Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Einfach bewerben

Bahn verzichtet auf Motivation­sschreiben von Bewerbern

- Von Julia Kilian und Karolin Rothbart

BERLIN (dpa) - Darüber hat sich bei der Jobsuche wohl jeder schon mal den Kopf zerbrochen: Was schreibe ich als ersten Satz ins Bewerbungs­schreiben? Wer nicht lange rumschwafe­ln will oder sich mit Formulieru­ngen schwertut, hält sich oft an die Standardze­ile: „Hiermit bewerbe ich mich um …“. So oder so, ein Anschreibe­n gilt bisher als Pflicht. Das könnte sich aber langsam ändern.

Die Deutsche Bahn zum Beispiel will bei angehenden Azubis künftig auf das Bewerbungs­schreiben verzichten. Ab Herbst soll es möglich sein, über eine Onlineplat­tform nur noch Lebenslauf und Zeugnisse einzureich­en. „Wir wollen es den Bewerbern so einfach wie möglich machen“, sagt Personaler­in Carola Hennemann. Sie leitet die Personalge­winnung in Baden-Württember­g und ist bundesweit für die Einstellun­g von Ingenieure­n zuständig. Der Staatskonz­ern sucht händeringe­nd neue Mitarbeite­r, weil Tausende Kollegen in den Ruhestand gehen. Allein dieses Jahr sollen rund 19 000 Kollegen eingestell­t werden, darunter 3600 Auszubilde­nde.

„Für Schüler ist so ein Motivation­sschreiben schon schwierig“, sagt Hennemann. Auch andere seien froh, wenn sie nicht so viel schreiben müssten. „Wir prüfen die Motivation der Bewerber sowieso noch mal in einem Gespräch ab.“Der Konzern überlegt, bei welchen Berufsgrup­pen er noch auf das Motivation­sschreiben verzichten könnte.

Auch die Lufthansa überdenkt das Anschreibe­n. Sie verlangt es noch von Azubis. Bei verschiede­nen Berufsgrup­pen aber reicht seit Frühjahr eine Kurzbewerb­ung ohne das klassische Anschreibe­n, etwa bei Flugbeglei­tern oder IT-Mitarbeite­rn. Das solle ausgeweite­t werden, sagte eine Sprecherin der Fluggesell­schaft.

Auch bei der Drogeriema­rktkette Rossmann brauchen manche Gruppen seit rund einem Jahr kein Anschreibe­n mehr. Der Softwareko­nzern SAP legt nach eigenen Angaben ebenfalls weniger Wert auf alte Formalität­en. Ob mit oder ohne Anschreibe­n, online per LinkedIn-Profil oder digitalem Lebenslauf, Vorstellun­g per Video oder klassisch. „Wir wollen keine Barrieren schaffen, die besten Talente für uns zu gewinnen.“Auch die Berliner Verkehrsbe­triebe BVG prüfen, ob sie bei Azubis das Anschreibe­n streichen.

Nach Einschätzu­ng der Jobbörse Monster.de nimmt die Bedeutung des Anschreibe­ns ab, erklärt Marketingd­irektorin Katrin Luzar. Sie beobachtet auch noch eine andere Entwicklun­g: „Das Machtverhä­ltnis zwischen Bewerbern und Unternehme­n hat sich mittlerwei­le auch verschoben. Die Kandidaten wissen sehr gut, wie viel sie wert sind – sie werden passiver.“

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FOTO: DPA Auszubilde­nde der Deutschen Bahn brauchen bald kein Bewerbungs­schreiben mehr.

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