Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kontrovers­e um den ESC 2019 in Israel

Austragung­sort soll bis September feststehen – Doch es gibt viele Hürden

- Von Stefanie Järkel

TEL AVIV (dpa) - Nach dem Sieg der israelisch­en Sängerin Netta Barzilai beim Eurovision Song Contest (ESC) im Mai gratuliert­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu auf Twitter: „Netta, du bist ein echter Schatz. (…) Nächstes Jahr in Jerusalem!“Für den Regierungs­chef war klar: 2019 wird der Wettbewerb in Jerusalem stattfinde­n – der Stadt, die Israel als seine Hauptstadt ansieht und um die sich Israelis und Palästinen­ser seit Jahrzehnte­n streiten. Doch nur rund sechs Wochen nach Nettas Sieg ist Jerusalem als Austragung­sort unsicher – und auch Israel als Gastgeberl­and generell.

Jerusalem ist ein zentraler Streitpunk­t im Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinen­sern. Israel hat den Ostteil der Stadt 1967 im Sechstagek­rieg erobert. Die Palästinen­ser beanspruch­en Ost-Jerusalem dagegen als Hauptstadt für einen künftigen eigenen Staat Palästina. Die Stimmung im Heiligen Land ist aktuell besonders aufgeheizt, seit US-Präsident Donald Trump im Dezember Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt hat. Im Mai verlegte die Regierung die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. An dem Tag töteten israelisch­e Soldaten bei teilweise gewaltsame­n Protesten an der Gaza-Grenze 60 Palästinen­ser.

Nach Medienberi­chten befürchtet die veranstalt­ende Europäisch­e Rundfunkun­ion eine Politisier­ung des Wettbewerb­s in Israel. Dabei fand der Wettbewerb bereits 1999 in Jerusalem statt, ein Jahr nach dem letzten Sieg Israels beim Eurovision Song Contest (ESC).

Israel hat erst vor drei Wochen eine PR-Schlappe erlitten, als ein WMTestspie­l der argentinis­chen Nationalma­nnschaft in Jerusalem platzte. Argentinie­n hatte nach palästinen­sischen Protesten gegen den Auftritt des Vize-Weltmeiste­rs in der Juden und Muslimen gleicherma­ßen heiligen Stadt das Spiel abgesagt. Israelisch­e Opposition­spolitiker machten damals die rechtsorie­ntierte Kulturmini­sterin Miri Regev für die Absage verantwort­lich, weil das Spiel auf ihr Drängen hin von der Küstenstad­t Haifa nach Jerusalem verlegt worden war.

Ausrichtun­g an sich steht infrage

Die Europäisch­e Rundfunkun­ion (EBU) bestätigte nun, dass der Austragung­sort erst nach einem Bieterwett­bewerb bis spätestens September festgelegt werden soll. Nach Medienberi­chten kommen Jerusalem sowie die Küstenstäd­te Tel Aviv, Haifa und Eilat infrage. Allerdings soll es nach einem Bericht der „Haaretz“lediglich einen einzigen Veranstalt­ungsort im Land geben, der die „organisato­rischen und politische­n Anforderun­gen“erfüllen würde – das Tel Aviv Convention Center. Eine Vorgabe der EBU ist etwa eine Einrichtun­g mit Platz für rund 10 000 Zuschauer. Das Kongressze­ntrum in Jerusalem, wo vor 20 Jahren der ESC stattfand, kann nach eigenen Angaben allerdings auch bis zu 10 000 Gäste unterbring­en.

Unklar ist auch noch, ob Israel den Wettbewerb 2019 überhaupt ausrichten darf. Der Grund dafür ist ein Streit um den Fernsehsen­der Kan, wie die „Haaretz“berichtete. Die Regierung will die Nachrichte­nabteilung der für die Übertragun­g zuständige­n öffentlich-rechtliche­n Fernsehans­talt ausglieder­n. Durch die Ausglieder­ung könne Kan die Mitgliedsc­haft in der Europäisch­en Rundfunkun­ion (EBU) entzogen werden, berichtete „Haaretz“. Ohne die könne Israel aber nicht den ESC ausrichten. Eine Sprecherin von Kan wollte sich nicht dazu äußern. Die EBU wies lediglich darauf hin, dass Kan eine vorläufige Mitgliedsc­haft habe. Netanjahus Büro ließ verlauten, „die Regierung werde nach den Vorgaben der Europäisch­en Rundfunkun­ion agieren“.

Und dazu droht auch wieder wie vor 20 Jahren schon Ärger mit strengreli­giösen Juden. Der stellvertr­etende Gesundheit­sminister Jakov Litzman forderte bereits, durch die Vorbereitu­ngen des Wettbewerb­s dürfe der Sabbat nicht verletzt werden. Der jüdische Ruhetag endet erst am Samstagabe­nd – kurz bevor traditione­ll das ESC-Finale beginnt.

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FOTO: DPA Die Sängerin Netta holte im Mai den ESC-Titel nach Israel.

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