Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die X-Faktoren

Marco Reus wird immer mehr zum Spielentsc­heider – Thomas Müller wackelt dagegen

- Von Patrick Strasser

WATUTINKI - Was wurde vor Beginn der WM nicht alles geschriebe­n und gerechnet, wenn es um Thomas Müller ging? Um „Mister WM“, dem bei zwei Endrunden bereits zehn Treffer gelungen waren, als Torschütze­nkönig von Südafrika 2010, als Zweitbeste­m in der Torjägerli­ste 2014 in Brasilien. Die Frage lautete: Würde der Bayern-Profi in Russland gar seinen ehemaligen Mitspieler Miroslav Klose einholen oder übertrumpf­en, der bisher 16 WM-Dinger machte? Setzt sich Müller schon bei seiner erst dritten WM bereits auf den Thron des Besten der Besten in der ewigen Torjägerli­ste?

Ob Rekordjäge­r oder nicht, der Mann aus Pähl am Ammersee war immer ein X-Faktor in der Mannschaft von Bundestrai­ner Joachim

Löw: unberechen­bar, unorthodox in seiner

Art, seine Laufwege unvorherse­hbar. Der Mann, der Räume und Lücken sieht, die es nicht gibt. Hat der Gegner ein „schwarzes Loch“, Müller findet es. Tore aus dem Nichts inklusive.

Und nun? Sind zwei Partien gespielt und der 28-Jährige steht bei null. Noch geht nichts. Kein Treffer, keine echte Torgefahr. Seine Bilanz: kein einziger Torschuss in 95 Minuten gegen Mexiko (0:1), nur ein einziger in über 99 Minuten gegen Schweden (2:1). Er sei vor allem im Auftaktspi­el „zu wenig in Abschlussp­ositionen gekommen“, klagte er selbst. Es kriselt bei „es müllert“, wie er sich selbst bei Twitter nennt – als Anspielung auf den legendären Torjäger Gerd Müller (72), seinen Ziehvater und Vorbild bei Bayern.

Löw opfert seine Weltmeiste­r

In der Nationalel­f hat Thomas Müller eine andere Rolle als bei Bayern, agiert als verkappter Rechtsauße­n mit Zug zur Mitte, nicht als Freigeist hinter einer Sturmspitz­e. Liegt seine Flaute daran? Setzt ihn Löw falsch ein? Lothar Matthäus rät, Müller, dem er „wenig überzeugen­de Leistungen“attestiert­e, zentraler aufzustell­en: als rechten Halbstürme­r oder zweite Spitze. „Müller muss in den Strafraum“, fordert der Rekordnati­onalspiele­r in „Bild“. Vielleicht aber muss Müller am Mittwoch gegen Südkorea im dritten Gruppenspi­el in Kasan (16 Uhr, ZDF und Sky live) auf die Bank. Schließlic­h scheute sich Löw auch nicht, für das SchwedenSp­iel, andere Routiniers wie Sami Khedira und Mesut Özil herauszune­hmen.

Opfert Löw nun den nächsten Weltmeiste­r? Für Matthäus wäre dies „fatal. Er ist Sprachrohr, Persönlich­keit und Anführer. Er ist für mich der Kapitän der Feldspiele­r auf dem Platz.“Kommt für Müller Kader-Küken Julian Brandt (22) rein? Bei seinen beiden Einwechslu­ngen (Einsatzzei­t: 18:21 Minuten) traf er jeweils den

Pfosten. Unwahrsche­inlich, denn im DFBTrainer­stab hofft man, dass Müller gegen Südkorea seine Torflaute überwindet und dann auch für ihn die

WM so richtig losgeht. Derweil setzt Löw auf seinen neuen X-Faktor im Team: Marco Reus (29), der seine erste WM spielt. Vor vier Jahren verletzte sich der Dortmunder im letzten Test vor der Abreise, wurde lediglich „Weltmeiste­r der Herzen“, die Mitspieler hielten sein Trikot beim Siegerfoto im „Maracanã“von Rio in die Kameras. „Ich freue mich, dass ich endlich bei so einem Turnier dabei sein kann“, sagte Reus im DFB-Quartier. Für ihn sei es „eine Erleichter­ung“, er wolle „der Mannschaft so gut wie möglich helfen, mit guten Spielern um einen herum wird mir das auch leicht gemacht.“

Gegen Mexiko agierte er nach seiner Einwechslu­ng (60.) als Rechtsauße­n, gegen Schweden zunächst sehr variabel hinter der Spitze Timo Werner. Als der dann auf den linken Flügel geschickt wurde, flitzte Reus über rechts – samt Tor zum 1:1. Auch der Ballstoppe­r vor Kroos’ Freistoß zum 2:1 zählt laut Fifa als Assist. Reus ist angekommen, in der Mannschaft akzeptiert. Er, der WM-Debütant im reiferen Alter, lebt den Teamgedank­en vor, sagt: „Die Welt geht nicht unter, wenn ich nicht auf dem Platz stehe.“Wird er aber gegen Südkorea. Mal sehen, welcher X-Faktor dann sticht.

 ?? FOTO: IMAGO FOTO: AFP ?? In der Nationalma­nnschaft angekommen: Marco Reus, der hier sein Tor gegen Schweden bejubelt. Nicht der Freigeist, wie man ihn vom FC Bayern her kennt: Thomas Müller bei seiner dritten WM.
FOTO: IMAGO FOTO: AFP In der Nationalma­nnschaft angekommen: Marco Reus, der hier sein Tor gegen Schweden bejubelt. Nicht der Freigeist, wie man ihn vom FC Bayern her kennt: Thomas Müller bei seiner dritten WM.

Newspapers in German

Newspapers from Germany