Einfach bewerben
Bahn verzichtet auf Motivationsschreiben von Bewerbern
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BERLIN (dpa) - Darüber hat sich bei der Jobsuche wohl jeder schon mal den Kopf zerbrochen: Was schreibe ich als ersten Satz ins Bewerbungsschreiben? Wer nicht lange rumschwafeln will oder sich mit Formulierungen schwertut, hält sich oft an die Standardzeile: „Hiermit bewerbe ich mich um …“. So oder so, ein Anschreiben gilt bisher als Pflicht. Das könnte sich aber langsam ändern.
Die Deutsche Bahn zum Beispiel will bei angehenden Azubis künftig auf das Bewerbungsschreiben verzichten. Ab Herbst soll es möglich sein, über eine Onlineplattform nur noch Lebenslauf und Zeugnisse einzureichen. „Wir wollen es den Bewerbern so einfach wie möglich machen“, sagt Personalerin Carola Hennemann. Sie leitet die Personalgewinnung in Baden-Württemberg und ist bundesweit für die Einstellung von Ingenieuren zuständig. Der Staatskonzern sucht händeringend neue Mitarbeiter, weil Tausende Kollegen in den Ruhestand gehen. Allein dieses Jahr sollen rund 19 000 Kollegen eingestellt werden, darunter 3600 Auszubildende.
„Für Schüler ist so ein Motivationsschreiben schon schwierig“, sagt Hennemann. Auch andere seien froh, wenn sie nicht so viel schreiben müssten. „Wir prüfen die Motivation der Bewerber sowieso noch mal in einem Gespräch ab.“Der Konzern überlegt, bei welchen Berufsgruppen er noch auf das Motivationsschreiben verzichten könnte.
Auch die Lufthansa überdenkt das Anschreiben. Sie verlangt es noch von Azubis. Bei verschiedenen Berufsgruppen aber reicht seit Frühjahr eine Kurzbewerbung ohne das klassische Anschreiben, etwa bei Flugbegleitern oder IT-Mitarbeitern. Das solle ausgeweitet werden, sagte eine Sprecherin der Fluggesellschaft.
Auch bei der Drogeriemarktkette Rossmann brauchen manche Gruppen seit rund einem Jahr kein Anschreiben mehr. Der Softwarekonzern SAP legt nach eigenen Angaben ebenfalls weniger Wert auf alte Formalitäten. Ob mit oder ohne Anschreiben, online per LinkedIn-Profil oder digitalem Lebenslauf, Vorstellung per Video oder klassisch. „Wir wollen keine Barrieren schaffen, die besten Talente für uns zu gewinnen.“Auch die Berliner Verkehrsbetriebe BVG prüfen, ob sie bei Azubis das Anschreiben streichen.
Nach Einschätzung der Jobbörse Monster.de nimmt die Bedeutung des Anschreibens ab, erklärt Marketingdirektorin Katrin Luzar. Sie beobachtet auch noch eine andere Entwicklung: „Das Machtverhältnis zwischen Bewerbern und Unternehmen hat sich mittlerweile auch verschoben. Die Kandidaten wissen sehr gut, wie viel sie wert sind – sie werden passiver.“