverkehrsminister Scheuer sich veranlasst sieht, Bock auf den Bock zu machen.
Die neue Platoon-Technik soll nicht nur auf die Autobahn beschränkt bleiben. Überdies könnte sie auch auf der Schiene zur Anwendung kommen. Dort, wohin eigentlich mehr Güter von der Straße verlagert werden sollen.