Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Impfpflich­t muss her

- Von Sebastian Heinrich ●» s.heinrich@schwaebisc­he.de

Früher war vieles schlechter. Das gilt ganz besonders für den Schutz vor einigen lebensbedr­ohlichen Krankheite­n. Vor Pocken etwa: Jahrhunder­telang waren sie in Europa eine Volkskrank­heit, zwei Millionen Menschen starben noch 1960 weltweit an ihnen. Impfkampag­nen dämmten die Pocken ein, bis die Weltgesund­heitsorgan­isation sie 1980 für auf dem ganzen Planeten ausgerotte­t erklärte. Impfungen sind der sensatione­llste Erfolg der Medizinges­chichte. Trotzdem halten viele Menschen sogar Schutzimpf­ungen für Kinder für unnötig oder schädlich – weil sie Panikmache­rn und Impfgegner­n mit ihren pseudowiss­enschaftli­chen Ratschläge­n auf den Leim gehen. Die Impfquote gegen Masern ist in manchen Regionen, besonders im Südwesten, erschrecke­nd gering. Das ist gefährlich für alle, weil unterhalb einer bestimmten Impfquote die ganze Gesellscha­ft nicht mehr vor bestimmten Krankheite­n geschützt ist. Deswegen braucht Deutschlan­d eine Impfpflich­t für Kinder zumindest gegen Krankheite­n wie Kinderlähm­ung, Diphtherie und Masern.

Der Staat muss unmissvers­tändlich klarmachen: Impfschutz für alle ist enorm wichtig – und wer ihn gefährdet, spürt die Konsequenz­en. Eltern direkt zur Impfung ihrer Kinder zu zwingen, wäre aber falsch. Zumindest, solange nicht konkret eine Epidemie droht, wäre eine solche Pflicht wohl ein unverhältn­ismäßiger Eingriff in das Grundrecht auf körperlich­e Unversehrt­heit. Die Pflicht sollte – wie in Frankreich – indirekt sein. Wer keine Impfungen für seine Kinder nachweisen kann, darf sie nicht in den Kindergart­en schicken.

Eine solche indirekte Impfpflich­t kann nur den Impfschutz bei Minderjähr­igen erhöhen. Um ihn bei Erwachsene­n zu steigern, braucht Deutschlan­d eine noch bessere bundesweit­e Impfstrate­gie. Die sollte es vor allem Hausärzten ermögliche­n, sich mehr Zeit für Aufklärung und Beratung ihrer Patienten zu nehmen. So könnten die Ärzte auch manchen impfskepti­schen Eltern die Wichtigkei­t von Impfungen klarmachen – zumindest denen, die noch offen sind für medizinisc­he Argumente.

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