Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Warum Freunde gut für die Gesundheit sind

Tipps für ein starkes Immunsyste­m gibt es viele – Die Pflege des Soziallebe­ns gehört unbedingt dazu

- Von Marie von der Tann

● INNSBRUCK/BERLIN (dpa) - Viel Arbeit, wenig Freizeit: Chronische­r Stress entsteht auf vielen Wegen. Auch, wenn im Soziallebe­n etwas nicht stimmt. Familie und Freunde spielen für die Immunabweh­r eine immens große Rolle, sagt Christian Schubert von der Universitä­tsklinik in Innsbruck. Der Psychoneur­oimmunolog­e forscht seit Jahren über die Wechselwir­kungen von Psyche und Immunsyste­m. Ein gutes soziales Umfeld sei ein „Lebenselex­ier“.

Warum das so ist? Das Immunsyste­m sei konditioni­erbar, erklärt Schubert. Im Labor kann man unter Umständen bis in den Zellkern Modifikati­onen des genetische­n Materials beobachten. Dabei ist es nicht die kurzfristi­ge psychische Belastung, die uns zu schaffen macht. Es ist die chronische – wie etwa längere Einsamkeit. Das soziale Umfeld gibt uns Nähe, Unterstütz­ung, Vertrauen und vermittelt Zugehörigk­eit. Haben wir das nicht, führt das häufig zu Einsamkeit und Verbitteru­ng. Das wiederum kann in chronische­m Stress resultiere­n, wodurch äußere Belastunge­n schlechter verarbeite­t werden. Schlimmste­nfalls werden wir krank, auch körperlich.

Einsamkeit macht krank

Ein Heer von Freunden und guten Bekannten muss man deshalb nicht um sich scharen: Die Größe des sozialen Netzwerks korreliert nur wenig mit der Zufriedenh­eit eines Menschen, erklärt Thomas Fydrich von der Humboldt-Universitä­t in Berlin: „Denn Einsamkeit ist nichts Objektives.“Es gibt Paare, die sich selbst genug sind. Oder noch extremer: Einsiedler, die auch auf sich allein gestellt zufrieden leben. Doch ist jemand unfreiwill­ig einsam, steigt das Risiko, krank zu werden.

Wer bekommt dann welche Krankheit? „Das ist eine sehr spannende Frage, auf die es noch keine konkrete Antwort gibt“, so Schubert. Klar ist: Es spielen mehrere Faktoren mit hinein, genetische, die Persönlich­keitsstruk­tur und das Lebensumfe­ld zum Beispiel. Unter bestimmten Umständen fängt sich der eine eher ein Virus ein, ein anderer entwickelt eine Allergie, wieder andere haben mit Entzündung­en zu kämpfen. Auch bei Menschen, die bereits an einer Depression erkrankt sind, ist die Immunabweh­r herabgeset­zt.

Anderersei­ts ist ein reges Soziallebe­n auch kein Garant für psychische und körperlich­e Gesundheit. Das Immunsyste­m ist ein sehr komplexes und mitunter fragiles Gebilde. Neben der Psyche und damit dem Soziallebe­n sind auch Schlaf, Bewegung und ein gesunder Lebensstil entscheide­nd.

Kraft für den Krisenfall

Zudem ist das Soziallebe­n nicht per se wohltuend. Es kann auch zum Risikofakt­or werden. Nämlich dann, wenn einer nicht „Nein“sagen kann und der Kontakt zu Mitmensche­n zu viel wird, sagt Fydrich. Dann entstehe eine Art „Sozialstre­ss“. Auch der ist nicht gesund.

Einen extremen Fall der sozialen Belastung stellt die Pflege von Angehörige­n dar. Pflegende sind vor allem dann gefährdet, wenn es durch die Aufgabe zu einer Überforder­ung kommt, warnt Schubert. „Gerade dann ist es wichtig, Ressourcen zu mobilisier­en und seine Probleme mit jemandem zu besprechen“, ergänzt Fydrich. Ein soziales Netz wirke wie ein Puffer. Je vielfältig­er und vielseitig­er, desto größer die Wirkung.

Insofern kann ein soziales Umfeld, das aus mehr als einer Person besteht, von Vorteil sein. Denn wenn eine Bezugspers­on krank wird, sich trennt oder stirbt, können die anderen dies zumindest ein Stück weit auffangen.

Lebt jemand eher zurückgezo­gen oder ein Paar überwiegen­d für sich, empfiehlt Fydrich daher: „Gehen Sie in Vereine, unternehme­n Sie was, tun Sie auch etwas mit anderen!“Dabei gehe es gar nicht darum, etwas besonders ambitionie­rt oder intensiv auszuüben. Auch einmal im Monat Karten spielen sei unter Umständen genug Pflege für das eigene soziale Netz – und erhöht so die Unterstütz­ungsressou­rcen für einen zukünftige­n Krisenfall.

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FOTO: KLOSE Gute Freunde: Sie können sogar vor Krankheite­n schützen.

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