Die Impfpflicht muss her
Früher war vieles schlechter. Das gilt ganz besonders für den Schutz vor einigen lebensbedrohlichen Krankheiten. Vor Pocken etwa: Jahrhundertelang waren sie in Europa eine Volkskrankheit, zwei Millionen Menschen starben noch 1960 weltweit an ihnen. Impfkampagnen dämmten die Pocken ein, bis die Weltgesundheitsorganisation sie 1980 für auf dem ganzen Planeten ausgerottet erklärte. Impfungen sind der sensationellste Erfolg der Medizingeschichte. Trotzdem halten viele Menschen sogar Schutzimpfungen für Kinder für unnötig oder schädlich – weil sie Panikmachern und Impfgegnern mit ihren pseudowissenschaftlichen Ratschlägen auf den Leim gehen. Die Impfquote gegen Masern ist in manchen Regionen, besonders im Südwesten, erschreckend gering. Das ist gefährlich für alle, weil unterhalb einer bestimmten Impfquote die ganze Gesellschaft nicht mehr vor bestimmten Krankheiten geschützt ist. Deswegen braucht Deutschland eine Impfpflicht für Kinder zumindest gegen Krankheiten wie Kinderlähmung, Diphtherie und Masern.
Der Staat muss unmissverständlich klarmachen: Impfschutz für alle ist enorm wichtig – und wer ihn gefährdet, spürt die Konsequenzen. Eltern direkt zur Impfung ihrer Kinder zu zwingen, wäre aber falsch. Zumindest, solange nicht konkret eine Epidemie droht, wäre eine solche Pflicht wohl ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die Pflicht sollte – wie in Frankreich – indirekt sein. Wer keine Impfungen für seine Kinder nachweisen kann, darf sie nicht in den Kindergarten schicken.
Eine solche indirekte Impfpflicht kann nur den Impfschutz bei Minderjährigen erhöhen. Um ihn bei Erwachsenen zu steigern, braucht Deutschland eine noch bessere bundesweite Impfstrategie. Die sollte es vor allem Hausärzten ermöglichen, sich mehr Zeit für Aufklärung und Beratung ihrer Patienten zu nehmen. So könnten die Ärzte auch manchen impfskeptischen Eltern die Wichtigkeit von Impfungen klarmachen – zumindest denen, die noch offen sind für medizinische Argumente.