Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Darf der Jubel grenzenlos sein?

- ●» j.fandrey@schwaebisc­he.de ●» t.kern@schwaebisc­he.de

Profifußba­ller von heute sehen sich ja nicht selten als eine eigene Marke, deren Marktwert das Allerwicht­igste ist. Vom Outfit über die Frisur bis hin zur medialen Selbstdars­tellung wird nichts dem Zufall überlassen. Alles ist durchgepla­nt, jede noch so unbedeuten­de Handlung von Beratern und Agenturen durchkalku­liert. Das mag in Ausnahmefä­llen auch bei einem Torjubel der Fall sein, an dieser Stelle sei an den Marketing-Gag des ExDortmund­ers Pierre-Emerick Aubameyang erinnert, der für seinen Sponsor nach einem Treffer eine Maske aufsetzte.

Bei einem Tor in der Nachspielz­eit einer WM aber seine Sinne so im Griff zu haben, um sein Handeln jederzeit rational erklären zu können – wer so weit geht und dies von Spielern wie in diesem Fall dem Schweizer Xherdan Shaqiri einfordert, hat nie, nicht mal in der Kreisliga B, erlebt, welche Emotionen ein Tor auslöst. Da muss alles raus – Freude, Erleichter­ung, Wut, Provokatio­n, Häme. Hat der Ball die Linie überschrit­ten, schaltet der Kopf aus.

Daher ist es noch fragwürdig­er, wenn Spieler oder auch wild jubelnde DFB-Funktionär­e an den Pranger gestellt werden und sich für ihren Jubel entschuldi­gen müssen oder dafür gesperrt werden. Sport ohne Emotionen? Ohne mich! Nicht umsonst ist Fußball die geilste Nebensache der Welt.

Auch im Jubel darf man von Fußballern und anderen Teammitgli­edern ein bisschen Haltung erwarten. Natürlich war der Siegtreffe­r von

Toni Kroos in der Nachspielz­eit gegen Schweden hochemotio­nal. Natürlich darf ausgelasse­n gejubelt werden. Aber was gibt es bitte für eine Begründung dafür, dass man nicht mit seinen Teamkolleg­en jubelt, sondern provoziere­nd vor die Bank des Gegners läuft? Keine!

Da ging es nur darum, dem Gegner zu zeigen, dass man besser war. Es ging nur darum, ihn zu demütigen. Das hat auf dem Fußballpla­tz nichts verloren. Genauso wie es schlechte Verlierer – Stichwort Mladen Krstajic nach der Niederlage seiner Serben gegen die Schweiz – gibt, so gibt es auch schlechte Gewinner. Da hat der DFB am Samstag definitiv nicht seine beste Figur abgegeben.

Es gibt so viele originelle Jubelmögli­chkeiten. Und herrliche Youtube-Videos davon. Über den Jubel von Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri kann man natürlich geteilter Meinung sein. Deren Jubel fand ich bei Weitem nicht so schlimm wie den Provokatio­nsjubel der DFB-Herren. Xhaka und Shaqiri sind Schweizer mit albanische­n Wurzeln. Hätte es Diskussion­en um eine Sperre gegen beide gegeben, wenn sie statt des albanische­n Doppeladle­rs das Schweizer Kreuz symbolisie­rt hätten? Eben ...

Nach einem Tor muss die Freude raus – egal wie. Von Jakob Fandrey

Das war kein Jubel, das war Provokatio­n. Von Thorsten Kern

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