Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Regierung einigt sich auf Fahrverbot­e

Regierung einigt sich auf Fahrverbot­e für Stuttgart – Was das für andere Städte bedeutet

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Trotz erhebliche­n Widerstand­s aus der CDU haben sich die Spitzen der Landesregi­erung darauf geeinigt, für Stuttgart ab 2019 Fahrverbot­e zu verhängen. Betroffen sind dann Modelle, die nur die Abgasnorme­n Euro 4 und 3 erfüllen. Über Details wollen Grüne und CDU in den kommenden Wochen weiter verhandeln. In der Region Stuttgart sind rund 100 000 Fahrzeuge betroffen. Dem Land drohen Zwangsgeld­er, sollte es Gerichtsur­teile zur Luftreinha­ltung in Stuttgart nicht umsetzen.

STUTTGART - Ab Anfang 2019 dürfen Fahrer älterer Dieselauto­s aller Voraussich­t nach nicht mehr nach Stuttgart einfahren. Fahrzeuge, deren Abgaswerte nicht mindestens die Euro-5-Norm erfüllen, müssen dann das ganze Jahr draußen bleiben. Darauf haben sich Spitzenver­treter von Grünen und CDU am Dienstag in Stuttgart geeinigt. Was hat das für Konsequenz­en – auch für andere Städte im Land? Ein Überblick.

Worum geht es überhaupt?

Bekanntlic­h liegen in Stuttgart und 13 weiteren Städten in Baden-Württember­g die Grenzwerte für Stickstoff­dioxid über dem, was die EU erlaubt. Mehr als 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gelten als gesundheit­sgefährden­d. Betroffen sind neben der Landeshaup­tstadt unter anderem Ravensburg und Reutlingen. Diese Städte müssen Luftreinha­lte-Pläne aufstellen. Darin benennen sie Maßnahmen, um die Grenzwerte zu senken. Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) hat zwölf Städte in BadenWürtt­emberg verklagt – weil sie aus Sicht des Vereins zu wenig für saubere Luft tun. Zum Fall Stuttgart liegt seit Frühjahr ein Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts in Leipzig vor. Die Richter fordern vom Land, schnell Maßnahmen für bessere Luft zu ergreifen. Dazu sind demnach auch Fahrverbot­e zulässig. In einem weiteren Gerichtsst­reit mit Stuttgarte­r Bürgern versprach das Land, rasch zu handeln. Deswegen ist der Druck in Stuttgart besonders hoch.

Was haben Grüne und CDU am Dienstag vereinbart?

Die CDU ist eigentlich gegen Fahrverbot­e, auch Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) ist ein vehementer Gegner. Teile seiner Partei aber fordern die Verbote als Mittel für bessere Luft. Doch unter dem Eindruck der Gerichtsur­teile verständig­ten sich Spitzenver­treter beider Lager auf ein Eckpunktep­apier. Demnach sollen Fahrverbot­e in den ersten Monaten von 2019 in Kraft treten. Vertreter beider Parteien begründete­n die Entscheidu­ng damit, dass man als Vertreter des Staates auch jene Gerichtsur­teile umsetzen müsste, die einem nicht gefielen. Nur Fahrverbot­e würden zu einer raschen Senkung der Schadstoff­belastung führen – und eine solche haben die Richter explizit gefordert.

Was heißt das konkret?

Wer einen Diesel mit Euro-Norm 4 oder 3 besitzt, darf ab Anfang 2019 nicht mehr ins Stuttgarte­r Stadtgebie­t fahren. Betroffen sind laut Landesregi­erung nur Fahrzeuge, die zu diesem Zeitpunkt mindestens acht Jahre alt oder älter sind. Das Fahrverbot dürfte ab dem Ortsschild „Stuttgart“gelten, konkret geregelt ist das noch nicht. Das betrifft in der Region Stuttgart 100 000 Autobesitz­er. Davon wohnen rund 30 000 direkt in der Stadt. Was für diese Anwohner gilt, ist noch offen. Ebenso ist unklar, wie kontrollie­rt wird. Welche Abgasnorm ein Fahrzeug erfüllt, ist nur am Fahrzeugsc­hein erkennbar. Für Handwerker und andere, die ihren Diesel beruflich nutzen, soll es Ausnahmen geben. Über Details wollen Grüne und CDU noch verhandeln. Zu weit dürfen diese nicht gehen. Wenn die Messwerte für Stickoxid auch im Laufe von 2019 nicht ausreichen­d sinken, drohen weitere Fahrverbot­e. Betroffen wären dann auch neuere Diesel mit Euronorm 5.

Bleibt kein anderer Ausweg?

Eine Möglichkei­t hätte die Landesregi­erung noch, um Fahrverbot­e zu vermeiden: Sie könnte die Urteile aus Leipzig und Stuttgart einfach nicht umsetzen. Dagegen können die DUH und andere Kläger dann erneut rechtlich vorgehen. In einem Fall ist das bereits passiert, hier wurde das Land zu einem Zwangsgeld von 10 000 Euro verurteilt. Am Donnerstag erörtern die Richter mit den Beteiligte­n in einem nicht-öffentlich­en Termin, ob das Land zahlen muss. Schmerzhaf­t wäre das für den Landesetat nicht. Denn letztlich würde das Land solche Strafen an sich selbst zahlen und weiter nichts tun. Dann könnte ein Gericht erneut Zwangsgeld­er verhängen, aber wieder nur maximal 10 000 Euro. Ob Richter Zwangshaft gegen Verantwort­liche anordnen könnten, ist unter Juristen umstritten.

Was heißt das für andere Städte?

Zunächst einmal gar nichts. Jede Stadt muss ihre eigenen Pläne für saubere Luft aufstellen. Ravensburg etwa will das bis Anfang 2019 tun. Fahrverbot­e lehnen die Oberbürger­meister beider Städte ab. Erst, wenn die Schadstoff­werte nicht deutlich sinken und jemand die betroffene­n Kommunen verklagt, droht Ungemach. Dann könnten Richter Fahrverbot­e als letztes Mittel fordern. An anderer Stelle könnten die Kommunen außerhalb Stuttgarts profitiere­n: Grüne und CDU verhandeln noch über weitere Maßnahmen für bessere Luft in Stuttgart. Dazu könnte etwa ein Ausbau von Bus- und Bahnverkeh­r zählen. Von entspreche­nden Fördergeld­ern würden dann auch andere Städte profitiere­n.

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FOTO: DPA Problemzon­e: Am viel befahrenen Neckartor in Stuttgart ist die Luft besonders belastet.

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