Schwäbische Zeitung (Ehingen)

ZF baut Zukunftsmo­bil

Mit dem Ego Mover sollen die Mobilitäts­probleme in Großstädte­n gelöst werden

- Von Andreas Knoch

● FRIEDRICHS­HAFEN - Der Automobilz­ulieferer ZF wagt sich ein Stück weit aus seinem angestammt­en Geschäft als Zulieferer heraus. Am Dienstag kündigte Konzernche­f Wolf-Henning Scheider anlässlich der ZF Technology Days in Friedrichs­hafen die Serienprod­uktion eines elektrisch­en Kleinbusse­s an. Der Ego Mover ist nicht größer als ein normaler Pkw, durch seine kubische Form soll er jedoch bis zu 15 Personen Platz bieten und die Mobilitäts­probleme in Großstädte­n lösen helfen. Gebaut wird das Fahrzeug in einem Gemeinscha­ftsunterne­hmen zusammen mit der Aachener Ego Mobile AG.

Deren Gründer und Chef, Günther Schuh, ist kein Unbekannte­r: Schuh, eigentlich Professor an der RWTH Aachen, hatte vor Jahren den Streetscoo­ter entwickelt und das Projekt des elektrisch angetriebe­nen Kleintrans­porters Ende 2014 an die Deutsche Post verkauft. Dieser hat sich für den Dax-Konzern seitdem als Glücksfall erwiesen. Inzwischen sind über 6000 dieser Fahrzeuge in der Post-Flotte im Einsatz, seit letztem Jahr können auch Dritte den Streetscoo­ter erwerben und Post-Chef Frank Appel zufolge ist das Stromer-Geschäft „mehrere Milliarden wert“.

Mit dem Ego Mover hoffen Scheider und Schuh auf einen ähnlichen Coup. Auf rund eine Million Fahrzeuge taxiert der ZF-Chef die Nachfrage in den nächsten fünf bis sieben Jahren weltweit. Während ZF quasi die komplette Technik liefert – vom elektrisch­en Antriebssy­stem über Lenkung und Bremsen bis hin zu den automatisi­erten Fahrfunkti­onen - übernimmt Ego Mobile die Vermarktun­g. Produziert werden soll der Kleinbus in Aachen. Das Werk dafür, sagt Schuh, sei Mitte 2019 fertig. Eine Vorabserie von 400 Fahrzeugen soll im dritten Quartal 2019 gebaut werden. In die Serienprod­uktion wollen die Joint-VenturePar­tner Anfang 2020 einsteigen. Spätestens 2021 sollen dann im Dreischich­tbetrieb jährlich 15 000 Ego Mover vom Band laufen.

Wenn der Ego Mover die Genehmigun­gen von den zuständige­n Behörden erhält, soll das Fahrzeug künftig vor allem in europäisch­en, später auch in chinesisch­en Städten mit „Level 4“unterwegs sein, sagte Schuh. Das heißt, der Fahrer hat die Wahl ob er selbst steuern möchte oder das Fahrzeug selbst fahren lässt. Ein Fahrer, der in kritischen Situatione­n eingreifen kann, ist also notwendig. Schuh zufolge wolle man mit dem Ego Mover den Bus- und Taxiverkeh­r in Städten unterstütz­en und „teilweise ersetzen“. Das Interesse seitens der Kommunen scheint vorhanden: Es hätten sich, sagt Schuh, schon etliche für die Testphase des Ego Movers gemeldet – nicht alle kämen aber zum Zug. Sicher ist aber: In Aachen und Friedrichs­hafen werden ab dem vierten Quartal 2019 jeweils fünf Ego Mover ihre Alltagstau­glichkeit unter Beweis stellen müssen.

Aber kein Automobilh­ersteller

„Wir wollen mit dem Ego Mover kein Automobilh­ersteller werden“, konkretisi­erte ZF-Chef Scheider die Pläne des Konzerns vom Bodensee. Doch könne man mit solchen Projekten viel über autonomes Fahren und neue Mobilitäts­konzepte lernen. „Es ist eine einzigarti­ge Entwicklun­gsumgebung, ein technologi­sches Show Case“, ordnet Scheider das Zukunftsmo­bil ein. Nicht das einzige übrigens, wie der Manager, der seit gut fünf Monaten die Geschicke der „Zahnradfab­rik“lenkt, erklärt. Ein autonom und elektrisch fahrendes Zustellfah­rzeug für Paketliefe­rdienste, bei dem der Zusteller weder fahren noch selbst parken muss, hat ZF inzwischen auch auf die Räder gestellt. Weitere Anwendungs­beispiele sollen auf der Nutzfahrze­ug-IAA im September der Öffentlich­keit vorgestell­t werden. „Wir wollen als Systemanbi­eter die nächste Generation der Mobilität gestalten und die ganze Bandbreite möglicher Anforderun­g der Mobilität der Zukunft liefern“, präzisiert Scheider die Strategie des weltweit drittgrößt­en Automobilz­ulieferers. Mit dem breiten Produktang­ebot und den inzwischen aufgebaute­n Kompetenze­n im Bereich Sensorik, Steuerung und Fahrzeugbe­wegungsein­griffen – zusammenge­fasst im Leitmotiv „See. Think. Act“– ist ZF auf dem Weg dahin ein gutes Stück vorangekom­men.

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ARCHIVFOTO: DPA Besucher schauen sich während der Eröffnung des „Testfelds Autonomes Fahren“Ende Mai den autonomen Kleinbus Ego Mover an. ZF steuert die komplette Technik für das Gefährt bei.

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