ZF baut Zukunftsmobil
Mit dem Ego Mover sollen die Mobilitätsprobleme in Großstädten gelöst werden
● FRIEDRICHSHAFEN - Der Automobilzulieferer ZF wagt sich ein Stück weit aus seinem angestammten Geschäft als Zulieferer heraus. Am Dienstag kündigte Konzernchef Wolf-Henning Scheider anlässlich der ZF Technology Days in Friedrichshafen die Serienproduktion eines elektrischen Kleinbusses an. Der Ego Mover ist nicht größer als ein normaler Pkw, durch seine kubische Form soll er jedoch bis zu 15 Personen Platz bieten und die Mobilitätsprobleme in Großstädten lösen helfen. Gebaut wird das Fahrzeug in einem Gemeinschaftsunternehmen zusammen mit der Aachener Ego Mobile AG.
Deren Gründer und Chef, Günther Schuh, ist kein Unbekannter: Schuh, eigentlich Professor an der RWTH Aachen, hatte vor Jahren den Streetscooter entwickelt und das Projekt des elektrisch angetriebenen Kleintransporters Ende 2014 an die Deutsche Post verkauft. Dieser hat sich für den Dax-Konzern seitdem als Glücksfall erwiesen. Inzwischen sind über 6000 dieser Fahrzeuge in der Post-Flotte im Einsatz, seit letztem Jahr können auch Dritte den Streetscooter erwerben und Post-Chef Frank Appel zufolge ist das Stromer-Geschäft „mehrere Milliarden wert“.
Mit dem Ego Mover hoffen Scheider und Schuh auf einen ähnlichen Coup. Auf rund eine Million Fahrzeuge taxiert der ZF-Chef die Nachfrage in den nächsten fünf bis sieben Jahren weltweit. Während ZF quasi die komplette Technik liefert – vom elektrischen Antriebssystem über Lenkung und Bremsen bis hin zu den automatisierten Fahrfunktionen - übernimmt Ego Mobile die Vermarktung. Produziert werden soll der Kleinbus in Aachen. Das Werk dafür, sagt Schuh, sei Mitte 2019 fertig. Eine Vorabserie von 400 Fahrzeugen soll im dritten Quartal 2019 gebaut werden. In die Serienproduktion wollen die Joint-VenturePartner Anfang 2020 einsteigen. Spätestens 2021 sollen dann im Dreischichtbetrieb jährlich 15 000 Ego Mover vom Band laufen.
Wenn der Ego Mover die Genehmigungen von den zuständigen Behörden erhält, soll das Fahrzeug künftig vor allem in europäischen, später auch in chinesischen Städten mit „Level 4“unterwegs sein, sagte Schuh. Das heißt, der Fahrer hat die Wahl ob er selbst steuern möchte oder das Fahrzeug selbst fahren lässt. Ein Fahrer, der in kritischen Situationen eingreifen kann, ist also notwendig. Schuh zufolge wolle man mit dem Ego Mover den Bus- und Taxiverkehr in Städten unterstützen und „teilweise ersetzen“. Das Interesse seitens der Kommunen scheint vorhanden: Es hätten sich, sagt Schuh, schon etliche für die Testphase des Ego Movers gemeldet – nicht alle kämen aber zum Zug. Sicher ist aber: In Aachen und Friedrichshafen werden ab dem vierten Quartal 2019 jeweils fünf Ego Mover ihre Alltagstauglichkeit unter Beweis stellen müssen.
Aber kein Automobilhersteller
„Wir wollen mit dem Ego Mover kein Automobilhersteller werden“, konkretisierte ZF-Chef Scheider die Pläne des Konzerns vom Bodensee. Doch könne man mit solchen Projekten viel über autonomes Fahren und neue Mobilitätskonzepte lernen. „Es ist eine einzigartige Entwicklungsumgebung, ein technologisches Show Case“, ordnet Scheider das Zukunftsmobil ein. Nicht das einzige übrigens, wie der Manager, der seit gut fünf Monaten die Geschicke der „Zahnradfabrik“lenkt, erklärt. Ein autonom und elektrisch fahrendes Zustellfahrzeug für Paketlieferdienste, bei dem der Zusteller weder fahren noch selbst parken muss, hat ZF inzwischen auch auf die Räder gestellt. Weitere Anwendungsbeispiele sollen auf der Nutzfahrzeug-IAA im September der Öffentlichkeit vorgestellt werden. „Wir wollen als Systemanbieter die nächste Generation der Mobilität gestalten und die ganze Bandbreite möglicher Anforderung der Mobilität der Zukunft liefern“, präzisiert Scheider die Strategie des weltweit drittgrößten Automobilzulieferers. Mit dem breiten Produktangebot und den inzwischen aufgebauten Kompetenzen im Bereich Sensorik, Steuerung und Fahrzeugbewegungseingriffen – zusammengefasst im Leitmotiv „See. Think. Act“– ist ZF auf dem Weg dahin ein gutes Stück vorangekommen.